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Eine Lena Oberdorf wünscht sich jede Trainerin im Team
![Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg (links) baut auf die Qualitäten von Lena Oberdorf (rechts). Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg (links) baut auf die Qualitäten von Lena Oberdorf (rechts).](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715673836705-1/ver1-0/img/placeholder/16x9.png)
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Mit Lena Oberdorf verfügt der DFB im defensiven Mittelfeld über einen kommenden Superstar. Die 21-jährige Mittelfeldspielerin wird mit Auszeichnungen überhäuft.
Im Gespräch lacht Lena Oberdorf wiederholt. Bestens gelaunt, locker und gelöst wirkt die Nationalspielerin, entsprechend ihrer Herkunft ließe sie sich als rheinische Frohnatur beschreiben. Fantasie ist also nicht nötig, um sich vorzustellen, wie die 21-Jährige ihren Urlaub auf Mallorca verbrachte. Die Kathedrale von Palma hat Oberdorf wohl kaum von innen gesehen. Nach einer anstrengenden Spielzeit, nach unzähligen Spielen abschalten. Den Kopf freibekommen. Das zählte für die Fußballerin, die innerhalb kurzer Zeit in den internationalen Spitzenfußball vorgedrungen ist. Nach der EM 2022 zeichnete die Uefa sie als beste Jungspielerin aus und berief sie in die Elf des Turniers; nach der diesjährigen Champions-League-Saison erhielt sie erneut die Auszeichnung als beste junge Spielerin.
Oberdorf gilt als kommender Star im Frauenfußball. Als eines der größten Talente, das der Deutsche Fußball-Bund (DFB) je hervorgebracht hat, mancher spricht gar von einem "Jahrhunderttalent". Das Branchenportal Soccerdonna.de taxiert ihren Marktwert auf 350.000 Euro. Eine imponierende Summe im Frauenfußball. Oberdorf freut sich über diese Auszeichnungen, empfindet sie als Wertschätzung, betont aber sogleich: "Lieber hätte ich das EM-Finale und die Champions League gewonnen." Titel mit großer Strahlkraft fehlen der jungen Frau bislang. Mit dem VfL Wolfsburg holte sie immerhin am Saisonende noch den DFB-Pokal. Letztlich dürften internationale Triumphe nur eine Frage der Zeit sein. Womöglich nutzt Oberdorf schon die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland zu einer ersten Krönung ihrer noch jungen Karriere. Im Trainingscamp in Herzogenaurach beginnt an diesem Wochenende die finale Phase der Vorbereitung, ins Turnier startet das DFB-Team gegen Marokko (24. Juli).
Mit 16 Jahren spielt Lena Oberdorf noch gegen Jungs
Oberdorf ist eine Spielerin, die sich jede Trainerin in ihr Team wünscht. Eine, bei der man sich fragt, was sie eigentlich nicht kann. Ein Fixpunkt im defensiven Mittelfeld. Sie beherrscht Traumpässe ebenso wie beherzte Grätschen, beweist Übersicht, geht zugleich aber keinem Kopfballduell aus dem Weg. Das Rüstzeug für ihre Karriere erhielt die Mittelfeldstrategin ausgerechnet im Duell mit Jungs. Oberdorf spielte bis zum Alter von 16 Jahren in Jungenmannschaften und wechselte erst 2018 in das Frauenteam der SGS Essen. Noch heute begründet sie ihre Durchsetzungsfähigkeit und Robustheit auf dem Platz mit Zweikämpfen gegen Männer.
Auf dem Platz flößt sie allein ihrer Statur und ihres Auftretens wegen Respekt ein. Sie stammt aus einer sportlichen Familie, in der Durchsetzungsfähigkeit vorgelebt wurde. Bruder Tim Oberdorf, 26, ist Fußballprofi bei Fortuna Düsseldorf, die drei Jahre ältere Schwester Julia Oberdorf spielt in der 2. Bundesliga American Football. Und ihre Mutter Bettina war Siebenkämpferin.
Auf dem Platz verschwindet Oberdorfs Lächeln, grimmig dreinblickend gibt sie den "Aggressiv Leader". Über sich selbst sagt sie, seit der Endspielniederlage bei der EM gereift zu sein. Ihre Mitspielerinnen schließt sie mit ein. "Ich glaube, wir sind mental weiter. Wir sind auf dem Platz erwachsener und selbstständiger geworden." Oberdorf sieht in Alexandra Popp oder Marina Hegering die Anführerinnen mit gewichtigen Worten, ihren Stellenwert möchte sie aber nicht schmälern. "Mit meiner Spielweise komme ich gar nicht drumherum, eine Leaderin zu sein."
Bundestrainerin Voss-Tecklenburg hat Spitzenpersonal im Mittelfeld
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat im zentralen Mittelfeld die Wahl aus Spitzenpersonal. Durch ihre Auftritte in der vergangenen Saison haben sich etliche Spielerinnen für Einsätze während der WM empfohlen. Mit Melanie Leupolz ist nach der Babypause eine erfahrene und zuvor erfolgreiche Führungskraft zurückgekehrt; mit dem FC Chelsea ist die Allgäuerin englischer Meister geworden. Sara Däbritz hat in Frankreich mit Olympique Lyon den Titel geholt. Und mit Lena Lattwein (VfL Wolfsburg) sowie Sydney Lohmann (FC Bayern München) stehen noch eine DFB-Pokalsiegerin und eine deutsche Meisterin zur Verfügung.
![Lena Oberdorf (links, im Zweikampf mit Englands Alessia Russo) übernimmt als Abräumerin im Mittelfeld bedeutende Aufgaben in der deutschen Nationalmannschaft. Lena Oberdorf (links, im Zweikampf mit Englands Alessia Russo) übernimmt als Abräumerin im Mittelfeld bedeutende Aufgaben in der deutschen Nationalmannschaft.](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715673836705-1/ver1-0/img/placeholder/16x9.png)
Auf Oberdorf wird die Bundestrainerin allerdings kaum verzichten können. Sie sei nicht mehr die Nachwuchsspielerin, die reinschnuppere und Spielzeit bekommen wolle, beschreibt sich die Spielerin. "Ich bin jemand, auf den man baut. Insofern ist es schon ein neues Standing." Angetrieben wird sie von den Erinnerungen an die Niederlagen im EM- sowie Champions-League-Finale. Das wolle sie "nicht auf sich sitzen lassen". "Ich will endlich einen Pokal in die Höhe stemmen." Oberdorf wird ihrem Naturell folgend für dieses Ziel keiner unliebsamen Begegnung aus dem Weg gehen. Auf dem Rasen kann sie nichts ängstigen. Abseits hingegen schon. Plötzlich weicht das Lachen. Sie verzieht das Gesicht, dann erklärt sie: Um Spinnen und Schlangen werde sie einen großen Bogen machen.
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