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Fußball-WM 2022: Warum die Balkan-Torhüter bei der WM in Katar aufdrehen

Fußball-WM 2022

Warum die Balkan-Torhüter bei der WM in Katar aufdrehen

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    Kroatiens Held: Torhüter Dominik Livakovic parierte drei Elfmeter.
    Kroatiens Held: Torhüter Dominik Livakovic parierte drei Elfmeter. Foto: Luca Bruno, dpa

    Es war die Sternstunde für Kroatiens Schlussmann Dominik Livakovic: Im Elfmeterschießen gegen Japan hielt der 27-Jährige drei von vier Elfmetern und brachte seine Nationalmannschaft damit ins Viertelfinale der Fußball-WM. Das Kunststück, drei gehaltene Strafstöße in einem Spiel zu schaffen, gelang vorher erst zwei anderen Keepern: dem Portugiesen Ricardo 2006 gegen England sowie Livakovics Landsmann Danijel Subasic. Der hatte 2018 die Dänen zur Verzweiflung gebracht. Ein anderer Schlussmann aus dem Balkan spielte ebenfalls ein starkes Turnier: Vanja Milinkovic-Savic, der serbische Torwart, hatte mit starken Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. 

    Und bis auf den Patzer im letzten Gruppenspiel gegen Marokko hatte Kanadas Nummer eins Milan Borjan ebenfalls ein gutes Turnier gespielt. Der 35-Jährige hat seine Wurzeln ebenfalls in Kroatien, kam in dem Land zur Welt und verbrachte infolge des Jugoslawien-Kriegs einige Jahre in Kanada, weswegen er einen kanadischen Pass hat. Der Torwart von Roter Stern Belgrad gehört zu den Stützen des Teams aus Nordamerika. Dabei ist, wie viele Beobachter betonen, der beste Torwart aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens gar nicht für das Turnier qualifiziert: Jan Oblak, Keeper von Atlético Madrid, hat mit seinem Heimatland Slowenien nicht das Ticket für das Turnier in Katar lösen können.

    Zdenko Miletic hat beim FCA 13 Jahre als Torwarttrainer gearbeitet.
    Zdenko Miletic hat beim FCA 13 Jahre als Torwarttrainer gearbeitet. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Ex-FCA-Keeper Miletic: Von Kindesbeinen an Torwart-Training in Ex-Jugoslawien

    Woran es liegt, dass derzeit so viele gute Schlussleute aus dem ehemaligen Jugoslawien kommen? Für den ehemaligen Profi Zdenko Miletic ist das nur zu einem Teil Zufall, aber auch das Ergebnis der traditionell guten Torwartausbildung in den Balkan-Ländern. Der 54-jährige Kroate, der in Sarajevo geboren wurde, spielte in Deutschland unter anderem für den FC Augsburg und Arminia Bielefeld. Nach seinem Karriereende 2007 bis 2020 trainierte er zudem die Augsburger Torhüter. Er sagt dazu: "In den Ländern gibt es eine gute Torwartausbildung, von Kindesbeinen an." Schon im ehemaligen Jugoslawien sei es Usus gewesen, dass jeder Verein einen eigenen Torwarttrainer beschäftigte. "Das sind bei den großen Vereinen auch nicht irgendwelche Leute, sondern meistens die langjährigen Schlussleute", so Miletic.

    Mittlerweile ist es natürlich auch in Deutschland längst Usus, ein Torwart-spezifisches Training einzubauen. Als Miletic aber im Jahr 1991 als 20-Jähriger aus seiner Heimat Kroatien nach Deutschland wechselte, sah das noch völlig anders aus: "Bei Preußen Münster hat unser Trainer Hans-Werner Moors aufs Tor geschossen. Entweder du hattest die Torwarttechnik oder du hattest sie nicht, spezifisch trainiert wurde da nichts." Das ging noch jahrelang so, selbst in der Bundesliga. "Uwe Kamps, der jahrelang bei Mönchengladbach im Tor stand, hat mir mal gesagt, dass er erst zum Ende seiner Karriere damit angefangen hat, mit Torwarttrainern zu arbeiten." Kamps, der 2004 zurücktrat, trainiert seither selbst die Gladbacher Keeper.

    Die kroatischen Spieler feiern ihren Torhüter Dominik Livakovic.
    Die kroatischen Spieler feiern ihren Torhüter Dominik Livakovic. Foto: Robert Michael, dpa

    Ex-FCA-Profi Miletic: "Nach einem Fehler saß ein junger Torwart sofort auf der Bank"

    Im ehemaligen Jugoslawien ist die Torwartschule dagegen längst etabliert gewesen – und unterscheidet sich vom klassischen deutschen Ansatz, der mehr auf körperliche Präsenz setzt. Miletic erklärt: "Der jugoslawische Stil orientiert sich mehr am italienischen, ist geschmeidiger." Dass es nun gerade so viele gute Keeper aus dem ehemaligen Jugoslawien gebe, habe aber dennoch mit einem Umdenken zu tun, glaubt Miletic: "Früher war der Druck enorm. Nach einem Fehler saß ein junger Torwart sofort auf der Bank. Mittlerweile hat man akzeptiert, dass das Verursachen von Fehlern und das Lernen daraus auch zur Entwicklung gehören." Lediglich das Spiel mit dem Fuß habe man in der Vergangenheit vernachlässigt, so Miletic: "Da ist auch Livakovic nicht gerade der Beste seines Fachs."

    Aber warum die kroatischen Torhüter nun so gut beim Elfmeterschießen sind? Da hat Miletic auch nicht wirklich eine Erklärung. "Am ehesten würde mir noch das einfallen: In der jugoslawischen Liga war es in den 80er und 90er Jahren so, dass es nach einem Unentschieden in der Liga ins Elfmeterschießen ging." Damit habe man etwaigen Spielmanipulationen entgegenwirken können. Die Folge: Eine Entscheidung vom Punkt her unter Wettkampfbedingungen fand für Balkan-Keeper also regelmäßig statt. "Aber das kann sich eigentlich unmöglich auf die aktuellen Torwarte übertragen", so Miletic mit einem Lachen. Vielleicht wird die Nervenstärke auch einfach nur vererbt.

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