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Fußball-WM der Frauen 2023: Ein Burgfrieden führt zum WM-Titel für Spanien

Fußball-WM der Frauen 2023

Ein Burgfrieden führt zum WM-Titel für Spanien

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    Spaniens Fußballerinnen feiern ihren ersten WM-Titel.
    Spaniens Fußballerinnen feiern ihren ersten WM-Titel. Foto: Rick Rycroft, dpa

    Irgendwie verständlich, dass Königin Letizia sich nicht mehr in royaler Zurückhaltung übte: Als die neuen Nationalheldinnen von der Iberischen Halbinsel aufs Podium kletterten, strahlte sie mit den glücklichen Fußballerinnen an diesem flimmernden Abend im Australia Stadium von Sydney gemeinsam, nachdem die goldenen Medaillen überreicht worden waren. Es gibt noch Momente bei Weltmeisterschaften, bei denen sich Fifa-Präsident Gianni Infantino nicht vordrängeln kann. Zuvor hatten 75.784 Augenzeugen ein hochklassiges, spannendes Finale mit einem verdienten Sieger gesehen: Spanien sicherte sich mit einem 1:0 gegen England erstmals den WM-Titel. Deutschland ist sein Alleinstellungsmerkmal los, mit beiden Geschlechtern mindestens einen Stern gewonnen zu haben. 

    Überschäumende Freude auf der einen, grenzenlose Enttäuschung auf der anderen Seite. Torfrau Mary Earps kauerte enttäuscht an der Strafraumlinie. Sie hatte mit einem gehaltenen Handelfmeter gegen Jennifer Hermoso dieses umkämpfte Endspiel noch spannend gemacht, doch das fein herausgespielte Tor von Olga Carmona (29.) sollte entscheiden. 

    „Wir haben etwas Historisches geschafft“, jubelte die zur „Spielerin des Spiels“ gekürte Linksverteidigerin, die schon im Halbfinale gegen Schweden den Siegtreffer erzielt hatte. Mit Tränen in den Augen äußerte sich Hermoso zum Happyend: „Wir haben so viele Tage versucht, uns vorzustellen, wie es ist, Weltmeister zu sein. Wir konnten es nicht. Das ist das Schönste in meiner Karriere.“ Weniger fein, dass sich die Führungskraft eine obszöne Geste leistete, die ebenso wie ihr vergebener Elfmeter folgenlos blieb. 

    Hingegen versuchte Englands Kapitänin Millie Bright die Fassung zu bewahren: "Das ist das Harte im Fußball, dass man auch verliert. Wir können trotzdem stolz sein." In der Nacht zu ihrem 30. Geburtstag blieb der am Ende als Mittelstürmerin spielenden Bright das schönste Geschenk verwehrt. Die "57 years of hurt", die Jahre der Schmerzen, gehen für das Mutterland des Fußballs vorerst weiter. Es bleibt beim einzigen Triumph der Männer von 1966.

    Die Risse in Spaniens Team sind trotz des WM-Titels zu sehen

    Dass sich letztlich "La Furia Roja" durchsetzte, löste im königlich-spanischen Fußballverband (RFEF) Jubelstürme aus. Präsident Luis Rubiales war so entrückt, dass er der im Trikot von Weltfußballerin Alexia Putellas zur Siegerehrung erschienenen Hermoso einen Kuss auf den Mund aufdrückte. Der kahlköpfige Verbandsboss sah sich bestätigt, ungeachtet des Protestes von 15 prominenten Spielerinnen an Nationaltrainer Jorge Vilda festgehalten zu haben. Dass die Risse nicht gänzlich beseitigt sind, war unübersehbar: Denn der stolze Weltmeistercoach Vilda ("Wir haben gezeigt, dass wir auch kämpfen können, leidensfähig sind") jubelte zunächst nur am Spielfeldrand mit seinem Trainer- und Helferteam, derweil die Spielerinnen am Elfmeterpunkt feierten. Es hätte kein besseres Sinnbild als eine solche Distanz für die immer noch nicht ausgestandenen Differenzen geben können. Was dem 42-Jährigen angerechnet werden muss: welch befruchtenden Burgfrieden der Mann letztlich am anderen Ende der Welt hinbekommen hat. „Wir haben eine Menge hochwertiger Spielerinnen“, lobte der Madrilene, der auf der Pressekonferenz eher gequält die „Campeonas“-Gesänge nachahmte

    Dass sich eine "goldene Generation" krönte, ist der guten fußballerischen Ausbildung auf Vereins- wie Verbandsebene zuzuschreiben. "Wir haben das Talent seit Jahren", sagte die mit dem "Goldenen Ball" als beste WM-Spielerin ausgezeichnete Aitana Bonmati, die als eine von drei "Rebellinnen" zurückkehrte. Man müsse doch nur mal die U17-, U19- oder U20-Turniere anschauen. Tatsächlich hat Spanien in einer Dekade neun WM- oder EM-Titel eingesammelt. Und keine illustrierte die Begabung besser als die diesmal der Weltfußballerin Alexia Putellas vorgezogene Salma Paralluelo, die mit 19 Jahren zur besten jungen WM-Spielerin ausgezeichnet wurde.

    Schnell entwickelte sich das "faszinierende Finale", das Jill Ellis, 2015 und 2019 Weltmeistertrainerin der USA, tags zuvor prophezeit hatte. England erwischte mit dem Lattenschuss der quirligen Lauren Hemp den besseren Start (16.), doch mit spielerischer Klasse befreite sich die "Seleccion" immer häufiger. Als sich die englische Rechtsverteidigerin Lucy Bronze naiv im Zentrum festrannte, nutzte die schon im Halbfinale gegen Schweden erfolgreiche spanische Linksverteidigerin Olga Carmona die blitzgescheite Umschaltaktion.

    Englands Trainerin zeigt sich als faire Verliererin

    Aufregung gab es im ersten Durchgang noch, als ein Flitzer aufs Feld lief, der ein T-Shirt mit "Stop Putler" trug – eine Hitler-Anspielung auf den in der Ukraine Krieg führenden russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin. Sicherheitskräfte führten den Mann sofort ab. Englands Trainerin Sarina Wiegman stellte zur Pause zwar personell und taktisch um, doch selbst der von Earps abgewehrte Strafstoß, den Schiedsrichterin Tori Penso (USA) erst nach langer VAR-Intervention verhängte, brachte keine Initialzündung. Die "Lionesses" fanden kein Mittel, um wie im EM-Viertelfinale (2:1) vor einem Jahr den Turnaround zu schaffen. Letztlich stand die Niederländerin Wiegman wie vor vier Jahren mit ihrem Heimatland erneut auf der Seite der Verliererinnen. Wie es sich gehört, gratulierte die 53-Jährige aufrichtig. "Wir waren nahe dran, aber Spanien hatte das bessere Team." Einen erneuten Anlauf für die WM 2027 wollte Wiegman nicht versprechen. "Das ist jetzt zu weit weg." Die Engländerinnen müssen erst mal heimfliegen und runterkommen, während die Spanierinnen und ihre Königin feiern dürfen.

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