Mit Stimmungsdämpfern kennen sie sich beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) inzwischen ja aus. Einst war das undenkbar in diesem erfolgsverwöhnten Verband, doch Tiefpunkt folgt derzeit auf Tiefpunkt. Die A-Nationalmannschaft vollbringt keine Siege mehr gegen Mittelklasseteams; jetzt scheidet die U21 aller Voraussicht nach auch noch als Titelverteidiger vorzeitig bei der Europameisterschaft aus. Da trifft es sich hervorragend, dass die Fußballerinnen demnächst zu einer Mission aufbrechen und von den mäßigen Auftritten der Männer ablenken können. Dass sie für positive Stimmung sorgen, das TV-Interesse steigern und ganz allgemein Sympathien für den DFB sammeln können, wie sie es bei der EM im vergangenen Jahr schon bewiesen haben.
Frauenmannschaft: Die Trainingsstrategie bleibt ein Geheimnis
In Australien und Neuseeland werden die besten Fußballnationen in diesem Sommer um den Weltmeistertitel der Frauen spielen. Und die deutsche Mannschaft von Trainerin Martina Voss-Tecklenburg zählt zum erweiterten Kreis der Favoriten. In Herzogenaurach bereitet sich das DFB-Team, unterbrochen von ein paar freien Tagen zwischendurch, auf die WM vor. Auf dem "Homeground" des Team-Ausstatters mit den drei Streifen legt die Nationalmannschaft die Basis für etwaige Erfolge. Ausgewachsen ist das Bemühen, die Frauenmannschaft in einem guten Licht darzustellen. Sich offen und zugänglich zu geben. Doch alles preisgeben möchte man dann auch nicht. Als Kapitänin Alexandra Popp, Torhüterin Merle Frohms oder Mittelfeldkämpferin Lena Oberdorf am Montagvormittag auf dem gepflegten Grün des Trainingsplatzes üben, sind die Medien nach einer Viertelstunde ausgeschlossen. Aufwärmen, lockeres Passspiel, angedeutete Zweikämpfe. Danach werden die Beobachter hinauskomplimentiert.
Später, am Nachmittag, als die Spielerinnen in einer Art "Speeddating" der Presse Rede und Antwort stehen, gibt erstmal Bundestrainerin Voss-Tecklenburg die Richtung vor. Alles Mögliche solle man fragen, leitet die 55-Jährige ein, ehe sie dann doch die Freiheit der Fragen einschränkt. Der Abstellungsstreit mit dem FC Bayern München – der Meister hatte seine Spielerinnen erst mit Verzögerung ins Trainingslager des DFB geschickt – solle nicht mehr thematisiert werden. Ihre Stimme verrät: Sie wünscht es sich nicht, sie fordert das. Störgeräusche, wie sie die Männer während der WM 2022 hatten, will Voss-Tecklenburg vermeiden.
Frauen-WM: Eine Sieg-Prämie von 252.000 Euro muss erkämpft werden
Die Prämie, die jede Spielerin für einen WM-Titel kassieren könnte (252.000 Euro), hätte das Potenzial für abseitige Diskussionen. Die Spielerinnen jedoch scheinen kein Problem damit zu haben, dass der DFB die Summe der Fifa nicht zusätzlich erhöhen wird. Bei der WM in Australien schüttet die Fifa insgesamt 110 Millionen US-Dollar (rund 103 Millionen Euro) aus, 2019 in Frankreich betrugen die Fifa-Prämien noch 30 Millionen Dollar. Ausbezahlt wird direkt an jede Spielerin. Keine schlechten Aussichten also.
Voss-Tecklenburg und ihre Mannschaft konzentrieren sich aufs Sportliche. Die Erwartungshaltung ist nach dem Vizetitel bei der EM in England gestiegen. Zwar starten die Männer-Bundesligisten in Bälde mit ihrer Vorbereitung auf die Saison, doch die Frauen-Nationalmannschaft kann viel öffentliches Interesse auf sich ziehen. Den Spielerinnen ist das bewusst, die Aufmerksamkeit an ihnen und ihrem Sport ist gewachsen. Zugleich wächst die Erwartungshaltung. Torhüterin Merle Frohms, 28, wird erneut als Stammkraft in ein großes Turnier gehen. Sie nimmt Veränderungen wahr. "Außerhalb des Platzes beschäftigen wir uns mit mehr Themen", erzählt Frohms. Wie etwa der Media-Day am Montag. Sie sieht darin allerdings eher eine "Wertschätzung" denn eine Belastung. "Wir haben das jahrelang gefordert. Jetzt ist es so weit und wir sind bereit dafür." Frohms wird öfter auf der Straße erkannt, Fans wollen Selfies. Noch allerdings nimmt sie dies wohlwollend zur Kenntnis.
Die Mannschaft zeigt sich Willensstark
Ihre Bekanntheit könnte Frohms weiter steigern, sollte sie den WM-Pokal in den Himmel stemmen. Die Torhüterin und Oberdorf haben vor einem Jahr das EM-Finale verloren, jüngst unterlagen sie mit dem VfL Wolfsburg im Champions-League-Endspiel. Die Motivation ist hoch, endlich einen internationalen Titel zu gewinnen. "Ich habe keine Lust, ewiger Zweiter zu sein", betont Frohms. Das Finale am 20. August in Sydney ist das Ziel. Bis dahin jedoch wartet Arbeit auf die Fußballerinnen. Noch befinden sie sich nicht in der Form, die den Titel nahelegt. Das jüngste Testspiel gegen Vietnam (2:1) verlief enttäuschend. Doch es bleibt ausreichend Zeit, sich in Stimmung zu bringen. Am Freitag, 7. Juli, bestreitet das DFB-Team in Fürth die Generalprobe gegen Sambia (20.30 Uhr/ARD), danach begibt sich der Tross nach Australien.