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WM 2014: Rudis Resterampe, Jogis Passmaschine: Deutschland, ewiger Halbfinalist

WM 2014

Rudis Resterampe, Jogis Passmaschine: Deutschland, ewiger Halbfinalist

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    Mit einem 1:0-Sieg gegen Frankreich hat Deutschland das Halbfinale erreicht - zum vierten Mal in Folge.
    Mit einem 1:0-Sieg gegen Frankreich hat Deutschland das Halbfinale erreicht - zum vierten Mal in Folge. Foto: Alain Mounic, Witters

    Fußball, hat der englische Nationalspieler Gary Lineker vor Jahren entnervt definiert, ist ein einfaches Spiel. 22 Menschen jagen einem Ball hinterher und am Ende gewinnt immer Deutschland. Das lässt sich aus englischer Sicht so sagen, besonders nach Elfmeterschießen.

    Global gesehen haben die Deutschen die Lineker-Regel nicht ganz halten können, vor allem dann nicht, wenn sie auf Italien getroffen sind. Aber

    Ein wenig abgewandelt lässt sich nach dem deutschen 1:0-Sieg gegen Frankreich nun sagen: Eine Fußball-WM ist ein Turnier, bei dem am Ende immer Deutschland im Halbfinale steht. Zum vierten Mal hintereinander hat Deutschland die Runde der letzten vier WM-Teams erreicht. Jedes Team auf seine eigene Art. Vier Mannschaften, vier Typen. Die deutschen Halbfinalisten im Porträt.

    2002 in Japan und Südkorea: Rudis Resterampe

    Das deutsche WM-Aufgebot bestand aus jenen Spielern, die übrig geblieben sind, nachdem das Verletzungspech die Auswahl dezimiert hatte. Rudi Völlers Resterampe aber schlug sich in Asien wacker. Michael Ballack war der Chef, Oliver Kahn der Titan. Der Rest war Arbeit. Deutschland kämpfte sich in der K.-o.-Runde von einem 1:0 zum nächsten. Paraguay, USA, Südkorea – alles deutsche 0:1-Opfer.

    Einen Schönheitspreis gab es dafür nicht. Die Schönspieler waren bereits zu Hause, als Deutschland im Finale auf Brasilien traf. Ohne den gesperrten Ballack zwar, dafür mit dem erkennbaren Willen, das Endspiel nicht nur erfolgreich, sondern auch ansehnlich zu gestalten. Tragischerweise fiel der bis dahin überragende Oliver Kahn aus seiner Titanen-Rolle, weshalb der Titel an

    2006 in Deutschland: die Klinsmänner

    Ballack hieß jetzt Capitano. Die Mannschaft war eine wilde Mischung, wie sie nur Jürgen Klinsmann zusammenstellen konnte. Der Kahn-Titan saß auf der Ersatzbank, neben einem gewissen David Odonkor, einem Sprinter, der nur spielen durfte, wenn es schnell gehen musste. Fast aber wäre überhaupt nichts gegangen. Deutschland schien, nach einem desaströsen Spiel gegen Italien kurz vor der WM, gewillt, das Turnier abzublasen, die Grenzen zu schließen und Klinsmann auf Schadenersatz zu verklagen.

    Dann allerdings hätte der bis heute schönste deutsche Fußball-Sommer nicht stattgefunden. Die Begeisterung, die der Bäckersohn aus dem Schwäbischen in sich selbst, seiner Mannschaft und dem Land entfacht hatte, trug alle zusammen in die Runde der letzen Vier. Dort warteten die Italiener, die am liebsten dann über sich hinauswachsen, wenn es gegen Deutschland geht. Am Ende gewann Italien 2:0 nach Verlängerung und holte sich gegen Frankreich im Elfmeterschießen den Titel.

    2010 in Südafrika: Multikulti ohne Ballack

    Der Capitano fehlte, war kurz vor der WM von Kevin-Prince Boateng zusammengetreten worden. Was sich damals noch keiner vorstellen konnte – am wenigsten Ballack selbst –, es ging ohne ihn weiter. In der Nationalelf brach eine neue Zeit an, mit neuen Kräfteverhältnissen. Joachim Löw hielt die Hierarchien flach und den lockeren Geist seines Vorgängers wach.

    Ballacks Rolle übernahmen Philipp Lahm als Kapitän und der von Löw zum „aggressive leader“ ernannte Bastian Schweinsteiger. Die Mannschaft stand für Deutschlands multikulturelle Gegenwart. Zum WM-Aufgebot gehörten Spieler mit spanischen (Gomez), nigerianischen (Aogo), ghanaischen (Boateng), tunesischen (Khedira), serbischen (Marin), türkischen (Özil, Tasci) und polnischen (Trochowski, Podolski, Klose) Wurzeln. Daneben prägte ein bayerisches Gewächs die Elf: Thomas Müller – mit 20 Jahren, fünf Treffern und drei Vorlagen WM-Torschützenkönig.

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    Im Halbfinale allerdings waren die spanischen Wurzeln stärker. Iniesta & Co. standen in der Blüte ihrer Jahre, gewannen 1:0 und holten sich danach den Titel. Deutschland hatte zum zweiten Mal gegen den späteren Weltmeister verloren, mit dem anschließenden 3:2-Sieg gegen Uruguay im Spiel um Platz drei allerdings auch zum zweiten Mal das kleine Finale gewonnen.

    2014 in Brasilien: die Passmaschine

    Thomas Müller kann noch seinen Titel als WM-Torschützenkönig verteidigen und Miroslav Klose könnte mit einem einzigen weiteren Treffer den Brasilianer Ronaldo als WM-Rekord-Torschützen ablösen. Ansonsten ist es nicht das Spektakuläre, das Löws Truppe in Brasilien auszeichnet, sieht man einmal vom Feldspiel des Torhüters Manuel Neuer ab. Was die Mannschaft neben den wieder erstarkten deutschen Fußballtugenden – Einsatz, Laufbereitschaft, Willenskraft – auszeichnet, ist ihr Pass-Spiel.

    Den Ball wie an einer unsichtbaren Schnur gezogen von einem zum Nächsten wandern zu lassen – darin sind die Deutschen schon vor dem Halbfinale Weltmeister. Pass-Spiel als Stilmittel – frei nach dem Motto: Wenn wir den Ball haben, hat ihn der Gegner nicht – ist allerdings selten umwerfend erfolgreich. Konsequent zu Ende gedacht, münden 90 oder 120 Minuten Ballbesitz bestenfalls in ein Remis. Dem würde heute ein Elfmeterschießen folgen. Wie so etwas für Brasilien enden könnte, weiß Gary Lineker am besten.

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