In einer der schlimmsten Krisen der vergangenen Jahrzehnte macht sich Champions-League-Sieger Real Madrid auf die Suche nach einem "harten Hund". Der Club gab am Montagabend nach dem 1:5-Debakel im 272. Clásico beim FC Barcelona und nur einem Punkt aus den letzten fünf Liga-Spielen die Trennung von Trainer Julen Lopetegui bekannt.
Nach Medienberichten will Clubboss Florentino Pérez den joblosen Italiener Antonio Conte oder den derzeit bei Manchester United unglücklichen Ex-Real-Coach José Mourinho als Nachfolger nach Madrid holen. Zwei Männer, die wegen ihrer autoritären Persönlichkeiten berühmt-berüchtigt sind.
Bei einer Vorstandssitzung am Abend im Santiago Bernabéu konnte Pérez aber noch keinen neuen Trainer präsentieren. Daher wird der Coach des Real-B-Teams, Santiago Hernán Solari, interimistisch übernehmen. Der 42 Jahre alte Argentinier wird am Mittwoch im Pokalspiel des Teams um Toni Kroos bei Melilla und wohl auch noch am Samstag im Ligaduell gegen Real Valladolid auf der Bank sitzen.
Länger als zwei Wochen kann ein Trainer aber nach Verbands-Regeln nicht übergangsweise arbeiten. Die Zeit drängt also. Und die Gespräche mit Conte, Favorit Nummer eins von Pérez, gestalteten sich plötzlich schwierig. Der 49-Jährige habe am Montag Pérez unter anderem gesagt, er wolle das "Zukunftsprojekt" des Clubs im Detail kennen und studieren, schrieb die Sportzeitung "AS".
Ist die Verpflichtung eines "harten Hundes" überhaupt ein guter, erfolgversprechender Plan des Präsidenten? Hier gehen die Meinungen auseinander. Dass Pérez die richtigen Schlüsse aus der Malaise zieht, glaubt unter anderem Poli Rincón. "Das Team braucht eine harte Hand, eine sehr, sehr harte Hand", sagte der frühere Nationalspieler und Real-Profi im spanischen Rundfunk.
Sergio Ramos denkt ganz anders. Der Kapitän hatte die Pleite gegen den Erzrivalen und den Sturz auf den neunten Tabellenplatz der Primera División noch nicht einmal zu verdauen begonnen, als er von einem Journalisten im Camp Nou gefragt wurde: "Conte ist ein Trainer der harten Hand, eine gute Lösung"? Die Antwort: "Respekt muss man sich verdienen und nicht aufzwingen wollen."
Als Mourinho zwischen 2010 und 2013 Trainer bei Real war, hatte der eigenwillige Portugiese mit den Stars große Probleme. Das führte zu Konfrontationen nicht nur in der Kabine, sondern auch mit Medien und Fans. Mit "Mou" holte der Verein nur je einmal den Pokal (2011) und den Titel in der Liga (2012). Mit einem anderen "harten Hund" klappte es bei Real in der jüngeren Vergangenheit noch um einiges schlechter. Der Spanier Rafa Benítez wurde Ende 2015 schon nach nur wenigen Monaten im Amt vor die Tür gesetzt.
Die spanischen Nationalspieler des FC Chelsea, wo Conte noch letzte Saison tätig war, sollen den Real-Fußballern bei "La Roja" im WM-Trainigslager berichtet haben, der Italiener sei "unerträglich". Das behauptete zumindest die Zeitung "El País".
Was sagte Ramos noch zur möglichen Verpflichtung eines autoritären Trainers? Die Beziehungen zu den Spielern seien wichtiger als Fachkenntnisse. Der 32-Jährige fügte auch noch an: "Mit Trainern, die ihr alle kennt, haben wir ja alles gewonnen." Gemeint war natürlich vor allem Zinedine Zidane. Der Franzose hatte mit seiner leisen Art das Millionärsensemble im Griff. Das Ergebnis: Drei Champions-League-Triumphe in Serie. Und als Zugabe sozusagen mehrere weitere Titel, darunter die Liga in der Saison 2016/17.
Darüber, dass er nach nicht einmal fünf Monaten im Amt seinen Hut nehmen musste, kann sich Lopetegui unterdessen nicht beklagen. So schlechte Debüt-Zahlen wie der 52-Jährige hatten Trainer bei Real nur in den 1920er, 1930er und 1940er Jahren. In der Clubmitteilung vom Montag hieß es, der bis 2021 laufende Vertrag mit Lopetegui werde aufgelöst, weil es eine "große Diskrepanz zwischen der Qualität des Kaders mit acht Nominierten für die diesjährige Wahl zum Weltfußballer des Jahres" und den erreichten Ergebnissen gebe.
Lopetegui hatte sich laut Medien schon am Sonntagabend von seinen Profis verabschiedet. Am Montag musste er aber doch noch das morgendliche Training leiten. Eine weitere Demütigung für den Coach, der von Verbandschef Luis Rubiales in Russland kurzerhand des Nationaltrainer-Amtes enthoben worden war, nachdem Real nach geheimen Verhandlungen nur drei Tage vor dem ersten WM-Spiel seine Verpflichtung bekanntgegeben hatte. (dpa)