Joachim Löw macht schlichtweg alles richtig zur Zeit. Im ersten Turnierspiel brachte er überraschend Mario Gomez und Mats Hummels statt der favorisierten Miroslav Klose und per Mertesacker. Hummels spielt bis dato ein Sensations-Turnier und Gomez zahlte das Vertrauen in der einzig für Stürmer geltenden Währung zurück: in Toren. Im Viertelfinale tauscht Löw drei Viertel seiner Offensive aus - und das Angriffsspiel läuft so gut wie noch nie in diesem Turnier. Sollte er im Halbfinale den Mannschaftskoch ins Tor beordern - Fußballdeutschland würde erstmal dem Bundestrainer vertrauen.
Gomez: Drei Treffer - ein Platz auf der Bank
Lediglich Gomez dürfte das Vertrauen in Löw vorerst abhanden gekommen sein. Er machte das 1:0 gegen Portugal, zauberte für seine Verhältnisse geradezu den Ball gegen Holland gleich zwei Mal ins Tor - und musste sich gegen Dänemark zumindest nicht den Vorwurf machen lassen, zu wenig Arbeit verrichtet zu haben.
Gegen Griechenland saß er auf der Bank. Weil, so die öffentliche Meinung: Gegen eine derart massierte Defensive braucht es einen Stürmer, der sich mehr am Spielgeschehen beteiligt. Der sich nicht nur als Finalisierer des Kombinationsspiel sieht, sondern rege daran teilnimmt. Der mit seinen Laufwegen Lücken in die Abwehr reißt, in die die Mittelfeldspieler stoßen können.
Es könnte sich die Fragen anschließen: Gegen welche Mannschaften kann man auf diese Qualitäten verzichten? Zu welcher Art Gegner passen denn die Qualitäten Gomez'?
Wenn es so einfach wäre, dass Klose viel besser Fußballspielen kann, Gomez sich aus dem Spiel rausnimmt, dafür ein wenig häufiger trifft - Löw müsste nicht überlegen: Klose wäre immer gesetzt. Doch wie die meisten simplen Erklärungsansätze, dürfte auch jener etwas zu kurz gedacht sein. Pressestimmen: "Jawollos, Jogi! Noch zwei Siege bis zum Pott!"
Gomez kann mit dem Ball besser umgehen als gemeinhin angenommen. Dass er kein Techniker ist, ist allerdings auch klar. Klose ist ein feiner Kicker. Wären allerdings Gomez jene Stockfehler und Fehlpässe unterlaufen, die Klose gegen Griechenland fabrizierte - man hätte sich in sämtlichen Vorurteilen bestätigt gesehen.
Auch Gomez kann es gegen defensive Gegner
Außerdem: Gegen welche Art Gegner hat Gomez wohl die Mehrzahl seiner 26 Ligatreffer erzielt? Es waren Mannschaften, die sich im Angesicht des großen FC Bayern in der eigenen Hälfte einigelten. So, wie die Griechen gegen Deutschland. Dass die Spielweise Gomez' gegen derartige Gegner nicht funktioniert lässt sich simpel durch Fakten widerlegen. Auch Gomez findet Risse im Betonwall.
Dass anstatt des Bayern-Stürmers Klose spielte, ist trotzdem nachvollziehbar. Mesut Özil ist im System von Löw annähernd unantastbar. Der Bundestrainer hat viele kreative Spieler im Kader, aber nur Özil kann das deutsche Spiel auf eine andere Ebene heben. Das Spiel Özils krankte bis zum Viertelfinale. Abgesehen von der eigenen schwachen Leistung fehlten ihm auch Spielkameraden. Einen Doppelpass mit Lukas Podolski zu spielen ist Glückssache - und die Laufwege des Thomas Müller bleiben oftmals unergründlich.
Klose kann auf die Flügel ausweichen - Gomez nicht
Andre Schürrle und Marco Reus sind berechenbarer für die eigenen Mitspieler. Beide ziehen auch gerne mit dem Ball am Fuß in die Mitte. Und spätestens jetzt kommt Miroslav Klose ins Spiel. Anders als Gomez scheut Klose den Weg auf die Außen nicht - und kann dort auch mehr mit dem Ball anfangen als sein Sturm-Konkurrent. Während Gomez hauptsächlich im Zentrum am Spiel teilnimmt, kann Klose auch von den Flügeln aus Impulse setzen.
Der Einsatz des Lazio-Angreifers hat keineswegs nicht nur mit seinem Spielverständnis und Technik zu tun, sondern auch mit den weiteren Wechseln in der Starformation. Mario Gomez dürfte das wenig trösten.