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Fußball-WM 2022: Deutsche WM-Besucherin in Katar: "Richtig gut kann ich bisher noch nicht viel finden."

Fußball-WM 2022

Deutsche WM-Besucherin in Katar: "Richtig gut kann ich bisher noch nicht viel finden."

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    Heike Gels hat seit 2006 jede Fußball-Weltmeisterschaft besucht. Auch in Katar ist sie mit dabei.
    Heike Gels hat seit 2006 jede Fußball-Weltmeisterschaft besucht. Auch in Katar ist sie mit dabei. Foto: Frank Hellmann.

    Sie gehören im Fanclub der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zu den treuesten Anhängerinnen. Was war Ihr erstes Länderspiel?

    Heike Gels: Bei der WM 1982 habe ich bereits alle Spiele im TV gesehen und immer bei einem Gewinnspiel der WAZ mitgetippt. Da habe ich auf dem Namen meines Vaters eine Karte für ein Länderspiel im alten Parkstadion in Gelsenkirchen gegen Österreich gewonnen. Mein Papa hat mir und meiner Schwester dann auch noch Tickets gekauft. Ich bin mit einer Deutschland-Flagge hin, die ich mit Wasserfarben gemalt hatte – ich war froh, dass es nicht geregnet hatte.

    Welche WM haben Sie zuerst vor Ort verfolgt?

    Gels: Die WM 2006 in Deutschland: Nachdem ich 1999 nach Frankfurt gezogen war, wurde ich beruflich eingeladen. Ich war bei Spielen in Berlin, Kaiserslautern, Nürnberg, München – das war anfangs richtig stressig. Ich bin ja nicht mit dem Hubschrauber geflogen wie Franz Beckenbauer. Für die WM 2010 in Südafrika habe ich mir über Ebay eine Karte organisiert und bin alleine nach Johannesburg zum Spiel gegen Ghana geflogen. Danach war für mich klar, dass man bei einer WM ganz viele Menschen aus unterschiedlichsten Nationen kennenlernen kann.

    Also waren Sie bei der WM in Brasilien länger dabei?

    Gels: Ich hatte mir Tickets bis zum Viertelfinale besorgt. Nach dem Spiel gegen Frankreich bin ich von Rio de Janeiro zunächst im leeren Flieger nach Frankfurt zurück. Als es für das Finale kurzfristig vom Fanclub ein Angebot für einen Fanflieger gab, habe ich sofort gebucht. Morgens ums vier gelandet, nachmittags um vier das Finale. Mir wurden zwischenzeitlich fast 4000 Euro für die Finalkarte geboten, aber das habe ich abgelehnt. Beim Rückflug kam ich dann sogar ins Fernsehen. Ich bin wohl mit Hut und Puscheln und als eine der wenigen Frauen aufgefallen.

    Auch wegen des Umgangs mit den Frauenrechten steht Katar in der Kritik. Stand es für Sie zur Debatte, nicht zu dieser WM zu reisen?

    Gels: Ich bin zwar mit gemischten Gefühlen hin, aber ich hatte kein schlechtes Gewissen. Nichtsdestotrotz habe ich mir gesagt: Das hätte vor zwölf Jahren anders entschieden werden müssen. Das aber an den Sportlern, den Fans oder den Einheimischen auszulassen, ist verkehrt. Außerdem war ich bereits 2015 bei der Handball-WM in Doha. Damals habe ich festgestellt, dass vieles in einer männerdominierten Welt schwierig ist, aber letztendlich fühlst du dich als Frau hier sicher. Du wirst hier nicht belästigt. Ich werde als Frau auch fast immer vorgelassen. In der Metro stehen die meisten Männer für mich auf.

    Also ist die viele Kritik übertrieben?

    Gels: Als Touristin ist das schwer zu beurteilen. Man bekommt ja nur das zu sehen, was man sehen soll. Man muss sich sehr an die vorgegebenen Wege halten, und der Kontakt zu den Einheimischen ist auch begrenzt, weil auch so viele Fans da sind. 2015 haben wir mit einer Gruppe von Kataris sprechen können, die uns an den Tisch gebeten haben – und mit uns sogar Bier getrunken haben.

    Was ist für Sie prägend an diesem Turnier?

