Es ehrte Zećira Mušović, dass sie sich gar nicht zu lange im Glanze des Lichts sonnen wollte. Der historische Coup in der australischen Sportmetropole Melbourne gegen den Rekordweltmeister USA war noch keine Stunde alt, da legte die schier unüberwindbare Torhüterin aus Schweden bereits wieder die Stirn in Falten.
Beim Blick aufs Viertelfinale gegen Japan (Freitag 9.30 Uhr MESZ/ARD). „Sie sind das spannendste Team der WM und haben mich bisher am meisten beeindruckt“, verriet die 27-Jährige. „Es wird also eine andere große Herausforderung sein, aber im Leben ist alles möglich – wenn man es nur genug will.“ Dann schloss sie die Augen.
Japan schöpft aus einem großen Nachwuchsreservoir
Im gelben Nationaldress träumen die Skandinavierinnen als verschworene Gemeinschaft von mehr. In Sachen Widerstandskraft setzt „Tre Kronor“ bei diesem Turnier fast die Maßstäbe. Ihr Spiel ist selten schön, aber erfolgreich. Der Ursprung liegt im Grunde in jenem gewonnenen Viertelfinale gegen Deutschland (2:1) bei der WM 2019, als die Schwedinnen in der Gluthitze im nordfranzösischen Rennes ihren ewigen Angstgegner nach einem Rückstand niederrangen.
Daraus entstand der Glaube, auch die Großmächte besiegen zu können. Bereits bei den Olympischen Spielen 2021 kam das Team ins Finale, erst im Elfmeterschießen besiegt von Kanada. Jetzt geht es gegen den Trendsetter des Turniers. Das japanische Markenzeichen: schöner und schneller Fußball, erfolgreich und effizient. Neun Punkte ohne Gegentor in der Vorrunde, darunter eine spielerische Demonstration gegen Mitfavorit Spanien (4:0), danach ein Achtelfinale gegen Norwegen (3:1), was wie eine Pflichtübung aussah. „Nadeshiko“ Japan, was übersetzt Prachtnelken heißt, blüht mit dieser WM wieder auf.
Das unverdiente Achtelfinalaus vor vier Jahren gegen die Niederlande, übrigens auch in Rennes, ist überwunden. Nationaltrainer Futoshi Ikeda kam nur zu seinem Job, weil Japan bei den Olympischen Spielen im eigenen Land bereits im Viertelfinale gegen Schweden (1:3) ausschied. Jetzt aber haben die Asiatinnen den richtigen Baumeister, der aus dem riesigen Reservoir an gut ausgebildeten Spielerinnen schöpft. Er presst das Talent nicht in eine Schablone. „Ich denke, dass man bei aller mannschaftlichen Geschlossenheit nur große Erfolge feiern kann, wenn man einzelne Spielerinnen mit überragenden individuellen Fähigkeit in der Mannschaft hat.“ Solche weisen Sätze sagte der 52-Jährige vor fünf Jahren, als er die U20-Juniorinnen zum WM-Gewinn führte. Rund die Hälfte seines Kaders kennt er aus dem Nachwuchsbereich.
Sein ganzheitlicher Ansatz verknüpft Lust mit Laufbereitschaft, Kampf mit Kreativität. Sein Team wirkt taktisch so wandlungsfähig wie ein Chamäleon im australischen Outback. Alle haben alles drauf: Ballbesitz- oder Umschaltfußball. „Unsere Auftritte zeichnen sich dadurch aus, dass wir so flexibel sind, dass wir unsere Stärken ausspielen und unsere Gegner gleichzeitig neutralisieren“, erklärt die mit fünf WM-Treffern überragende Hinata Miyazawa, die unschwer an ihrem weißen Haarband zu erkennen ist. Sie führt eine inspirierende Generation an, die nun aber den schwedischen Beton durchbrechen muss.
Schweden-Trainer als Spaßverderber
Trainer Peter Gerhardsson setzt ganz darauf, den Spaßverderber zu spielen. Da versteht sich der Fußballlehrer aus Uppsala ganz als Pragmatiker. Gute Ordnung, gewonnene Zweikämpfe, defensive Disziplin: Der Spielstil wirkt unter dem 63-Jährigen zwar nicht immer weltmeisterlich, aber das ging ja auch gegen den Favoriten aus Amerika gut. Auch ein Freundschaftsspiel gegen die DFB-Frauen in Duisburg endete übrigens Anfang des Jahres schon torlos.
Wenn die frühere Bundesligaspielerin Fridolina Rolfö jetzt sagt, „wir brauchen wieder einen guten Matchplan“, heißt das nur, dass die Verteidigungshaltung noch verstärkt wird. Es kündigt sich an, dass im neuseeländischen Auckland vor großer Kulisse auch eine Stilfrage dieser WM entschieden wird.