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Fußball: "Wahnsinn": Kleines Montpellier gewinnt Meisterschaft

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"Wahnsinn": Kleines Montpellier gewinnt Meisterschaft

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    Die Spieler von Montpellier sind im französischen Fußball-Himmel angekommen. Foto: Guillaume Horcajuelo dpa
    Die Spieler von Montpellier sind im französischen Fußball-Himmel angekommen. Foto: Guillaume Horcajuelo dpa

    "Wahnsinn", titelte auf Seite eins das Sportblatt "L'Équipe". Das Fachmagazin "France Football" sprach von einem "historischen Ereignis".

    Selbst Louis Loulou Nicollin, seit 38 Jahren Chef in Montpellier, musste sich kneifen, um wirklich daran glauben zu können: "Das ist eigentlich unmöglich", sagte der 68-Jährige nach einem von Zuschauerausschreitungen und Spielunterbrechungen überschatten Spiel vor 17 000 Stadiongängern. Weil immer wieder Leuchtraketen und Böller, aber auch Tomaten, Tennisbälle und Klopapier aufs Feld geworfen wurden, musste die Begegnung zwei Mal für insgesamt 41 Minuten unterbrochen werden. Am Ende konnten die Auxerre-Fans die Gäste aber nicht stoppen. Mit 82 Punkten setzte sich der Hérault Sport Club gegen den reichen Titelfavoriten Paris Saint-Germain (79) durch. Den Hauptstädtern nutzte der 2:1-Sieg beim FC Lorient nichts. PSG qualifizierte sich aber ebenso wie Lille für die nächste Champions League. Neben Ex-Meister Auxerre (1996) steigen auch Dijon FCO und SC Caen ab.

    "Wir haben bewiesen, dass auch im Fußball Geld allein nicht glücklich macht", tönte Coach René Girard. Auf der Tribüne des Stadions l'Abbé-Deschamps in Auxerre war auch Henri Bedimo außer sich vor Freude. "Man musste mich drei Mal wiederbeleben", sagte der gesperrte 27-Jährige Linksverteidiger aus dem Kamerun. Olivier Kapo hatte am 38. und letzten Spieltag der Ligue 1 die schon vor dem Anpfiff abgestiegenen Hausherren in der 20. Minute in Führung gebracht. Ein Doppelschlag des nigerianischen Stürmers John Utaka (32., 86.) sicherte aber den Titel der Südfranzosen, die somit die Nachfolge von Vorjahresmeister OSC Lille antraten.

    Der Titelgewinn von Montpellier ist eine große Überraschung, weil der Club mit dem vierzehnthöchsten Etat der Ligue 1 auskommen musste. Diese Saison hatte man nur 33 Millionen Euro zur Verfügung - gerade mal ein Fünftel des Budgets von Rivale Paris, der seit Saisonanfang vom Öl- und Wüstenstaat Katar aus geführt wird. Beste Platzierung Montpelliers in der Liga war bisher ein dritter Rang in der Saison 1987/88. Titel holte der Club nur im Pokal (1929, 1990) sowie im Ligapokal (1992). Die Fahrstuhlmannschaft war seit den 30er Jahren neunmal aus der ersten Liga abgestiegen, zig Mal wurden Name und Club-Farben gewechselt. Erst seit 2009 spielt man wieder ganz oben in der Ligue 1 mit. Auf der Place de la Comédie im Zentrum Montpelliers machten mehr als 20 000 Menschen die Nacht zum Tage. Bis zum Montagmorgen wurde getanzt, getrunken und gelacht.

    Was frühere prominente Montpellier-Profis wie Roger Milla, Carlos Valderrama, Éric Cantona oder Laurent Blanc nicht schafften, gelang nun Trainer Girard mit einem Team der "Namenlosen". Neben Giroud wuchsen auch andere Nobodys im Laufe der Saison über sich hinaus. Etwa der marokkanische Spielmacher Younès Belhanda (21), der zur "Entdeckung der Saison" gewählt wurde, oder Mapou Yanga-Mbiwa, der mit 23 zum Chef der besten Abwehr der Ligue (34 Gegentore) avancierte und prompt von Nationalcoach Blanc für die EM nominiert wurde. Bester Spieler von Montpellier war in dieser Saison der vom FC Bayern München umworbene Mittelstürmer Olivier Giroud. Der 25-jährige 1,92-Meter-Stürmer wurde mit 21 Treffern mit dem Brasilianer Nené (PSG) Torschützenkönig.

    "Der größte Star der Mannschaft ist aber Loulou", sagt nicht nur der frühere HSC-Nationalspieler und Clubberater Michel Mézy. "Big Boss", wie Präsident Nicollin nicht nur wegen seines Charismas und seines gutmütig-autoritären Führungsstils, sondern auch wegen seines beeindruckenden Körperumfangs genannt wird, gründete den Verein 1974 neu, als Montpellier fünf Jahre nach einer Club-Auflösung im Niemandsland der 6. Liga vor sich hindümpelte. "Der Club ist wie meine Tochter, ich werde ihn nie verkaufen", versichert "Loulou". (dpa)

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