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Fußball: Max Eberls Aus und die Folgen: Wenn die Kraft nicht mehr reicht

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Max Eberls Aus und die Folgen: Wenn die Kraft nicht mehr reicht

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    Hört aus gesundheitlichen Gründen als Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach auf: Max Eberl.
    Hört aus gesundheitlichen Gründen als Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach auf: Max Eberl. Foto: Marius Becker, dpa

    Der Januar 2021 hat auf Max Eberl bleibenden Eindruck hinterlassen. Im vergangenen Jahr hatte sich der damalige Manager von Borussia Mönchengladbach einen ganzen Monat Auszeit von seinem Arbeitgeber erbeten. Erst kürzlich hatte Eberl über diese Zeit, die er abgesehen von gelegentlichen Besuchen seines Sohnes und eines guten Freundes alleine in einer Berghütte bei Davos in der Schweiz verbracht hatte, geschwärmt: "Das totale Gegenteil von dem, was unser Job sonst hergibt: viele Menschen, Stress, Spannung, Lautstärke."

    Der 48-Jährige dürfte in den vergangenen Wochen oft an diese Zeit zurückgedacht haben – und musste irgendwann erkennen, dass es ihm in seinem Job zu viel wurde. Zu viele Menschen, Stress, Spannung, Lautstärke. Am Freitag gab er auf einer emotionalen Pressekonferenz unter Tränen seinen Abschied bekannt. Er sei erschöpft, müde und habe keine Kraft mehr.

    In Augsburg gibt es eine Anlaufstelle für psychisch erkrankte Leistungssportler

    Die Psychotherapeutin Astrid Röh hat die Ausführungen genau verfolgt – und ist hin- und hergerissen. Einerseits stimme es traurig, einen erkennbar angegriffenen Menschen wie Eberl zu sehen. Andererseits mache sein Schritt jenen, denen es ähnlich geht, Mut. Vielleicht werden einige von ihnen in der nächsten Zeit Kontakt mit Astrid Röh haben: Sie leitet die Spezialambulanz Sportpsychiatrie am Augsburger Bezirkskrankenhaus. Röhs Abteilung ist eines von bundesweit 15 universitären Angeboten, die sich um psychisch erkrankte Leistungssportler kümmern.

    Astrid Röh leitet die Spezialambulanz Sportpsychiatrie an den Bezirkskliniken Schwaben.
    Astrid Röh leitet die Spezialambulanz Sportpsychiatrie an den Bezirkskliniken Schwaben. Foto: Bezirkskliniken Schwaben

    Aufgebaut wurde die Spezialambulanz auf Betreiben der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, eine Kooperation gibt es etwa mit dem FC Bayern München. Anlass dafür war 2009 der Suizid des damaligen Nationaltorhüters Robert Enke. "Es ist schade, zu hören, was Max Eberl beschrieben hat.  Zugleich gibt es immer mehr Menschen, die ihre Probleme öffentlich machen", sagt Röh. Schon jetzt bemerkt die Oberärztin, dass immer mehr Sportler und Sportlerinnen auf ihr Angebot zurückgreifen. "Das ist quer durch alle Sportarten und Altersgruppen hinweg so."

    Fall Max Eberl: Andreas Rettig fordert ein Umdenken

    Dabei gilt das Eingestehen von Schwäche im Leistungssport im Allgemeinen und erst recht im Profi-Fußball als Problem. Der langjährige Bundesliga-Manager Andreas Rettig, aktuell Geschäftsführer des Drittligisten Viktoria Köln, forderte im Express eine andere Sichtweise: "Es muss ein Umdenken erfolgen, dass Urlaube oder Auszeiten nicht als Schwäche gesehen werden. Gerne heißt es ja dann: Der brennt nicht mehr, ist faul." Tatsächlich wurde die Auszeit von Eberl im Januar 2021 innerhalb der Branche kritisch betrachtet.

    Fußball-Manager Andreas Rettig fordert ein Umdenken im Umgang mit psychischen Problemen im Fußball.
    Fußball-Manager Andreas Rettig fordert ein Umdenken im Umgang mit psychischen Problemen im Fußball. Foto: Ulrich Wagner

    Für Röh ist das ein Teil des Problems: "Diese Auszeit hätte ein Anker sein können, an den man anknüpfen hätte können. Aber ein Monat kann nicht ausreichen, um einen wirklichen Abstand von all diesen Stressfaktoren zu erhalten. Und dann gab es ja eben schon währenddessen Kritik daran, dass Eberl sich herausnimmt." Zumindest jetzt war die Resonanz auf den Schritt Eberls eindeutig: Dem 48-Jährigen wurde nahezu ausschließlich Respekt entgegengebracht.

    Aber kann man sich denn wirklich länger herausnehmen in einem Geschäft, in dem man als Manager permanent gefordert ist? Rettig bezeichnete dies so: "Es herrscht eine permanente psychische Belastung, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Montag bis Freitag ist ein Manager im Büro gefordert, Samstag/Sonntag ist Spielbetrieb, dann beginnt wieder die neue Woche." Umso wichtiger sei es, dass der jeweilige Arbeitgeber eine Pause verordnet, so Rettig.

    Krank durch Druck und Stress: Was man tun kann - und was Alarmsignale sind

    Eine emotionale Distanz sei sogar wichtig, um sich rechtzeitige Ruhephasen zu verschaffen, sagt Oliver Stoll. Er leitet den Lehrstuhl für Sportpsychologie an der Universität Halle und sieht die Beziehung, die Eberl während seiner 20 Jahre dauernden Anstellung zu Borussia Mönchengladbach entwickelt hat, durchaus als Grund für die Erschöpfung. Eberl, für den die Borussia "wie ein Kind" gewesen sei, habe nur noch schwer abschalten können. "Eben das ist aber wichtig, um Phasen der Erholung einzubauen", so Stoll – und das wiederum gelte nicht nur für Bundesliga-Manager. Wichtig sei es zudem, ein striktes Selbstmanagement zu haben: Wann ist die Arbeit vorbei, wann beginnt die Erholung? Dass emotionale Distanz in der Bundesliga kritisch betrachtet wird, sei absurd, so Stoll: "Nur weil der Fußball die Sportart Nummer eins ist, ändert das nichts daran, dass der Erholungsprozess genauso stattfinden muss."

    Doch ab wann – und auch das gilt beileibe nicht nur für Protagonisten der Fußball-Bundesliga – wird Stress zu einer gesundheitlichen Gefahr? Wichtig sei es, sagt Astrid Röh, auf dauerhafte Veränderungen bei sich zu achten: "Wenn man über zwei Wochen bemerkt, dass man Schlafstörungen hat, das Interesse an Dingen verloren hat oder ständig gereizt ist, sollte man hellhörig werden." Ein großer Schritt wäre es dann, identifizieren zu können, was die Problematik auslöst, und entsprechend darauf zu reagieren. Das ist aber oft leichter gesagt als getan. Wenn nichts mehr hilft, müsse man sich professionelle Hilfe suchen. Das wiederum habe nichts mit einer persönlichen Schwäche zu tun.

    Bei persönlichen Krisen gibt es eine Vielzahl an Angeboten. Unter www.krisendienste.bayern sind Hilfestellungen aufgelistet, etwa das Krisentelefon. Dieses ist erreichbar unter 0800/6553000.

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