Der Machtkampf in der Führungsetage des VfB Stuttgart hielt Trainer Pellegrino Matarazzo nicht von einem gemütlichen Silvesterabend ab.
Ungeachtet des heftigen Streits zwischen Vorstandsboss Thomas Hitzlsperger und Präsident Claus Vogt schlief der Trainer sogar kurz vor dem Jahreswechsel auf dem Sofa ein. "Mein Sohn hat währenddessen Harry-Potter-Lego aufgebaut und mich dann aufgeweckt um kurz vor Zwölf", erzählte der 43-Jährige am Neujahrstag schmunzelnd. Sein Fokus soll nun dem Spiel gegen RB Leipzig am Samstag (20.30 Uhr/DAZN) gelten.
Doch auch dem Italo-Amerikaner dürfte es aktuell schwerer denn je fallen, sich allein auf das Sportliche zu konzentrieren. Während Matarazzos Mannschaft in der Fußball-Bundesliga bislang mit teils begeisternden Auftritten überzeugte, droht der VfB sich auf höchster Ebene selbst zu zerlegen. Die Dimension der öffentlichen Attacken von Hitzlsperger und Vogt bezeichnete Matarazzo als "bemerkenswert". Anstatt seine Mannschaft allein auf RB Leipzig vorzubereiten, sprach der Coach mit seinen Spielern auch über den heftigen Streit der beiden Alphatiere. So wollte er das Thema vor seinen Profis schnellstmöglich "im Keim ersticken".
In einem vierseitigen Brief hatte Hitzlsperger den Unternehmer Vogt ungewöhnlich scharf kritisiert. Um Vogt loszuwerden, will der Ex-Nationalspieler sogar bei der Präsidentenwahl im März gegen ihn antreten. Es war ein Angriff sondergleichen. Und es dauerte einige Stunden, bis Vogt sich schließlich am Silvestertag zur Wehr setzte. "Ich, nein wir, alle hatten es sicherlich nicht für möglich gehalten, dass sich ein Vorstandsmitglied eines Clubs gegenüber seinem Aufsichtsratsvorsitzenden öffentlich derart im Ton vergreift", schrieb der 51-Jährige in einer persönlichen Erklärung.
Anstatt miteinander reden Vogt und Hitzlsperger nur noch übereinander. In einem einmaligen Streben nach Macht möchte Hitzlsperger seinen Gegenspieler nun aus dem Club drängen, um künftig Vorstandsvorsitz und Präsidentenposten in Personalunion zu bekleiden. Der Anlass für diesen Schritt? Vogt allein. Sagt Hitzlsperger. "Ein tiefer Riss geht durch unseren Club", schrieb der Ex-Profi. Dieser Riss verlaufe zwischen Vogt auf der einen Seite "und dem gesamten Vorstand der AG und zahlreichen Gremienmitgliedern aus Präsidium, Aufsichtsrat und Vereinsbeirat sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der anderen Seite".
Vogts Profilierungswunsch bedrohe "die Existenz des ganzen Vereins". Dem vierseitigen Brief von Hitzlsperger folgte ein vierseitiger Brief des Präsidenten. Und der Unternehmer aus Böblingen machte deutlich, was aus seiner Sicht der Hauptgrund für die Eskalation des Machtkampfs ist: "Die Aufklärung des Datenskandals." Hierbei sollen Mitarbeiter des Clubs im Vorfeld der Mitgliederversammlung im Sommer 2017 wiederholt Mitgliederdaten an Dritte weitergegeben haben. Vogt beauftragte vor einigen Monaten schließlich eine externe Kanzlei mit der Aufklärung. Nun erhebt er schwere Vorwürfe.
"Mehrfach wurde in den zurückliegenden Wochen versucht, die Arbeit der Kanzlei Esecon zu torpedieren", schreibt Vogt. "Man kann zu dem Eindruck kommen, dass es im und um den VfB Menschen/Personen gibt, die diese Aufklärung nicht wollen." Hitzlsperger dagegen hatte behauptet, dass Vogt den Auftrag "ohne Ausschreibung, ohne Kostenschätzung und ohne Projektplan durchgedrückt" habe. Die dadurch entstandenen "ausufernden Kosten" hätten dazu geführt, dass die ausgegliederte Profifußball-AG den Verein nun unterstützen müsse, "um ihn vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren".
Stimmt nicht, sagt Vogt. "Die Kosten für die Aufklärung der Anwaltskanzlei wurden von mir regelmäßig kontrolliert und den Kollegen des Präsidiums mitgeteilt. Zudem sind diese Kosten von einer Versicherung größtenteils gedeckt!" Was auch immer nun wahr ist: Der Imageschaden für den schwäbischen Traditionsclub ist schon jetzt groß. Und die Partie gegen Leipzig wird davon überlagert.
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