Gerade einmal 127 Jahre hat es gedauert, bis Eintracht Braunschweig erstmals eine Frau an die Vereinsspitze gewählt hat. Seit vergangenem Mittwoch ist Nicole Kumpis neue Präsidentin beim Drittligisten – und derzeit auch die einzige im deutschen Profifußball. Die Tage nach der Wahl waren für sie vollgepackt mit Interviews. Mit einer solchen Aufmerksamkeitswelle hat die 48-Jährige selbst nicht gerechnet. Einen Wikipedia-Eintrag über Kumpis gibt es trotzdem noch nicht.
Wer also ist diese Frau, die den Traditionsklub wieder zurück in die Fußball-Beletage führen will? In Braunschweig geboren, wuchs Kumpis in einer fußballverrückten Familie auf. Von Anfang an schloss sie die Eintracht ins Herz. Wobei sie sich an den Anfang gar nicht so genau erinnern kann, schließlich hatte ihr Vater sie schon in der Kinderkarre ins Eintracht-Stadion geschoben. Mittlerweile hat Kumpis selbst eine Dauerkarte für Block 7 in der Südkurve.
Präsidentin Kumpis stellt eine Ausnahme im deutschen Profifußball dar
Im Fußball-Business, wo Wirtschaftskompetenz und Charisma als Schlüsselqualifikationen gelten, stellt Kumpis gewissermaßen eine Ausnahme dar: Als Diplom-Sozialpädagogin war sie lange Zeit Geschäftsführerin der Eintracht Braunschweig Stiftung, bevor sie im vergangenen Jahr zur Vorsitzenden beim Deutschen Roten Kreuz in Braunschweig-Salzgitter wurde. Die soziale Ader scheint also eine der Schlüsselqualifikationen der neuen Eintracht-Chefin zu sein. Kein Wunder, dass sie in ihrer Wahlkampagne dafür eintrat, die gespaltenen Lager in Braunschweig wieder zusammenzuführen.
Von nun an führt Kumpis also „ihre“ Eintracht an. Zum ersten Mal seit 30 Jahren gibt es wieder eine Chefin im Profifußball; überhaupt erst zum dritten Mal. Ihre (zugegebenermaßen wenig bekannten) Vorgängerinnen: Gisela Schwerdt, 1986 für ein halbes Jahr Präsidentin bei Arminia Bielefeld, und Liselotte Knecht, die von 1988 bis 1992 beim TSV 1860 München an der Spitze stand. Dass sich Kumpis nun in diese Liste einreiht, ist die logische Konsequenz eines laufenden Prozesses.
Im vergangenen Jahr gründeten prominente Frauen wie Almuth Schult und Bibiana Steinhaus-Webb die Initiative „Fußball kann mehr“. Sie fordern mehr weibliche Führungskräfte. Seit Januar steht mit Donata Hopfen erstmals eine Frau der Deutschen Fußball-Liga (DFL) vor. Trotz allem bleibt Kumpis eine Ausnahme – siehe Aufmerksamkeitswelle. Eine Frauenquote sieht sie gleichwohl kritisch: „Sicherlich macht eine Quote am Anfang Sinn, um Frauen zu etablieren. Auf längere Zeit gesehen ist es aber immer besser, an Kompetenzen gemessen zu werden als an einer Quote.“
Mit der Eintracht strebt Kumpis nun die Rückkehr in die Zweite Liga an. Eines steht bereits fest: Ihre Dauerkarte in Block 7 wird sie auch in Zukunft behalten.