Ligaprimus, Tabellenerster in der Europa League und Achtelfinalteilnehmer im DFB-Pokal. 16 Pflichtspiele, 15 Siege und ein Unentschieden – die Zahlen der bisherigen Saison von Bayer 04 Leverkusen und Unterschiedstrainer Xabi Alonso. Doch wenn über Alonso gesprochen wird, geht es um mehr als Tabellenplatzierungen, Punkte und Siege. Innerhalb eines Jahres ist der Baske zum Mythos avanciert. Ein Mann von Welt, der Eleganz, Spielfreude und Glamour ins Rheinland gebracht hat. Ähnlich viel Aufmerksamkeit wurde der Werkself zuletzt 2002 zuteil, als Leverkusen als erster deutscher Klub überhaupt in allen drei Wettbewerben Zweiter wurde und den Spitznamen "Vizekusen" erhielt. In derselben Saison reifte der damals 20-jährige Xabi Alonso zum Stammspieler bei Real Sociedad. Eine Weltkarriere als Spieler folgte – nun auch die als Trainer?
Gilt die aktuelle Saison als Gradmesser, dann erlebt die Bundesliga gerade den Start einer solchen Karriere. Nur einmal in 60 Jahren Ligageschichte stand eine Mannschaft nach den ersten zehn Spieltagen besser da als jetzt Leverkusen: Als Bayern München 2015/16 zehn Siege schaffte, war Pep Guardiola der Trainer – und Alonso sein Denker und Lenker im defensiven Mittelfeld. Die letzte Station eines Spielers, der von Karl-Heinz Rummenigge bei seinem Karriereende 2017 als "einer der ganz Großen des Weltfußballs", bezeichnet wurde. Dass es so weit kommen konnte, verdankt Alonso seinem Vater.
Vater von Xabi Alonso gewann bereits die spanische Meisterschaft
Periko Alonso war selbst Profifußballer und gewann Anfang der 1980er-Jahre zweimal mit Real Sociedad die spanische Meisterschaft. Sein Sohn Xabier "Xabi" Alonso Olano wurde 1981 in Tolosa, einer Gemeinde in Nordspanien, geboren. Besser gesagt im Baskenland, einer von 17 autonomen Gemeinschaften Spaniens, stark geprägt durch ihr Zugehörigkeitsgefühl und Traditionsbewusstsein. Umso weniger verwundert es, dass Alonsos Profikarriere in San Sebastián, beim Verein seines Vaters, startete. Von 1999 bis 2004 spielte er mit einer einjährigen Unterbrechung durch eine Leihe nach Eibar für Real Sociedad – und hat seine Herkunft bis heute nicht vergessen. "Es ist meine Heimat, mein Verein, ich bin dort Mitglied, habe eine Dauerkarte, seit ich sechs Jahre alt bin. Mein Herz hat eine enge Verbindung mit San Sebastián", sagte er vor einem Testspiel im Sommer.
Im August 2004 wagte er den Schritt ins Ausland und wurde prompt dafür belohnt: In seiner ersten Saison beim FC Liverpool gewann er die Champions League im legendären Finale von Istanbul, das die Engländer nach einem 0:3-Rückstand gegen den AC Mailand noch für sich entschieden. Unter seinem Trainer und Förderer Rafael Benítez reifte Alonso zum Mittelfeldstrategen und weckte mit seiner intelligenten und eleganten Spielweise weltweit Begehrlichkeiten. Nach fünf Jahren in England folgte der Wechsel zu Real Madrid. Bei den Königlichen manifestierte sich das Bild vom Strippenzieher im defensiven Mittelfeld, der immer einen Schritt vorausdachte und nur selten in Bedrängnis geriet. Nachdem er mit den Königlichen 2014 die Champions League gewann und damit seinen Trophäenschrank in Madrid vervollständigte, suchte Alonso eine neue Herausforderung und schloss sich dem FC Bayern an. Dort prägte er die erfolgreiche Ära Guardiolas maßgeblich mit. Als wären das nicht genug Erfolge, war Alonso ebenso Teil der goldenen spanischen Generation, die zwischen 2008 und 2012 zweimal Europa- und einmal Weltmeister wurde.
Xabi Alonso: Karriere als Trainer startete bei Real Sociedad
Warum nicht also das Karriereende 2017 genießen und zu Hause Pokale putzen? "Passion" lautet Alonsos einfache, aber vielsagende Antwort. "Die wichtigsten Tage deines Lebens sind die Geburt und die Momente, in denen du deine Liebe und deine Leidenschaft entdeckst. Die Liebe gehört meiner Frau, die Leidenschaft dem Fußball", sagte er im Interview mit der SZ. Seit 2009 ist er mit Jugendliebe Nagore Aranburu verheiratet, die als TV-Schauspielerin und Model arbeitet. Die beiden haben drei Kinder: einen Sohn und zwei Töchter. Mit seiner Familie wohnt er seit seines Amtsantritts bei Bayer 04 in Düsseldorf – wie die meisten Profifußballer.
Der Weg nach Leverkusen begann für Alonso bei alten Bekannten, auch des Zugehörigkeitsgefühls wegen. Seine erste Trainerstation: die U14 von Real Madrid. Eine Saison später übernahm Alonso die zweite Mannschaft von Real Sociedad. "Ich begann eine neue Karriere, und ich wusste, dass ich hier lernen würde, dass ich die Geduld und die Unterstützung von so vielen Menschen haben würde." Ein bodenständiger Start für einen, der schon früh Angebote großer Vereine bekam. Doch Alonso ist als Trainer wie als Spieler: ruhig, bedacht, mit Plan. Und so führte ihn sein Plan im Oktober 2022 einen Schritt auf der Karriereleiter nach oben, zu Leverkusen.
Zu einem Zeitpunkt, als Bayer im Tabellenkeller stand. Unter Alonsos Leitung stabilisierte sich die Mannschaft und belegte zum Saisonende den sechsten Platz. Wie er das geschafft hat? Mit vielen Einzelgesprächen. Ein "Verpflichtungsgefühl" ließe sich am besten mit persönlicher Bindung erreichen, sagt der 41-Jährige: "Ich habe von meinen Trainern gelernt, dass die Spieler dir folgen und vertrauen müssen, dass sie wissen, dass du ihnen mit deinem Wissen hilfst." Und das hat er von den erfolgreichsten ihrer Zunft gelernt: Vicente del Bosque, José Mourinho, Carlo Ancelotti und Pep Guardiola. Eine Aufzählung, in der in einigen Jahren der Name Xabi Alonso auftauchen könnte.