Man kann es nicht allen recht machen. In keiner Lebenssituation. Besonders schwer wird es, wenn es ein wenig in den kreativen Bereich geht. Geschmackssache sagt man dann gemeinhin, wenn es beispielsweise um Musik geht. Im Filmgeschäft unterscheiden (Pseudo-) Cineasten schnell einfach mal zwischen Hollywood-Massengeschmack und anspruchsvoller Kinokunst. Französische Filme mit portugiesischen Untertiteln über drei behinderte Einwanderer-Kinder die ihre Eltern verloren haben und sich vom Erzählen von Fabeln aus ihrer afrikanischen Heimat Geld fürs Überleben verdienen werden dann zwar von der Kritik gelobt. Anschauen will sich so was aber kaum jemand.
Fußball im Fernsehen is wie ne Currywurst
Nun kann man den gebührenfinanzierten Sendern in der deutschen Fernsehlandschaft vorhalten, dass sie sich ja bitteschön nicht nach den Massengeschmack richten müssen. Die Sendungen müssen ja nicht zwingend refinanziert werden. Anders stellt sich das aber nun wieder beim Allgemeingut Fußball dar. Das Spiel der deutschen Mannschaft gegen die Niederlande haben über 27 Millionen Fans gesehen. 27 Millionen, die zwar größtenteils glauben, Ahnung vom Fußball zu haben aber oftmals nicht wissen, wo der Unterschied zwischen direkten und indirekten Freistoß liegt. Achtung, nächste Analogie: Mit einem detailverliebten Fünf-Gänge-Menü kommt man nicht weit. Den einen schmeckt es nicht. Die anderen wissen es nicht zu schätzen, was sie vorgesetzt bekommen. Also gibt es beispielsweise Spaghetti Bolognese oder auch mal ne Currywurst. Will sagen: Der Massengeschmack muss getroffen werden. Es darf sich niemand überfordert fühlen. EURO 2012: Oranje am Boden zerstört
ARD und ZDF mit konsequenter Strategie
Daher bleiben taktische Analysen - und jetzt sind wir mitten im Thema - oft nur eine Randerscheinung bei Fußballerscheinungen und kratzen meistens nur leicht an der Oberfläche. Das mag die wahren Experten (und dafür halten sich beispielsweise einfach mal alle Sportredakteure) stören, ist aber von ARD und ZDF schlicht konsequent und alternativlos (einfach mal um gar keine Diskussionen zuzulassen). Die Chefkritiker wollen das so aber nicht akzeptieren. Achtung, rhetorische Frage: Können Sie sich daran erinnern, wann sie das letzte Mal eine positive Kritik über eine Talksendung oder einen Fußballkommentator gelesen haben? EURO 2012: Gomez zaubert gegen Holland
Häme und Spott für ZDF-Übertragung aus Usedom
Diese Kritiken handeln häufig davon, welche Chancen verpasst wurden, was man denn hätte herauskitzeln können. Und immer schwingt mit: Wir hätten es besser gekonnt. Ein Extremfall ist bei den ZDF-Übertragungen der Europameisterschaft zu sehen. Statt sich in Polen oder in der Ukraine herumzutreiben, plaudert Katrin Müller-Hohenstein mit Oliver Kahn von der Ostseeinel Usedom aus. Eine Entscheidung, die man kritisieren kann. Wenn man denn nichts Besseres zu tun hat. Im Internet werden die Übertragungen wahlweise als Irrsinn, Debakel oder Tragödie bezeichnet. Darunter geht es einfach nicht.
Lächerlich sei es von der vermeintlichen Rentner-Urlaubs-Insel zu senden. Da komme ja kaum Stimmung auf. Und überhaupt, diese Liegen. und dann auch nur die Hälfte davon besetzt.
Wie alt ist der durchschnittliche ZDF-Zuseher
Ja, wahrscheinlich ist Usedom für Studenten, Azubis oder in der freien Wirtschaft tätige Kreativlinge nicht furchtbar hip. Und, weiter? Wie alt ist denn so im Durchschnitt der ZDF-Zuseher? Richtig, so um die 61 Jahre alt. Vielleicht kann man sich auch an den möglichen Vorlieben dieser Generation orientieren. Klingt auf jeden Fall mal nicht nach einem epischen Fehler.
Und ja, es kommt selbstverständlich nicht eine derartige Stimmung auf, wie vor vier Jahren als eine tobende Masse Jürgen Klopp zujubelte. Opium fürs Volk in Bregenz. Ist das schlimm? Hat man sich in der Vergangenheit nicht immer mal wieder über die Eventisierung des Fußballs aufgeregt? Muss immer Highlife und Konfetti sein? Dann einfach Waldis Club anschauen. Ist dann aber auch wieder nicht recht. Zu laut, zu primitiv, chauvinistisch noch dazu. EURO 2012: Partystimmung in Charkow
Selbstverständlich kann man Müller-Hohenstein und Kahn kritisieren. Ab und zu der Mut das Seichte zu verlassen und sich einfach freizuschwimmen, wäre natürlich nett. So aber bieten sie immer noch Unterhaltung, die keinem weh tut und abgesehen von der ein oder anderen Ton-Panne professionell aufgezogen ist. Mehr kann man einfach manchmal nicht erwarten.