Schiedsrichter Wolfgang Stark hat im Fußball schon viel erlebt - aber was ihm nach dem Skandalspiel von Düsseldorf widerfahren sein soll, klingt ungeheuerlich. Vor dem DFB-Sportgericht sagte Stark als Hauptzeuge, er sei nach dem Abpfiff von Berliner Spielern angegriffen und am Kopf verletzt worden.
"Der Spieler Kobiaschwili hat mit ausgestrecktem Arm, mit der Faust in meine Richtung geschlagen. Ich duckte mich kurz ab und wurde am Hinterkopf getroffen", sagte der Unparteiische aus Ergolding am Freitag bei der Verhandlung in Frankfurt/Main. Er habe ein Hämatom am Hinterkopf erlitten - und damit noch Glück gehabt.
Denn Stark stand nach eigenen Angaben bei dem Schlag ganz oben auf der Treppe zu den Katakomben des Düsseldorfer Stadions. Er stürzte nur deswegen nicht die fünf bis sechs Meter in die Tiefe, weil er sich am Geländer festhalten konnte. "Man kann sich ja ausrechnen, was sonst passiert wäre", sagte der Referee.
Stark sitzt im schwarzen Anzug vor dem Sportgericht und Dutzenden Journalisten. Direkt neben ihm die Hertha-Verantwortlichen. Es sind verstörende Erinnerungen, von denen er erzählt, aber der Unparteiische spricht mit fester Stimme.
Unten an der Treppe sei die "Hetzjagd" weitergegangen. Hertha-Profi Christian Lell habe ihn am Arm gepackt. Stark selbst sei als "Du feige Sau!" und "Du feiges Schwein!" beleidigt worden. Und die Spieler ließen offenbar nicht locker. Vier bis fünf Berliner Profis versuchten angeblich, die Schiedsrichter-Kabine zu stürmen.
Stark und seine Assistenten versuchten, die Tür zuzuhalten. Draußen will Stark unter anderem Hertha-Kapitän Andre Mijatovic und Torhüter Thomas Kraft gesehen haben. "Stark, du Arschloch", habe der Keeper gebrüllt. Mijatovic soll den Referee "Wichser" genannt haben.
Der DFB-Kontrollausschuss hat Ermittlungen gegen Kobiaschwili, Lell, Kraft und Mijatovic eingeleitet. Darüber wurde bei der Verhandlung am Freitag vor dem Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes aber nicht verhandelt, wie der Vorsitzende Richter Hans Lorenz erklärte. Es ging nur um die Wertung des Relegationsrückspiels zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC (2:2) vom Dienstag.
Obwohl Stark vor fünf Jahren bei der U17-WM in Kanada schon einmal Tumulte als Schiedsrichter miterlebt hat, hatten die "Jagdszenen" in Düsseldorf auch für den erfahrenen Unparteiischen eine neue Dimension. "Ich hatte Angst nach dem Spiel", sagte Stark. "Ich war den Tränen nah. Ich musste mir auf die Lippen beißen. So etwas habe ich in meiner Schiedsrichter-Laufbahn noch nicht erlebt."
Stark zeigt Hertha-Spieler an: Nach den Vorfällen beim Chaosspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC hat Schiedsrichter Wolfgang Stark Anzeige wegen Körperverletzung gegen einen Berliner Spieler gestellt.
Skandalspiel: Ende der Sportgerichtsverhandlung nicht absehbar
In der Sportgerichtsverhandlung zum Skandalspiel von Düsseldorf wird am Freitag unter Umständen gar kein Urteil gefällt. Der Vorsitzende Richter Hans E. Lorenz erklärte in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes in Frankfurt/Main, dass man versuche, die Verhandlung beenden zu können. Er konnte dies nicht zusichern, es bestehe aber "Eilbedürftigkeit".
Nach drei Stunden liefen immer noch die Zeugenvernehmungen. Hertha BSC hatte Einspruch gegen die Wertung des Bundesliga- Relegationsrückspiels vom Dienstagabend bei Fortuna Düsseldorf (2:2) eingelegt. Die Partie stand mehrfach vor dem Abbruch. Schiedsrichter Wolfgang Stark musste in der Nachspielzeit die Begegnung für 21 Minuten unterbrechen, nachdem Tausende von Fortuna-Fans in Vorfreude auf den Aufstieg den Platz gestürmt hatten. (dpa, AZ)