Joachim Löw hatte bis zum Halbfinale alles richtig gemacht. Es wirkte so, als könne er gar nichts falsch machen. Gomez rein, Gomez raus, Bender rein, wieder raus, Klose ebenso. Und alles funktionierte. Nun ist Löw weit davon entfernt, der Gilde der Magier anzugehören. Seine Personalentscheidungen fußen nicht auf spontanen Eingebungen, sondern sind das Ergebnis intensiver Analysen.
Selbstverständlich hat sich der Bundestrainer auch und vor allem gegen Italien einen Haufen Gedanken gemacht. Seine Schlussfolgerungen werfen aber Fragen auf. Fragen, die die Italiener gnadenlos beantworteten und die Löw nur noch teilweise korrigieren konnte.
Warum spielte Kroos?
Mesut Özil machte gegen Griechenland sein mit Abstand bestes Turnierspiel. Auch, weil er endlich Gleichgesinnte vorfand, die mit ihm die Vorliebe teilen, den Ball zügig durch die eigenen Reihen laufen zu lassen. Klose, Schürrle und Reus halfen Özil dabei, sein Spiel auf ein anderes Niveau zu heben. Gegen Italien beraubte Löw Özil seiner spielstarken Nebenmänner. Podolski und Gomez sind nicht zwingend das, was man Kombinationsspieler nennt. Kroos hingegen versteht sich normalerweise auf eine gepflegte Ballbehandlung. Seine Berufung in die Startformation wirft aber zwei weitere Fragen auf?
1. Warum rückt Löw von seiner Prämisse ab, sich nicht nach dem Gegner zu richten? Und 2.: Warum schenkt man eine ganze Spielfeldseite einfach ab?
2. Die deutsche Mannschaft ist dann am stärksten, wenn sie dem Gegner das eigene kraft- und druckvolle Spiel aufzwingen kann. Selbstverständlich kann das nicht immer gelingen. Der eigenen Mannschaft aber mit der Manndeckung für Andrea Pirlo die Zweifel an der eigenen Stärke derart deutlich vor Augen zu führen, war kontraproduktiv.
3. Auch aus taktischer Sicht verlief die Positionierung Kroos' auf dem Spielfeld unglücklich. Mario Gomez ist ein Tor-Monster. Ein Monster das gefüttert werden muss. Auch mit Bällen von der Seite. Von Podolski sind derartige Pässe nur in den seltensten Fällen zu erwartet. Weil Kroos aber oft durch die Mitte kam, wurde auch die rechte Seite einfach abgeschenkt. Boateng nutzte den frei gewordenen Flügel zwar für seine Verhältnisse geradezu hochfrequent, doch die Monster-Fütterung bestand diesmal nur aus Schmalkost.
Schweinsteiger läuft der Form hinterher
Die Aufstellung von Bastian Schweinsteiger wirft genauso Fragen auf wie die Nominierung von Lukas Podolski für die Anfangsformation. Spätestens in der Partie gegen Griechenland war zu sehen, dass Schweinsteiger bei dieser EM einfach nicht mehr in Form kommen kann. Dass Verletzungspausen und die immer noch latenten Schmerzen vehement an seiner Klasse gezehrt haben. Auch gegen Italien war Schweinsteiger einer der schwächsten. Löw tat sich, der Mannschaft und Schweinsteiger keinen Gefallen. Der Bayern-Spieler hätte es wahrscheinlich verstanden, wenn er aus der Mannschaft genommen worden wäre. Zumal der gegen Dänemark stark spielende Lars Bender auf dieser Position zu Hause ist.
Und dann noch die Aufstellung von Lukas Podolski. Womit genau hat sich der ehemalige Kölner den Platz in der Anfangsformation verdient? (time)