Über wenige andere ist in Köln mehr geschrieben worden als über ihn. Mal hat es ihn gefreut, mal hat es ihn geärgert. Früher kam es vor, dass er anrief, wenn er sich ärgerte. Wenn es ihn freute, sagte er nichts. Mehr konnte man als Journalist nicht erwarten. Wolfgang Overath ist eine lebende Legende, die Ikone des 1. FC Köln, ein sportliches Vorbild für Millionen. Ob er 80 Jahre alt oder 80 Jahre jung wird, man weiß es bei Overath wirklich nicht.
Günter Netzer, sein Freund und einst auch Gegenspieler, schrieb ihm via Kölner Stadt-Anzeiger zum Geburtstag. Er habe sich nur einmal geärgert, nämlich darüber, was Overath mit Netzers Jaguar E damals veranstaltete, grau-anthrazit. Netzer verkaufte das Kult-Auto zunächst an Franz Beckenbauer, aber „der hat Zirkus gemacht, wenn er in diesem Cabrio einmal einen Tropfen Wasser abbekam“ – und verkaufte an Overath. Das wunderschöne Auto habe man nicht verfälschen können, schreibt Netzer. Aber Overath schaffte es: „Du hast den Wagen lila lackieren lassen, ich hatte entzündete Augen.“ Wie oft diese Geschichte schon erzählt worden ist in Köln.
Overath und Netzer – die vielleicht größten Rivalen des deutschen Fußballs
Sie waren die vielleicht größten Rivalen, die man sich im Fußball vorstellen kann. Sie teilten die Gemeinde. Wer ein Fan von Overath war, konnte einer von Netzer eigentlich nicht sein. Und umgekehrt. Beide waren einmalig – und konnten deshalb zusammen nicht spielen. 1974, als Deutschland Weltmeister wurde, wechselte Helmut Schön 20 Minuten vor Schluss gegen die DDR Netzer beim Stand von 0:0 ein, weil Overath eine Verletzung drohte. Netzer kam, verlor mit 0:1 durch das Tor von Jürgen Sparwasser und machte kein einziges Spiel mehr bei diesem Turnier. Der Netzer, der 1972 stilbildend aus der Tiefe des Raumes kam, das beste Spiel dirigierte, das eine deutsche Nationalmannschaft gegen England jemals spielte und Europameister wurde. Overath machte 1974 alle Spiele, wurde Weltmeister und trat nach dem Titel zurück aus der Nationalmannschaft. Nach 81 Spielen. „Ich konnte doch nicht mehr erreichen.“
Die Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko hat er trotzdem stets als die herausragende bezeichnet. Als einziger Nationalspieler absolvierte Overath alle Spiele der Turniere 1966, 1970 und 1974, insgesamt 19 Begegnungen, Overath galt als der beste Turnierspieler der Welt. Nach dem Jahrhundertspiel gegen Italien im Halbfinale 1970 war es Overath, der das Spiel um Platz drei gegen Uruguay mit seinem Tor entschied.
