Nun aber wirklich: Endspiel. Um das erste Finale waren die Deutschen ja noch überraschenderweise herumgekommen, nachdem die Japaner gegen Costa Rica verloren hatten. So wäre ein Ausscheiden der Mannschaft von Trainer Hansi Flick nicht mal bei einer Niederlage gegen Spanien festgestanden. Vor dem Spiel gegen Costa Rica nun ist aber endgültig klar, dass ein Sieg notwendig ist für das Vorrücken ins Achtelfinale – und auch das gelingt nur, wenn Japan nicht gleichzeitig gegen Spanien gewinnt.
Eine Situation, in der sich ein gewisser Druck auf die Spieler aufbauen könnte. Für Thomas Müller ist das allerdings kein Argument, warum das Vorhaben scheitern könnte: "Drucksituationen müssen alle von uns gewohnt sein." Gemeinsam mit Manuel Neuer stand er schon in einem WM-Finale, etliche andere Spieler im Kader haben die Champions League gewonnen. Auch beim Druck kann ein Gewöhnungseffekt einsetzen.
Allerdings hatten Neuer und Müller auch 2018 vorher schon eine WM gewonnen – dazu standen noch weitere Weltmeister auf dem Platz, die das Ausscheiden gegen Südkorea nicht hatten abwenden können. Immer wieder die Erinnerung an dieses Spiel in Kasan und der damit einhergehende Verlust des Prädikats "Turniermannschaft".
Erinnerungen an deutsche WM-Endspiele in der Gruppenphase
Dabei wankte das deutsche Team bei Weltmeisterschaften schon häufiger durch die Vorrunde. Oft drohte im letzten Vorrundenspiel das Aus. Was das Spiel in Kasan so bemerkenswert macht: Zum ersten Mal scheiterte die deutsche Auswahl.
Bei der WM 2010 standen nach zwei Spielen lediglich drei Punkte zu Buche. Die Partie gegen Ghana in Johannesburg: ein Endspiel. Mesut Özil entschied es mit einem fulminanten Schuss.
Acht Jahre zuvor war die Lage noch prekärer für die Deutschen. Wie die Kameruner wiesen sie vier Zähler auf, nur der Sieger würde weiterkommen – und dann sah Carsten Ramelow die Gelb-Rote Karte. Das Team des ein Rudi Völler machte den Houdini, Marco Bode traf in Unterzahl, später flog der Kameruner Patrick Suffo vom Platz. Mirolav Klose sollte schließlich mit seinem fünften und letzten Turniertreffer den 2:0-Endstand herstellen und die Partie mit insgesamt 16 Gelben Karten einen Rekordwert erreichen. 1982 schließlich die Schande von Gijon, als sich Deutsche und Österreicher auf einen 80-minütigen Nichtangriffspakt geeinigt hatten, nachdem Horst Hrubesch das 1:0 für die Deutschen erzielt hatte. Ein Ergebnis, das beiden Mannschaften den Einzug in die nächste Runde ermöglichte.
Einen derartigen Spielausgang kann es am Donnerstag (20 Uhr, ARD und MagentaTV) nicht geben. Den Lateinamerikanern aber würde schon ein Remis für das Achtelfinale reichen, falls Japan nicht gegen Spanien gewinnt. Auch deswegen geht Flick von einem Gegner aus, der sein Heil vorwiegend in der Defensive suchen wird. In den bisherigen beiden Spielen schoss das Team Costa Ricas insgesamt ein Mal auf das gegnerische Tor. Dieser Schuss aber hat für drei Punkte gereicht. Eine beeindruckende Effizienz und somit in etwa das Gegenstück zu den Deutschen, die es vor dem Tor bisher an Abgeklärtheit haben vermissen lassen.
Möglicherweise wird Flick deshalb erstmals in diesem Turnier Leroy Sané in die Startelf berufen. Gegen Japan fehlte er noch wegen einer Knieverletzung, im Spanien-Spiel hatte er als Einwechselspieler großen Einfluss darauf, dass die Deutschen nun grundsätzlich optimistisch in die kommende Partie gehen. Sané sei "eine gute Option". Was allerdings auch für Niclas Füllkrug, Serge Gnabry, Thomas Müller und Kai Havertz zu gelten hat. Einzig Jamal Musiala dürfte sich in der Offensive seines Stammplatzes sicher sein. Selbst der für besondere Momente bekannte Müller erklärte, dass man nicht über viele Spieler wie Musiala im Kader verfüge, "die den Ball irgendwo bekommen und Chancen kreieren".
Musialas Spiel wirkt zudem so, als sei das Fußballfeld eine von Druck befreite Zone für ihn. Ähnlich sieht es auch Flick. "Druck verspüre ich überhaupt nicht." Viel eher spüre er, dass sich seine Mannschaft auf einem guten Weg befinde. Ob dieser Weg eine Sackgasse ist, entscheidet sich am Donnerstag.
Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar steht in der Kritik, auch in der Redaktion haben wir ausführlich darüber diskutiert. Eine Einordnung, warum wir das Sportevent dennoch ausführlich journalistisch begleiten, lesen Sie in diesem Text.