Nach neun Monaten im Amt muss der bekennende HSV-Fan Steffen Baumgart seinen Traumjob als Trainer des Hamburger SV schon wieder aufgeben. Der kriselnde Fußball-Zweitligist gab einen Tag nach dem enttäuschenden 2:2 in der 2. Fußball-Bundesliga gegen den FC Schalke 04 die Trennung von dem 52-Jährigen bekannt.
Der gebürtige Rostocker bedankte sich für die Chance, bei seinem «Lieblingsverein der Kindheit» arbeiten zu dürfen. «Es war eine spannende und sehr intensive Zeit», sagte er und versicherte, dass er dem Club verbunden bleiben wolle. Auch seine Assistenten Rene Wagner und Kevin McKenna müssen gehen, Assistenzcoach Merlin Polzin übernimmt die Mannschaft übergangsweise wie schon im Frühjahr gemeinsam mit Loïc Favé, dem Trainer der zweiten HSV-Auswahl in der Regionalliga.
Kuntz: HSV braucht «neuen Impuls»
Nach dem verheerenden Auftritt der Hanseaten vor allem in der zweiten Halbzeit traf sich die sportliche Führung um Sportvorstand Stefan Kuntz am Sonntag. Mittags stand der Entschluss fest. «Steffen hat mit großer Leidenschaft, Energie und Einsatz bis zuletzt alles für den HSV gegeben. Unsere Analyse der aktuellen Situation und des gestrigen Spiels hat aber nochmals verdeutlicht, dass wir für den Weg aus der Leistungs- und Ergebniskrise einen neuen Impuls für nötig erachten», wurde Kuntz zitiert.
Kuntz selbst wird seinen Posten als Sportvorstand nicht mit der Aufgabe als Trainer eintauschen. «Ich werde auf gar keinen Fall Trainer werden», sagte der 62-Jährige bei «Bild» Live. Das «Hamburger Abendblatt» hatte dieses Szenario skizziert. Kuntz führte die deutsche U21-Nationalmannschaft als Coach zweimal zum EM-Titel. Vor seinem Engagement bei den Norddeutschen hatte der frühere Bundesliga-Profi die Nationalmannschaft der Türkei trainiert.
Van Nistelrooy ein Kandidat?
Wer die Aufgabe übernehmen wird, ließ der Sportvorstand offen und wollte sich zu Namen nicht äußern. Der TV-Sender Sky brachte den früheren HSV-Profi Ruud van Nistelrooy ins Spiel, der zuletzt als Interimscoach Manchester United betreut hatte. Die «Bild» nannte Lukas Kwasniok vom Ligakonkurrenten SC Paderborn und den früheren HSV-Coach Bruno Labbadia als potenzielle Kandidaten. Labbadia ist mit Kuntz gut befreundet.
Doch zunächst ist der Trainer-Nachwuchs gefragt: Die Übergangstrainer Polzin und Favé müssen den inkonstanten HSV nun auf den aktuellen Tabellenzweiten Karlsruher SC am kommenden Sonntag (13.30 Uhr/Sky) und in der Woche danach gegen den formstarken SV Darmstadt 98 vorbereiten.
Bei den Fans war die Stimmung zuletzt am Tiefpunkt. Im Volksparkstadion bestraften die Anhänger mit Pfiffen die schwache Leistung ihres Clubs in der zweiten Hälfte, nachdem die Hamburger gegen Schalke ihre Zwei-Tore-Führung hergeschenkt hatten. Baumgart schaffte es auch nach dem Führungswechsel von Jonas Boldt auf Kuntz im Mai nicht, die mit viel Qualität ausgestattete Mannschaft konstant weiterzuentwickeln.
Nach dem Schalke-Spiel wirkte der frühere Trainer des SC Paderborn und 1. FC Köln gereizt. Der Coach, der ohnehin als knurrig gilt, schien emotional noch aufgeladener als sonst. Am Mikrofon des TV-Senders Sky ließ er sich mit den Worten «Jetzt bin ich kurz dran» gar nicht vom Moderator stoppen, als er mit der Einschätzung von Experte und Ex-Profi Simon Terodde nicht einverstanden war. «So einfach sehe ich es nicht wie du», schimpfte Baumgart.
HSV-Fans reagieren mit Pfiffen
Die sportliche Führung um Kuntz äußerte sich direkt nach der Partie nicht zur Zukunft des Trainers. Baumgart selbst erklärte, dass er das «volle Vertrauen» fühle. Damit war es einen Tag später vorbei. Für den Coach sprach, dass der HSV in dem aktuellen Schneckenrennen der 2. Liga um den Aufstieg nur vier Punkte von der Tabellenspitze entfernt ist. Hannover 96 und Fortuna Düsseldorf kassierten jeweils Niederlagen.
Fest steht: Der Hamburger SV droht auch beim siebten Anlauf an der Rückkehr in die Bundesliga zu scheitern. Zuletzt blieb der Aufstiegskandidat in vier Ligaspielen ohne Sieg, nur zwei Punkte holten die Hanseaten dabei. Die zwei klaren Niederlagen in Elversberg (2:4) und bei Abstiegskandidat Braunschweig (1:3) waren keine Argumente für den Aufstieg und damit für den Trainer.
Ratlosigkeit beim HSV
Am Sonntagvormittag ging die Mannschaft im Volkspark laufen. Die Baumgart-Elf wirkte zuletzt zutiefst verunsichert. Die defensive Herangehensweise von Baumgart vor dem eigenen Publikum gegen die ebenfalls problembeladenen Schalker wirkte symptomatisch für den unsicheren Auftritt. «Wir dürfen hier niemals mit einem Unentschieden rausgehen», haderte Mittelfeldspieler Marco Richter, der für den HSV per Freistoß zum 1:0 traf.
«Wir wussten, dass Hamburg nach Führungen nicht so stabil ist, die wirken auch ein bisschen unsicher», sagte Schalke-Angreifer Kenan Karaman, der Torschütze zum 2:2. Und genau diese Unsicherheit könnte dem HSV bei der Mission Bundesliga-Aufstieg mal wieder im Weg stehen.
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