Bis heute kontrolliert 74er-Weltmeister Overath täglich sein Gewicht
Wolfgang Overath feiert an diesem Freitag irgendwo auf der Welt seinen 80. Geburtstag, spielt weiter Fußball – zweimal die Woche. „Wir spielen fast immer, bis wir gewonnen haben. Wenn wir vorne liegen, sage ich oft: So, Schluss jetzt.“ Wettkampfgewicht Overath 1974? „70 Kilogramm“. Und 2023? „Aktuell wiege ich 69 Kilo. Ich kontrolliere das täglich.“ Samstag und Sonntag läuft er durch den Wald, obwohl er es nicht mag, aber sein Ehrgeiz ist weiter ungebrochen: „Ohne Biss geht gar nichts in meinem Leben.“
Die 80 hinter seinem Namen findet er fürchterlich – ebenso wie die 70 vorher. Auch die 60 machte ihm schon heftigste Probleme, das letzte große Fest gab es, als er 50 wurde: „Ich habe zwei Stunden nur Hände geschüttelt, das ist doch nicht der Sinn der Sache. Danach bin ich immer abgehauen.“
Overath sagt heute: „Ich habe ein traumhaftes Leben gehabt.“ Seit 57 Jahren mit Karin verheiratet, Kinder Marco, Sascha und die in Brasilien adoptierte Silvana. Er erzählt es immer wieder: „Wir hatten es nicht leicht, ich war das jüngste von acht Kindern. Ich habe mir stets geschworen: Du musst versuchen, so viel Geld zu verdienen, dass du von niemandem abhängig bist.“ Overath arbeitet noch heute von morgens bis abends in seinem Immobilienunternehmen. Er nennt es nicht Arbeit: „Es macht mir Spaß.“
Wolfgang Overath schoss das erste Kölner Tor im ersten Spiel der ersten Bundesliga-Saison
Overath schoss das erste Tor für den FC im ersten Spiel in der ersten Bundesliga-Saison beim 2:0-Sieg in Saarbrücken, die Kölner wurden am Ende Meister. Overath und der FC und Präsident Franz Kremer, das war die unbestrittene Nummer eins im deutschen Fußball. Sie spielten in schneeweißen Trikots von Dior, galten als das „deutsche Real Madrid“. Overath spielte als Profi nie für einen anderen Verein, 1968 gewann er den DFB-Pokal, im Jahr darauf wieder. 1976 kam Hennes Weisweiler zum FC, „ein überragender Trainer“, sagt Overath, der sich mit dem aber nie verstand und 1977 viel zu früh zurücktrat. Heinz Flohe wurde sein Nachfolger, 1978 gewann der FC das Double.
„Der FC war und ist mein Klub. Immer.“ 2004 gab er dem Drängen aller in Köln nach und wurde Präsident, obwohl er das nie wollte. Sieben Jahre blieb er es, „die ersten drei Jahre waren wunderbar“, dann wurde es unruhig im Verein, immer mehr Interna kamen an die Öffentlichkeit. Am 13. November 2011 warf Präsident Overath das Handtuch. Es dauerte ein paar Jahre, bis er sich wieder mit dem FC versöhnte: „Ich habe mir gesagt, dass ich Abstand gewinnen muss, mir war aber sehr schnell klar, dass ich irgendwann wieder zu den Spielen gehen würde“, sagte er dem Stadt-Anzeiger. Günter Netzer schrieb: „Du bist über jeden Zweifel erhaben, zwischen uns gab und gibt es keine Spur von Neid.“
Das ist Wolfgang Overath
Geboren am 29. September 1943 in Siegburg als jüngstes von acht Kindern der Familie.
Mit der damaligen Schüler-Nationalmannschaft spielte Wolfgang Overath schon 1959 vor über 100.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion, das er sieben Jahre später beim legendären WM-Finale 1966 gegen England (2:4 nach Verlängerung) wiedersehen sollte.
Zuvor musste das Talent nach seinem Wechsel vom Siegburger SV 04 (1953–1962) zum 1. FC Köln eine einjährige Sperre absitzen, die damals ein Wechsel vom Amateur- zum Vertragsspieler automatisch nach sich zog. Bei der Bundesliga-Premiere am 24. August 1963 war Overath aber dabei und erzielte beim 1. FC Saarbrücken in der neuen Spielklasse das erste Tor der Kölner, die gleich deutscher Meister wurden.
Insgesamt kam er auf 409 Bundesliga-Spiele (83 Tore). Mit dem 1. FC Köln, dessen Präsident Overath später war (2004–2011), folgten die DFB-Pokalsiege 1968 und 1977.
Mit der Nationalmannschaft holte er nach der Vizeweltmeisterschaft 1966 bei der WM 1970 in Mexiko Platz drei und 1974 in Deutschland den WM-Titel durch den 2:1-Finalsieg gegen die Niederlande. Overath bestritt 81 Länderspiele (17 Tore) und war Nachfolger von Uwe Seeler als Kapitän des DFB-Teams.
Overath ist seit 57 Jahren mit Ehefrau Karin verheiratet, sie haben zwei Söhne und eine Adoptivtochter aus Brasilien.