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EM 2012: Immer wieder Italien

EM 2012

Immer wieder Italien

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    Das WM-Finale 1982: Stürmer Marco Tardelli und Verteidiger Paul Breitner im Zweikampf. Italien besiegt Deutschland im Bernabeu-Stadion von Madrid mit 3:1 - vor 90.000      Zuschauern.
    Das WM-Finale 1982: Stürmer Marco Tardelli und Verteidiger Paul Breitner im Zweikampf. Italien besiegt Deutschland im Bernabeu-Stadion von Madrid mit 3:1 - vor 90.000 Zuschauern. Foto: dpa

    Deutschland gegen Italien ist mehr als ein Fußballspiel. Noch nie hat ein DFB-Team gegen die Squadra Azzurra bei einem Turnier gewonnen. Mit vielen der folgenden Partien verbindet der Autor persönliche Erfahrungen. Einige hat er vergessen, die bislang letzte hat er als Berichterstatter erlebt.

    WM 1962 in Chile, Vorrunde, 0:0

    Wie bei den meisten, die 1960 geboren sind, fehlt auch mir die Erinnerung daran. Später war zu lesen, dass mir nichts entgangen ist. Eine miese WM, die für Uwe Seeler & Co. mit dem damals typischen Ergebnis für Spiele gegen Italien begann – einem 0:0.

    Italien schied nach der Vorrunde aus, Deutschland im Viertelfinale. Im italienischen Mittelfeld zog Cesare Maldini die Fäden, Vater von Paolo. Im italienischen Tor stand, wie 50 Jahre später, ein Buffon. Lorenzo Buffon, ein Cousin von Gianluigi Buffons Großvater. Das Fernsehen berichtete erst zwei Tage später in einer Zusammenfassung. EURO 2012: Balotelli – irre gefährlich

    WM 1970 in Mexiko, Halbfinale, 3:4 n. V.

    Das Jahrhundertspiel – und ich musste ins Bett. Schnellinger grätschte in der Nachspielzeit vor 110 000 Zuschauern im Aztekenstadion den Ball zum 1:1-Ausgleich ins Netz – Verlängerung. In der Hitze von Mexiko-Stadt bringt Müller Deutschland in Führung, Burgnich und Riva wenden das Blatt. Müller gleicht noch mal aus, doch Rivera setzt den Schlusspunkt für Italien. Für viele brach an Ort und Stelle die Welt zusammen, für mich erst am anderen Morgen. In der vierten Klasse der Augsburger Herrenbachschule wurden Boykottpläne gegen die „Itaker“ geschmiedet. Nie mehr Spaghetti. Konnte damals ja keiner ahnen, dass Italien, seine Landschaften, sein Essen und seine Menschen für uns später zum Paradies würden.

    WM 1978 in Argentinien, Zwischenrunde, 0:0

    Inzwischen übertrug das Fernsehen schon lange live, was nicht immer eine Freude war. Weltmeister Deutschland und Italien spielen mal wieder 0:0. Deutschland verabschiedet sich nach der Schmach von Córdoba gegen Österreich (2:3). Italien beendet die WM auf Platz vier.

    WM 1982 in Spanien, Finale, 1:3

    Ein schöner Sommertag zu Hause vor dem Fernseher. Keine Massen auf den Straßen. Public Viewing war noch nicht erfunden. Gemeinsames Fußballschauen im Schrebergarten, das gab es. Doch selten war Deutschland so chancenlos wie in diesem Finale. Rossi, „il faccio d’angelo“, das Engelsgesicht, schießt die Azzurri mit seinem sechsten Turniertor in Führung. Tardelli und Altobelli legen nach – 0:3. Mamma mia! In Italien kann ich mich nicht mehr sehen lassen. Breitner dämpft den Schmerz. 1:3. Ich bin doch wieder über den Brenner gezogen. Wieder und immer wieder. EURO 2012: Pirlo – Italiens Regie-Genie

    EM 1988 in Deutschland, Vorrunde, 1:1

    Das Spiel hat selbst unter denen, die im Stadion waren, wenig Eindruck hinterlassen. Kollege Franz Neuhäuser muss lange nachdenken, ehe ihm einfällt, dass er dabei war. Mancini bringt Italien in Führung, Brehme gleicht per Freistoß aus. Beide Teams scheitern im Halbfinale.

    EM 1996 in England, Vorrunde, 0:0

    Meine erste Europameisterschaft als Berichterstatter. England, das Gastgeberland, gibt alles. Zum ersten Mal im Leben eine Gänsehaut bei einem Sportereignis. In Manchester singen Zehntausende im Stadion die englische Fußballhymne „You’ll never walk alone“.

    Deutschland hat in der Vorrunde schon zwei Spiele gewonnen und muss dennoch zittern. Verliert die DFB-Elf, droht das Aus. Köpke pariert einen Strafstoß von Zola. Am Ende ist Italien zwar das bessere Team, aber ausgeschieden. Deutschland wird Europameister und Berti Vogts macht vor der deutschen Fankurve die Welle. EURO 2012: "Die Zeit ist reif"

    WM 2006 in Deutschland, Halbfinale, 0:2 n. V.

    Mitten im deutschen Sommermärchen: Was soll da schiefgehen? Die Italiener sind fällig. Wenn nicht jetzt, wann dann? In Dortmund steht eine Zuschauerwand hinter Klinsmanns Spaß-Fußballern. Im Medienblock gehen die Gedanken schon Richtung Finale. Aber die Sache zieht sich. Die Italiener sind im Verlauf des Turniers gewachsen und sie wachsen in diesem Halbfinale weiter. Am Ende sind sie größer als die Deutschen, die sich nicht einmal mehr ins Elfmeterschießen retten können. Das Ende trifft auch mich. Der Journalist soll Distanz zum Objekt seiner Berichterstattung halten, sich nicht mit ihm gemeinmachen, hat Hans Joachim Friedrichs uns hinterlassen, selbst ein Mann des Sports. Ein Grundsatz, der einen auch davor bewahrt, dass die Gefühle im Moment des Schreibens das Denken blockieren. Aber wohin soll einer mit seinen Emotionen, wenn kurz vor dem Höhepunkt einer rauschhaften WM, plötzlich das Aus kommt?

    Grosso und Del Piero zerstören den deutschen WM-Traum in den Schlussminuten der Verlängerung. Ballack weint. Wir versuchen, unserem Oberstübchen noch einige Sätze abzuringen, die diesem Drama würdig sind. Italien wird Weltmeister. Zum vierten Mal. Italia, Italia, Italia, sempre Italia! Immer wieder Italien!

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