Kommunikation ist das Wichtigste. Was Führungspersönlichkeiten der freien Wirtschaft in teuren Fortbildungskursen hart erlernen müssen, eignen sich Fußballer ganz automatisch im Verlauf der Jahre an. Toni Kroos beispielsweise beherrscht sogar die Kunst, sich nicht nur verbal seinen Mitspielern mitzuteilen, sondern auch seine Pässe reden zu lassen. Kein Zuspiel ohne Botschaft. Sie können Sicherheit vermitteln oder das Anliegen, nun doch mal das Spiel schnell zu machen. Manchmal aber greift selbst Kroos auf normale Spracharbeit zurück.
Zusammen mit Marco Reus analysierte er diese letzte Chance gegen Schweden, die sich der deutschen Nationalmannschaft bot. Linker Flügel, schwieriger Winkel. "Dann wollte Marco zuerst direkt schießen. Ich hab ihm gesagt: Da bin ich nicht überzeugt von. Dann haben wir uns für den Weg entschieden." Dieser Weg war kein leichter. Kroos tippte an, Reus stoppte, Kroos schoss und kurz darauf senkte sich der Ball über Schwedens Torwart Robin Olsen hinweg ins Tor. Weil es der Treffer zum 2:1-Sieg war, weil die Deutschen das frühe Turnier-Aus gerade nochmal so verhindert haben und weil sie sich etlichen Widrigkeiten entgegenzustellen hatten, fiel der Jubel dementsprechend emotional aus.
Özil und Khedira gegen Schweden auf der Bank
Die Mannschaft hatte sich in einem Spiel durchgesetzt, das sich trotz guter Leistung und enormen Willens lange Zeit nicht auf die Seite der Löw-Elf schlagen wollte. Der Bundestrainer hatte mit vier Spielerwechseln auf die Niederlage gegen Mexiko reagiert. Für den angeschlagenen Mats Hummels spielte etwas überraschend Antonio Rüdiger, der wiedergenesene Jonas Hector ersetzte Marvin Plattenhardt. Mit Mesut Özil und Sami Khedira zwei Eckpfeiler seines Team von ihren Aufgaben zu entbinden, widersprach Löws bisheriger Strategie des bedingungslosen Vertrauens. Statt der beiden durften Sebastian Rudy und Marco Reus von Beginn an spielen.
Dass es das Schicksal an diesem Abend in Sotschi den Deutschen nicht allzu leicht machen sollte, zeigte sich erstmals in der 24. Minute, als Rudy ein schwedischen Fuß unbeabsichtigt im Gesicht traf. Das Resultat: Nasenbeinbruch. Rudy wollte trotzdem weiter machen, die Blutung aber ließ sich nicht stillen und nach sieben langen Minuten entschloss sich Löw dann doch, Ilkay Gündogan für den Münchner einzuwechseln. Somit konnte er aus der Nähe sehen, wie Kommunikation auch misslingen kann.
Ein Pass von Kroos sollte Gündogan Ruhe im Mittelfeld vermitteln. Weil der Ball aber in den Füßen von Marcus Berg landete, war es nicht gut um die Ruhe in der deutschen Defensive bestellt. Am Ende des Angriffs lupfte Ola Toivonen den Ball über Manuel Neuer ins Tor (32.). "Das Tor geht auf meine Kappe. Aber wenn man 400 Ballkontakte hat, sind auch mal zwei Fehlpässe dabei", sagte Kroos nach dem Spiel. Nach dem Fauxpas stand er vor einer wichtigen Entscheidung. "Die eine Möglichkeit: So ein Fehler macht dein Spiel kaputt. Oder: Du versuchst alles reinzuhauen und anzutreiben und das habe ich in der zweiten Halbzeit versucht." Die Deutschen waren zu diesem Zeitpunkt ausgeschieden.
Deutschland kann das Achtelfinale aus eigener Kraft erreichen
Ehe sich die Deutschen aber einen weiteren späten Sieg an ihr mit ähnlichen Erfolgen volles Revers heften durften, mussten sie weitere Ärgernisse überwinden. Dem frühen Ausgleich durch Reus (48.) folgten etliche vergebene Chancen und eine Gelbrote Karte für Jerome Boateng (82.). Weil die Mannschaft aber auch weiterhin ihr Glück in der Offensive suchte, wurde die letzte Wendung durch Kroos zwar spät eingeleitet, keinesfalls aber war sie unverdient. Sollte die deutsche Mannschaft nun am kommenden Mittwoch in Kasan gegen Südkorea mit zwei Toren Abstand gewinnen, ist ihr das Achtelfinale nicht mehr zu nehmen. Ein anderes Ergebnis könnte Rechenarbeit bedingen, wäre das Team doch dann auch vom Ausgang des Parallelspiels Mexiko gegen Schweden abhängig.
Kroos aber hat ohnehin den Eindruck, der Erfolg werde ihm und dem Team von vielen Journalisten und Experten nicht gegönnt. An sie gewandt sagte er: "Von allen, die schreiben, die unsere Körpersprache kritisieren und so, hilft uns keiner. Uns schreibt keiner zum Titel, das müssen wir alles selbst machen. Wir wissen, dass wir viele Fans auch zu Hause auf den Fanmeilen und vor dem Fernseher hinter uns haben. Aber mehr Hilfe gibt es nicht. Den Rest müssen wir selbst machen."
Das wiederum mag stark geklungen haben, ist jedoch eine Selbstverständlichkeit. Zumindest ist nicht bekannt, dass sich Mannschaften aufgrund medialer Unterstützung einen Titel sichern konnten. Die Deutschen immerhin haben die Chance, weiter um jenen Titel zu spielen. Und das ist eine Botschaft an all die anderen Mannschaften.