    Gels: Alle Nationen sind hier mehr oder weniger in einer Stadt. Sonst sieht man bei einer WM an einem Spieltag eigentlich fast nur die Fans des Gegners. Und jetzt sind alle vor Ort. Als wir angekommen sind, hat gerade Saudi-Arabien gespielt: Da habe ich viele verschleierte Frauen gesehen, die stolz deren Schals und Fahnen gezeigt haben. Das war schön zu sehen. Wir sagen vielleicht, das sind keine Fußball-Nationen, aber können wir das beurteilen? Das wissen wir doch gar nicht. Ich spüre hier viel Stolz, dass eine WM in einem arabischen Land stattfindet. Deswegen freuen sich die Marokkaner und Tunesier auch so. Vor allem aber ist prägend, dass im Gegensatz zum Handball eine Fußball-Mannschaft zur WM auch von den Kataris nicht gekauft werden kann, und der Gastgeber den wohl erhofften sportlichen Erfolg nicht feiern kann.

    Sie sind aber wegen der deutschen Mannschaft hier und tragen auch ein Trikot. Was hat Ihnen bisher gut und nicht so gut gefallen?

    Gels: Richtig gut kann ich bisher noch nicht viel finden. Es fing mit der unsäglichen Debatte um die One-Love-Binde an, wo letztlich kein Rückgrat gezeigt worden ist. Dann das verschenkte Spiel gegen Japan, das mich wirklich enttäuscht hat. Und dass Hansi Flick alleine zur Pressekonferenz kommt, geht auch nicht: Das wusste man vorher, als dieses Quartier ausgesucht wurde. Man hätte auch einen weltgewandten Kevin Trapp als Europapokalsieger da hinsetzen können.

    Das Erscheinungsbild erleidet also weiteren Schaden?

    Gels: Ja, die Distanz zur Mannschaft wächst weiter, und auf Fanebene ist es hier auch schwierig. Zwar ist die mobile Fanbotschaft da, aber es gibt keine gemeinsamen Veranstaltungen. Die meisten sind ja nicht mal in Doha, der Fanclub Nationalmannschaft hat sein Quartier in Dubai, die Sektion Rheinland ist in Bahrain und einige wie wir hier verteilt.

    Sie bereuen den WM-Trip also nicht?

    Gels: Auf keinen Fall. Auch wenn einige Dinge für uns nicht so gut sind: Beim ersten Spiel gegen Japan wurden wir von den Ordnern ständig genötigt, im Block sitzen zu bleiben. Von meinem Freund wurde die Deutschland-Fahne nicht akzeptiert, weil sie zu groß war und hätte angemeldet werden müssen. Ansonsten ist es eine super interessante Erfahrung, die anderen Kulturen zu erleben. Ich finde auch das Drumherum um die Stadien wirklich spannend – für ein Spiel vom Iran wolle ich noch eine Karte bekommen, das hat leider nicht geklappt. Ich konnte aber Japan gegen Costa Rica sehen.

    Dann wissen Sie ja, dass der letzte deutsche Gruppengegner schlagbar ist?

    Gels: Ich erinnere mich an das letzte Spiel gegen Südkorea bei der WM 2018 in Kasan, als die Ausgangslage ganz ähnlich war. Vor diesem Hintergrund bin ich noch vorsichtig. Mir fehlt immer noch der letzte Enthusiasmus der deutschen Mannschaft. Ich kann mir schon vorstellen, dass sie schon bis ins Viertelfinale kommen, aber der Optimismus von einem Turnier wie 2014 ist bei mir nicht mehr da. Wir bleiben aber auf jeden Fall bis zum Ende. Unser Rückflug geht erst am 19. Dezember.

    Zur Person: Heike Gels, 53, stammt aus Moers am Niederrhein. Als Kind hat sie zuerst Bundesligaspiele von Bayer Uerdingen in der alten Grotenburg besucht, ehe sie 1999 beruflich nach Frankfurt zog, wo sie als Projektmanagerin arbeitet. Inzwischen ist sie regelmäßig bei Heimspielen von Eintracht Frankfurt und bei fast allen Länderspielen daheim und auswärts dabei. Seit der Heim-WM in Deutschland hat sie jede WM besucht. Ihren Freund Steffen Hahnel lernte sie 2017 beim Länderspiel in Aserbaidschan kennen. Bei der WM in Katar sind beide zusammen vor Ort.

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