Offenbar hatte die eine oder andere das Gelände vom Central Coast Regional Sporting & Recreation Complex schon vermisst, sonst wären die deutschen Fußballerinnen am Donnerstagmorgen kaum mit einem solch breiten Lächeln aus dem Bus gestiegen. Anschließend begann die erste Trainingseinheit am Rande der Ortschaft Tuggerah mit viel Gelächter. Dem verbreiteten Frohsinn vor dem zweiten WM-Gruppenspiel gegen Kolumbien (Sonntag, 11.30 Uhr/ARD) stand der Fakt entgegen, dass Marina Hegering weiterhin nicht die volle Belastung vertrug. Und dann kann eine Abwehrchefin nicht eingesetzt werden, wo es doch im Sydney Football Stadium nach Aussage aller zur Sache gehen wird.
DFB-Frauen stellen sich auf einen körperbetonten Gegner ein
„Wir wissen, dass es ein sehr körperbetonter Gegner sein wird, dass wir eventuell den Ball ein bisschen früher spielen müssen, sonst kann es wehtun“, mahnte Abwehrspielerin Sara Doorsoun, die beinahe wie am Fließband die Medienanfragen aus dem Wyong Race Club abarbeitete. Ihre Botschaft für den Härtetest: „Wenn man mich braucht, bin ich da.“ Eigentlich wollte sie es ja dem gesetzten Abwehrduo Kathrin Hendrich mit Hegering nur „so schwer wie möglich“ machen, nun ist die 31-Jährige jedoch wie bei der WM 2019 mittendrin, als sie alle fünf Spiele bestritt.
„Wenn ich in der Startelf stehe, erfülle ich meine Aufgabe. Ich definiere mich nicht nur über meine Einsatzzeiten.“ Kein unwichtiger Zusatz der Nummer 23, die definitiv zu den Frohnaturen in Australien gehört. Als beim ZDF-Interview auf der Veranda erst ein Mikrofon streikte, dann ein Trecker über die Rennbahn tuckerte, scherzte sie: „So langsam bin ich nicht!“ Allzu gerne veralbert sich die gebürtige Kölnerin selbst als „Oma“. Wen sie alle anderen bei Sprintübungen abgehängt hat, betont sie gerne, wie „fresh und knackig“ sie noch sei. Als ihr größtes Plus nennt sie „ganz klar die Schnelligkeit“.
Mit Tempo den ein oder anderen Fehler ausgebügelt
Bei der vergangenen WM in Frankreich half ihr das Tempo, den einen oder anderen technischen Fehler auszubügeln. Ihr Abwehrspiel war damals nicht frei von Risiken, ihr Aufbauspiel bleibt bis heute eines mit Steigerungspotenzial. Als Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nach dem Auftaktspiel gegen Marokko (6:0) betonte, eine Sara Doorsoun mache „einfach ihr Ding“, war das als Kompliment fürs große Ganze gemeint. Da bringe jemand „eine positive Energie ein, das tut uns gut.“
Aktuell bewohnt die Verteidigerin ein Apartment mit Torhüterin Merle Frohms – da scheinen sich zwei gesucht und gefunden zu haben. Deren Social-Media-Video von einer Dirty-Dancing-Tanzeinlage landete in den Abruflisten unter den DFB-Frauen weit oben. Keine unwichtige Währung intern. Doch die 46-fache Nationalspielerin weiß auch, wann es ernst wird. Gegen die Nordafrikanerinnen feierte sie eine gelungene Grätsche mit geballter Faust. Eine Führungsspielerin muss halt auch mal dazwischen fegen.
Sara Doorsoun: Vom VfL Wolfsburg zu Eintracht Frankfurt
Auch neben dem Platz. „Sie hat auch bei uns vergangene Saison auch mal auf den Putz gehauen, wenn es nicht so lief“, erzählt Tanja Pawollek, die Kapitänin von Eintracht Frankfurt. Dorthin war Doorsoun im Januar 2022 gewechselt, als sie beim VfL Wolfsburg nur noch wenige Spielanteile hatte. Ein Schritt zurück, um wieder zwei nach vorne zu machen. Inzwischen hat sie ihren Vertrag unter dem Adlerdach als Führungsspielerin bis 2025 verlängert. „Es ist eine Erfolgsgeschichte für beide Seiten“, erklärt ihr Vereinstrainer Niko Arnautis. „Wir haben von ihrer Erfahrung profitiert, sie von unserer Entwicklung.“
Lehren im Fußball sind das eine, Lektionen fürs Leben das andere. Offen erzählte Doorsoun in der Doku „Born for this“ im vergangenen Jahr davon, dass sie mit Louise „Lou“ Schaaf, bekannt aus der Serie „Princess Charming“, zusammen sei. Ihr aus dem Iran stammender Vater – die Mutter kommt aus der Türkei – wusste zu diesem Zeitpunkt gar nicht, dass sie Frauen liebe. In der zweiten Staffel sprach sie nun über die Trennung von ihrer prominenten Lebensgefährtin. „Ehrlich, mir geht's gar nicht so gut. Jetzt habt ihr mich“, stammelte sie unter Tränen und gab zu: „Ich bin immer noch dabei, über mich zu lernen.“ Dass vermutlich der familiäre Verarbeitungsprozess vor ihrem kulturellen Hintergrund nicht abgeschlossen sein dürfte, ist zu erahnen.
DFB-Spielerin Sara Doorsoun setzt sich für Sozialprojekte ein
Doorsoun wird immer wieder darauf angesprochen, wie sie Vorbild für andere Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund sein kann, die Fußball spielen (wollen). Ein tiefgreifender Themenkomplex, der ihr nicht mehr so fremd ist wie früher. Sie sagt dann meist, dass es schön wäre, wenn manche Eltern anhand ihres Werdegangs feststellen würden, dass der Sport für deren Töchter gar nicht so verkehrt sei. Um das Spannungsfeld besser zu verstehen, ist sie mit der früheren Bundesligaspielerin Tugba Tekkal in den Irak geflogen, hat dort vor der Kamera mit Mädels gekickt. Seit Jahren interessiert sie sich für die Projekte der aus dem Irak geflüchteten Aktivistin, die inzwischen ein großes Netzwerk aufgebaut hat. Doorsoun ist eine auf höchster Ebene aktive Unterstützerin.