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WM 2006 gekauft?: FIFA-Ethikhüter klagen gegen Franz Beckenbauer

WM 2006 gekauft?

FIFA-Ethikhüter klagen gegen Franz Beckenbauer

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    Die FIFA-Ethikkommission erhebt Anklage gegen "Lichtgestalt" Franz Beckenbauer.
    Die FIFA-Ethikkommission erhebt Anklage gegen "Lichtgestalt" Franz Beckenbauer. Foto: Kay Nietfeld (dpa)

    Nach dem jüngsten Wirbel um das vermeintlich gekaufte Sommermärchen droht Franz Beckenbauer nun auch noch eine Sperre auf der internationalen Fußball-Bühne. Die Untersuchungskammer der FIFA-Ethikkommission hat nach Abschluss ihrer monatelangen Ermittlungen Anklage gegen die deutsche Fußball-Lichtgestalt erhoben. Das Verfahren sei zur rechtsprechenden Kammer weitergeleitet worden, teilte das Gremium des Fußball-Weltverbands am Mittwoch mit, ohne weitere Details zu nennen. Beckenbauer war wegen seiner Rolle bei der skandalumtosten WM-Vergabe an Russland und Katar von den Ethikhütern befragt worden.

    Franz Beckenbauer war schon im Sommer 2014 gesperrt

    Damit steht dem 70-Jährigen nun im Extremfall eine Sperre für alle Fußball-Aktivitäten bevor, dies würde unter anderem auch Besuche von Stadien beinhalten. Allerdings gab es auch Anzeichen für eine mildere Strafe. Wann der Richter-Spruch fällt, ist offen. Die Untersuchungen beziehen sich allem Anschein nach nicht auf die jüngsten Berichte über vermeintlich schwarze Kassen und gekaufte Stimmen bei der WM-Vergabe 2006 an Deutschland. Der Deutsche Fußball-Bund und sein Präsident Wolfgang Niersbach, der die Vorwürfe abgestritten hatte, können aber weiterhin noch ins Visier der Ethikhüter rücken. 

    Insgesamt ermittelt das Ethikgremium derzeit gegen mehr als neun aktuelle oder frühere hochrangige Funktionäre, darunter den gesperrten FIFA-Präsidenten Joseph Blatter und UEFA-Chef Michel Platini. 

    Beckenbauer hatte wie alle Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees, die bei der WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 im Dezember 2010 beteiligt gewesen waren, vor der Ethikkommission aussagen müssen. Er verweigerte dies zunächst und begründete dies mit Verständnisschwierigkeiten der auf "Juristen-Englisch" formulierten Fragen. Daraufhin wurde er im Sommer 2014 provisorisch für 90 Tage für alle Fußball-Aktivitäten gesperrt.

    Nach seiner danach erfolgten Aussage wurde dieser Bann aufgehoben, die Ermittlungen liefen jedoch weiter. Es sei besser gewesen, eher auf die FIFA-Fragen zu antworten, räumte Beckenbauers Management damals ein. "Ich habe die Angelegenheit unterschätzt", wurde er zitiert. Dies habe vor allem daran gelegen, "dass mir solche umfangreichen administrativen Dinge für gewöhnlich von meinem Management abgenommen werden, das ich in diesem Fall aber nur in eingeschränktem Umfang einbeziehen durfte".

    Ermittlungen gegen FIFA-Chef Blatter, Valcke und Platini gehen weiter

    Die Untersuchungen gegen Blatter, Weltverbands-Generalsekretär Jérôme Valcke und Platini laufen unterdessen weiter. Blatter und Platini drohen jahrelange Sperren, es wird auch angesichts der Ambitionen von Platini auf das FIFA-Präsidentenamt mit zeitnahen Urteilen gerechnet.

    Die Ethikkommission bestätigte erstmals, dass auch gegen den Spanier Ángel María Villar Llona ermittelt wurde. Die Untersuchungen sind abgeschlossen, den FIFA-Vizepräsidenten erwartet nun wie Beckenbauer ein Urteil. 

    Damit verschärft sich auch die Krise für die UEFA immer weiter. In seiner Funktion als Vize der Europäischen Fußball-Union ist Villar Llona durch die 90-Tage-Sperre gegen Platini aktuell ranghöchster Funktionär des Kontinentalverbands. Villar Llona war zudem erst am Dienstag bei der FIFA zum Vorsitzenden des WM-Organisationskomitee ernannt worden.

    Zahlreiche Fußball-Funktionäre sind von Korruptionsaffäre betroffen

    Nach den neuesten Enthüllungen ist insgesamt bereits die Hälfte der 22 stimmberechtigten Mitgliedern der FIFA-Regierung, die über die WM-Vergaben 2018 und 2022 entschieden hatten, direkt von Korruptionsverfahren betroffen. 

    Erst am Dienstag hatte das FIFA-Exekutivkomitee die Verschwiegenheitsklausel für die Ethikkommission aufgehoben. Damit durfte diese erstmals die Öffentlichkeit über ihre Untersuchungen informieren. Sowohl Chef-Untersucher Cornel Borbely als auch der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert als Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer hatten sich vehement für das Recht zur Information eingesetzt.

