Die Arbeit von Joachim Löw kann beginnen - wenn auch mit neuen Widrigkeiten. Nach monatelangen Planungen reist der Fußball-Bundestrainer an diesem Mittwoch nach den Pokal-Verletzungen von Philipp Lahm und Manuel Neuer mit nochmals verschärften Personalsorgen ins Trainingslager der Nationalmannschaft nach Südtirol, aber auch mit ungebrochener Lust. Endlich kann der 54-Jährige aktiv an Problemlösungen für seine wacklige WM-Titelmission in Brasilien werkeln. Hochbetrieb wird es zunächst vor allem beim Team-Doktor geben.
Bayern-Achse ist angeschlagen
"Irgendwann ist auch mal gut, dann muss der Startschuss fallen", hatte Löw zuletzt ungeduldig mit dem Blick auf das bis zum 31. Mai dauernde Trainingslager betont. Dass Neuer wegen einer für einen Torwart besonders heiklen Schulterverletzung ins Passeiertal anreisen wird und auch Kapitän Lahm wegen einer schmerzhaften Blessur am Sprunggelenk in Italien erst einmal nur Trainingszuschauer ist, muss auch Löw beunruhigen. "Hinsichtlich der WM-Teilnahme von Manuel und Philipp sind wir optimistisch", äußerte Löw nach den Diagnosen von Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt.
Der Bundestrainer war bemüht, trotz der Sorgen um die Leistungsträger und Führungsspieler vom FC Bayern München das Positive hervorzuheben. "Es ist gut und wichtig, sie von Anfang an in Südtirol dabei zu haben, auch wenn sie zunächst nicht trainieren können", betonte Löw. Was übrigens auch für Bastian Schweinsteiger gelten könnte, dessen Probleme an der Patellasehne des linken Knies nicht genau einzuschätzen sind.
Neben den Bayern-Stars hat Löw weitere Fragezeichen im Gepäck: Khedira, Klose oder der Dortmunder Mats Hummels, der im DFB-Pokalfinale wegen Problemen am Fuß mit Schmerzmitteln spielen musste, sind nur die prominentesten Namen auf einer langen Sorgenkinderliste.
Eiswürfel-Maschine wird rechtzeitig betriebsbereit sein
Bis 13 Uhr sollen mit Ausnahme von Sami Khedira, der mit Real Madrid am Samstag in Lissabon das Champions-League-Finale gegen Atlético Madrid bestreitet, die übrigen 26 WM-Kandidaten nach St. Leonhard anreisen und dort im Fünf-Sterne-Resort "Andreus" einchecken. In der Wohlfühloase mit 75 Luxussuiten in dem 3500-Einwohner-Ort wird es Lahm und Co. an nichts fehlen, wie die Gastgeber Helga und Richard Fink versprachen. Auch die gewünschte Eiswürfel-Maschine ist bis zum Mittwoch startklar. Sie würden mit ihren rund hundert Mitarbeitern alles tun, um dem 60-Mann-Tross des DFB "positive Energie aus dem Passeiertal mitzugeben."
Bis zum 16. Juni, dem Ernstfall im ersten WM-Gruppenspiel gegen Portugal, hat Löw Zeit. "Das muss alles reichen, es hilft ja nichts", bemerkte Kapitän Lahm fatalistisch. Der 30-Jährige hat schon Schlimmeres erlebt: Kurz vor der Heim-WM 2006 erlitt er einen Sehnenanriss im Ellbogen und musste operiert werden. Aber im Eröffnungsspiel in München schoss er beim 4:2-Sieg gegen Costa Rica trotzdem das erste Tor beim deutschen Sommermärchen.
Hervorragende Bedingungen
"Wir müssen nicht auf Portugal, Ghana und die USA schauen, wir müssen uns gut vorbereiten", mahnte der turniererfahrene Lukas Podolski vor dem Beginn des Trainingslagers. Für rund 80 000 Euro ist der Trainingsplatz in St. Martin renoviert und kurzfristig sogar noch ein neuer Rollrasen verlegt worden. "Die Rahmenbedingungen passen", versicherte Oswald Tschöll, der Bürgermeister von St. Leonhard. Rund 500.000 Euro haben die Gemeinden des Passeiertales und der Tourismusverband in das Trainingslager-Event investiert.
Löw beschreitet auf der letzten Etappe nach Brasilien auch neue Wege. Anders als vor den Turnieren 2008, 2010 und 2012 sind diesmal die Spielerfrauen und Kinder der WM-Akteure zu Beginn des Trainingslagers nicht dabei. Der Fokus ist ganz auf den Fußball ausgerichtet. Ein Novum hat zudem der künftige DFB-Sportdirektor Flick eingebracht: Die deutsche U 20-Nationalelf wird von Samstag an in Südtirol als Sparringspartner für Özil und Co. fungieren. So kann Löw "nach gewissen taktischen Vorgaben", wie er sagte, den Ernstfall gegen die WM-Gegner Portugal, Ghana und die USA proben. (dpa, AZ)