Auf ein Stadionerlebnis müssen die Fußball-Fans in Deutschland noch lange verzichten - doch trotz der steigenden Sehnsucht nach Live-Events wird es mögliche Geisterspiele nur in Ausnahmefällen im Free-TV zu sehen geben.
"Alles für alle frei zugänglich anzubieten, würde die Verträge, die wir auch mit den öffentlich-rechtlichen Sendern haben, sehr tangieren beziehungsweise die Wertigkeit komplett zerstören. Damit würden wir vertragsbrüchig werden", stellte DFL-Boss Christian Seifert klar.
Die Rechte zur Liveübertragung von Bundesligaspielen liegen beim Pay-TV-Sender Sky und dem Streamingdienst DAZN. Mit beiden Unternehmen befindet sich die Deutsche Fußball Liga laut Seifert in Gesprächen, wie die Ware Fußball in Zeiten der Corona-Krise im Falle einer Fortsetzung der bis mindestens 30. April ausgesetzten Saison in möglichst viele Wohnzimmer transportiert werden kann. "Wir arbeiten an Lösungen, die dieser Ausnahmesituation gerecht werden und versuchen natürlich Möglichkeiten zu finden, dann auch sehr spezielle Angebote zu machen. Aber so weit sind wir noch nicht", sagte Seifert.
Denkbar ist, dass es vielleicht zu einem noch nicht terminierten Neustart der Liga eine Ausnahmeregelung geben könnte. Die war bereits am 26. und 27. Spieltag Mitte März geplant, als Sky die Konferenzen der 1. und 2. Bundesliga frei empfangbar machen wollte. "In herausfordernden Zeiten müssen wir alle zusammenstehen. Für uns ist es selbstverständlich, unseren Teil dazu beizutragen, indem wir diese Spiele mit allen teilen, so dass möglichst viele Fußballfans die Bundesliga live erleben können", sagte Devesh Raj, Vorsitzender der Geschäftsführung des Bezahlsenders, damals.
Weil die zunächst vorgesehenen Geisterspiele wegen der Coronavirus-Pandemie abgesagt werden mussten, wurde daraus jedoch nichts. Als Dauerlösung kommt dies ohnehin nicht in Betracht, denn Sky ist mit durchschnittlich 876 Millionen Euro pro Jahr der größte Zahlmeister der Liga und kann daher schwerlich auf Re-Einnahmen aus dem Pay-TV-Angebot verzichten.
Wie groß der Fußball-Hunger der Fans ist, ließ sich am vergangenen Wochenende beobachten. Mehr als zwei Millionen Fans verfolgten im Internet die Bundesliga-Challenge an der Spielekonsole, in der ARD schauten am Samstag 1,83 Millionen Menschen die Wiederholung des EM-Viertelfinales 2016 zwischen Deutschland und Italien. Das Erste verzeichnete damit mehr Zuschauer als bei der zuvor ausgestrahlten "Sportschau" (1,51 Millionen). Der Klassiker der Sportsendungen ist wegen fehlender Bundesligaberichte derzeit auf rund 20 Minuten verkürzt und hat sonst mehr als dreimal so viele Zuschauer.
Bei der Diskussion um möglicherweise veränderte Spieltagspläne gibt sich der wichtigste Free-TV-Anbieter dennoch zurückhaltend. "Wir warten ab, was uns die DFL als Vertragspartner vorschlägt", sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. "Basis für Gespräche muss eine konkrete Idee sein. Vorher befassen wir uns nicht mit möglichen Modellen."
Ein Notspielplan mit täglichen Ansetzungen, über den für den Fall einer späten Saisonfortsetzung erst im Juni spekuliert wird, würde sowohl der "Sportschau" als auch der Sky-Konferenz - den bei den Fans mit Abstand beliebtesten Fußball-Formaten im TV-Markt - die Grundlage entziehen. Beim Pay-TV-Sender könnte dadurch aber die Nachfrage nach Einzelspielen steigen, zumal die Fans die Bundesliga auf absehbare Zeit auch in den Kneipen und Biergärten nicht verfolgen können.
DFL-Boss Seifert will sich an solchen Spekulationen nicht beteiligen. "Ich möchte mich nicht auf andere Denkmodelle, die momentan nicht auf dem Tisch liegen, einlassen. Wir sehen derzeit noch keinen Anlass, ein Extremszenario - jeden Tag ein Spiel - zu planen", sagte der 50-Jährige. "Wir glauben, die Saison auf regulärem Weg zu Ende bringen zu können."
Nicht so stark betroffen von einer Spielplanänderung wäre DAZN. Für den neuen Mitspieler, der pro Saison 40 Einzelpartien live zeigen darf, zählt in erster Linie, dass der Ball überhaupt wieder rollt. Denn solange der Spielbetrieb ausgesetzt ist, kann der Streamingdienst nicht die vertraglich zugesicherte Ware anbieten.
Weil dies vermehrt zu Problemen mit den Kunden führt, hat DAZN bereits weltweit die Zahlungen an die Sportverbände gestoppt. Das betrifft nach Informationen der Branchendienste "Sportspromedia" und "Sportbusinessdaily" die fälligen Summen für abgesagte und verschobene Veranstaltungen. Nicht nur Seifert glaubt daher an die These, "dass sich sehr viele Menschen freuen würden, wenn die Bundesliga demnächst wieder auf dem Bildschirm zu sehen ist". In welcher Form und auf welchem Sender auch immer. (dpa)