    Um Interessenkonflikte zu vermeiden wird nicht Eckert, sondern voraussichtlich sein Stellvertreter Alan Sullivan aus Australien das Urteil über Beckenbauer fällen. Dieser hat die Möglichkeit gegen den Richterspruch vor der FIFA-Berufungskomission Einspruch einzulegen, danach kann er den Internationalen Sportgerichtshof CAS anrufen.  dpa

    Der Fifa-Korruptionsskandal

    20. Oktober 2010: Die FIFA-Exekutivmitglieder Reynald Temarii (Tahiti) und Amos Adamu (Nigeria) werden wegen Korruptionsverdachts suspendiert. Sie sollen bereit gewesen sein, ihre Stimmen bei der WM-Vergabe 2018 und 2022 zu verkaufen.

    18. November 2010: Sechs FIFA-Funktionäre werden mit Strafen belegt. «Alle Zweifel sind ausgeräumt», sagt FIFA-Chef Joseph Blatter.

    29. November 2010: Neue Bestechungsvorwürfe gegen drei weitere Exekutivmitglieder: Ricardo Teixeira (Brasilien), Nicolás Leoz (Paraguay) und Issa Hayatou (Kamerun).

    2. Dezember 2010: Die FIFA vergibt die Weltmeisterschaften an Russland und Katar.

    6. Dezember 2010: FIFA-Vize Julio Grondona (Argentinien) soll etwa 59 Millionen Euro aus Katar erhalten haben.

    10. Mai 2011: Der frühere englische Verbandschef David Triesman beschuldigt Teixeira, Leoz, Vize Jack Warner (Trinidad und Tobago) und Worawi Mukudi (Thailand), unlautere Forderungen vor den WM-Vergaben gestellt zu haben.

    20. Juni 2011: Warner tritt von all seinen Ämtern im Fußball zurück.

    21. Oktober 2011: Nach heftigen Korruptionsvorwürfen setzt die FIFA auf die Hilfe externer Experten und gründet diverse Arbeitsgruppen.

    17. Juli 2012: Der frühere US-Staatsanwalt Michael Garcia wird zum Vorsitzenden der FIFA-Ethikkommission ernannt, der Münchner Richter Hans-Joachim Eckert steht der rechtsprechenden Kammer vor.

    22. November 2013: Blatter unterstellt Deutschland und Frankreich, bei der WM-Vergabe an Katar wegen wirtschaftlicher Interessen politischen Druck auf FIFA-Entscheidungsträger ausgeübt zu haben.

    1. Juni 2014: Laut «Sunday Times» soll der katarische Ex-Funktionär Mohammed bin Hammam fünf Millionen Dollar an Offizielle gezahlt haben, um sich deren Unterstützung für Katars Bewerbung zu sichern.

    13. Juni 2014: Franz Beckenbauer wird von der FIFA für 90 Tage für jegliche Tätigkeit im Fußball gesperrt. Beckenbauer habe nicht mit der Ethikkommission kooperiert, sagt der Weltverband zur Begründung.

    5. September 2014: Garcia legt seinen Untersuchungsbericht bei der FIFA vor und spricht sich für eine Veröffentlichung aus.

    17. Oktober 2014: Der Bericht wird nach einer Entscheidung der FIFA nicht komplett veröffentlicht.

    13. November 2014: Eckert legt einen weiteren Bericht vor, in dem Russland und Katar keine gravierenden Verstöße bei den Bewerbungen nachgewiesen werden. Garcia legt Einspruch ein.

    16. Dezember 2014: Die FIFA weist Garcias Einspruch als «unzulässig» zurück. Garcia erklärt daraufhin seinen Rücktritt.

    27. Mai 2015: Kurz vor Blatters geplanter Wiederwahl nimmt die Schweizer Polizei mehrere hochrangige Funktionäre fest. Dazu gehören die FIFA-Vizepräsidenten Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo sowie Ex-Vize Jack Warner. Die USA ermitteln gegen 14 ehemalige Spitzenfunktionäre und Geschäftsleute.

    29. Mai 2015: Blatter sieht einen Zusammenhang zwischen den Festnahmen und dem Wahlkongress. Er wird wiedergewählt.

    2. Juni 2015: Blatter kündigt seinen Rücktritt an der Spitze des Fußball-Weltverbandes an.

    2. Juli 2015: Die US-Behörden ersuchen die Schweiz um die Auslieferung von sieben im Mai festgenommenen Fußball-Funktionären.

    17. September 2015: Generalsekretär Jérôme Valcke, Blatters engster Vertrauter, wird vom Weltverband «mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres von all seinen Aufgaben entbunden». Nach in Medien erhobenen Vorwürfen der persönlichen Bereicherung leitet der Weltverband eine «formelle Untersuchung durch die FIFA-Ethikkommission» ein.

    25. September 2015: Die Bundesanwaltschaft in der Schweiz eröffnet ein Strafverfahren gegen Blatter.

    2. Oktober 2015: Die Sponsoren Coca-Cola, McDonald's, VISA und Anheuer-Busch fordern im Gegensatz zu Adidas den sofortigen Rücktritt von Blatter. Der lässt über seine Anwälte erklären: Er bleibe im Amt.

    7. Oktober 2015: Die Untersuchungskammer der FIFA-Ethikkommission fordert nach Angaben des Beraters von Blatter eine 90-tägige Freistellung des Präsidenten. Ein Entscheid der rechtsprechenden Kammer stehe allerdings noch aus, sagte Klaus J. Stöhlker.

    8. Oktober 2014: Die FIFA-Ethikkommission sperrt Fußball-Weltverbandspräsident Joseph Blatter und UEFA-Chef Michel Platini vorläufig für jeweils 90 Tage. Zudem wurde FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke ebenfalls suspendiert, teilte die Ethik-Kammer am Donnerstag mit.

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