Die Erwartungen waren groß, als Bundeskanzler Olaf Scholz vor etwa drei Wochen zu einer Regierungserklärung antrat. Am Ende sprach Scholz zwar, sagte aber selbst für seine Verhältnisse derart wenig, dass am Ende von einer Nicht-Regierungserklärung die Rede war. Selbiges kann man von der mindestens zweitwichtigsten Regierungserklärung im Land nicht sagen: Als Bundestrainer Julian Nagelsmann am Samstagabend im aktuellen Sportstudio des ZDF antrat, wollte der 36-Jährige erst mal "gar nicht so viel zu Personalien sagen" – und tat es dann doch recht ausführlich.
Recht konkret stellte Nagelsmann seine Pläne vor, wie die in nicht einmal einem halben Jahr beginnende Heim-EM doch noch zu einem Erfolg werden solle. Die Kurzform: Stuttgarts Deniz Undav ist sehr wahrscheinlich bei den nächsten Länderspielen gegen Frankreich und die Niederlande Ende März dabei. Joshua Kimmich wird dann wohl nicht mehr auf der Sechs, sondern rechter Verteidiger spielen ("Er ist ein Kandidat auf dieser Position"), während im defensiven Mittelfeld am liebsten dann Toni Kroos spielt ("ein interessanter Gedanke").
Das Experiment mit Kai Havertz als Linksverteidiger ist beendet
Im Tor soll dann Neuer stehen. Wer links hinten spielt, ist noch nicht gesagt. Kai Havertz ist es jedenfalls nicht – und das, obwohl ihm Nagelsmann vor wenigen Wochen noch zugetraut hatte, auf dieser Position "einer der Topspieler der EM werden" zu können. Jetzt ist das Experiment beendet, so Nagelsmann: "Das ist vorbei. Aber nicht, weil es gescheitert ist." Ja, ne!, ist klar.
Letztlich ist das aber eine ganze Menge an neuen Erkenntnissen, die Nagelsmann im ZDF präsentierte. Schon bei der Gruppenauslosung der EM in Hamburg hatte der Ex-Bayern-Coach gesagt, dass es einige Änderungen in inhaltlichen Bereichen geben werde. Diese werden zwar "keine Radikalkur" werden, aber sollten durchaus was verändern im zuletzt etwas verbesserungsfähigen Auftreten der deutschen Nationalmannschaft.
Euphorie und Krise: Nagelsmann absolviert wichtige Karriereschritte zügig
Insofern hat der gerade erst seit Ende September im Amt befindliche Nagelsmann einige Karriereschritte hinter sich, für die andere Monate brauchen: Euphorie am Anfang bei der USA-Reise, handfester Krisenmodus gegen die Türkei und Österreich samt waghalsiger Experimente (Havertz als Linksverteidiger), schließlich Neuanfang, alles auf null – nach vier Spielen und drei Monaten im Amt. Das Signal, das Nagelsmann am Samstagabend aussendete, war hingegen eines, das man zu anderen Gelegenheiten auch schon mal gehört hat. Sinngemäß: Ich hab alles im Griff, macht euch keine Sorgen. Ob das stimmt, wird der März zeigen. Immerhin: Das mit der Regierungserklärung klappt schon mal. Kann auch nicht jeder von sich sagen.