Eigentlich hätte es ja jeder in dem vollbesetzten Saal mit der bunten Beleuchtung erwarten können. Kaum hatte eine Musikgruppe die Bühne geräumt, da trat bei der Tagung zur Zukunft des Frauenfußballs Fifa-Präsident Gianni Infantino persönlich hinter dem Vorhang hervor. Nirgendwo war der Impresario angekündigt worden, aber die Gelegenheit war günstig, um in seinem Statement zu dieser Frauen-WM von der „größten und besten aller Zeiten“ zu schwärmen. Seine Fifa habe „alles richtig“ gemacht und selbst bei der anfangs umstrittenen Ausweitung auf 32 Teilnehmer „recht gehabt“, erklärte Infantino, der vollmundig hinausposaunte, das Turnier habe nicht nur „Australien und Neuseeland, sondern die ganze Welt verändert“.
Fast zwei Millionen Besucher in den Stadien und rund zwei Milliarden TV-Zuschauer sind bemerkenswerte Rekordzahlen, aber vielleicht auch nur die Folge, wenn der Männerfußball so viel Ballast mit sich herumschleppt – auch durch eine WM-Vergabe nach Katar. Deshalb hatte sich Infantino vor einigen Monaten in Doha zur Rechtfertigung wie „ein Arbeitsmigrant oder ein Homosexueller“ gefühlt – und war dafür ziemlich verspottet worden. Nun allerdings fühlte sich der 53-Jährige bloß „happy“. Durch den Siegeszug der „Matildas“, die noch ihr „kleines Finale“ gegen Schweden in Brisbane (Samstag 10 Uhr/ARD) bestreiten, baute sich eine Begeisterung auf, die in Down Under anfangs niemand für möglich hielt.
Die Fußball-WM der Frauen schreibt schwarze Zahlen
Wirtschaftlich schreibt eine Frauen-WM inzwischen schwarze Zahlen, denn unter dem Strich flossen 570 Millionen Dollar Einnahmen. „Es gibt nicht viele Wettbewerbe, selbst im Männerfußball, die mehr als eine halbe Milliarde einbringen“, sagte der Fifa-Chef. „Aber wir müssen uns weiter verbessern.“ Wie kaum anders zu erwarten, rief der geschäftstüchtige Macher dazu auf, was jetzt passieren müsse: „Wir brauchen die Partner und Sponsoren, die einen fairen Preis zahlen. Und wir brauchen die Medien.“ Es könne nicht sein, dass aus Italien zur WM in Katar 39 Journalisten reisen würden, wo deren Männer gar nicht mitspielten, aber die Frauen von keinem Berichterstatter begleitet würden. Auch die Fernsehanstalten müssten mehr zahlen. Infantino will ja sein angekündigtes Equal Pay refinanzieren: Beim nächsten Turnier müsste dann das Vierfache des jetzigen Preisgeldes (110 Millionen Dollar) fließen.
Auch DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich hörte zu, wie der Weltverbandsboss erneut gegen Europa stichelte. Genüsslich erwähnte er, dass sich ja Südafrika gegen Italien, Marokko gegen Deutschland durchgesetzt habe: „Wer hätte das gedacht? Niemand! Und warum? Weil die Verbände hart gearbeitet haben, weil ihre Frauen die Welt verändern wollen.“ Offenkundig, was ihn antreibt: die globale Entwicklung so zu beschleunigen, dass sich eine Frauen-WM 2027 in Südafrika rechnet. Es erscheint immer schwieriger vorstellbar, dass die Dreierbewerbung aus Deutschland, Niederlande und Belgien allein mit der Nachhaltigkeit punkten kann, denn das hat bei dieser Auflage mal gar keine Rolle gespielt.
Südafrika gilt als Favorit für die Frauen-WM 2027
Auffällig bei dem Convent, wie viele Vertreter aus Afrika – von Botswana, Nigeria bis Sudan – in den Themenrunden sprachen. Der südafrikanische Strippenzieher Danny Jordan hat die Allianzen längst geschmiedet, um beim Fifa-Kongress in Bangkok im Mai 2024 den Zuschlag zu erhalten. Die anderen beiden Mitbewerber gelten als chancenlos: Eine Frauen-WM 2027 in den USA und Mexiko würde viel Gewinn versprechen, aber beide Länder stehen schon bei der Männer-WM 2026 im Fokus. Bei Brasilien gilt nicht als sicher, ob die staatliche Unterstützung eingehalten werden kann. Für 2031 hat Saudi-Arabien durch Vizepräsidentin Lamia Bahaian erstmals leises Interesse hinterlegt.