Startseite
Icon Pfeil nach unten
Sport
Icon Pfeil nach unten

Fußball: Klassenerhalt auf der Couch: Wie die Anstoßzeiten die Emotionen killen

Fußball

Klassenerhalt auf der Couch: Wie die Anstoßzeiten die Emotionen killen

    • |
    Selbst Trainer Thomas Tuchel ist bei den Anpfiffzeiten verwirrt.
    Selbst Trainer Thomas Tuchel ist bei den Anpfiffzeiten verwirrt. Foto: Sven Hoppe, dpa (Archivbild)

    Das hatte dann auch Thomas Tuchel nicht mehr auf dem Schirm. In einer Pressekonferenz vor einigen Wochen nahm der Bayern-Trainer Bezug auf das Restprogramm der Bundesliga und sprach davon, dass die Partien der letzten beiden Spieltage ja ohnehin allesamt am Samstagnachmittag um 15.30 Uhr angepfiffen werden. Sofortiger Widerspruch im Presseraum: Stimmt nicht. 

    Tuchel, der die vergangenen Fußballjahre in London und Paris verbrachte, zeigte sich verwundert: "Ist nicht mehr so?" Nein, ist nicht mehr so. Der nun ins Haus stehende 33. Spieltag der Bundesliga wird wie schon im Vorjahr nicht mehr komplett am Samstag um 15.30 Uhr angepfiffen, sondern erstreckt sich wie seine 32 Vorgänger über ein ganzes Wochenende. Lediglich zum Saisonfinale eine Woche später kommen Romantiker auf ihre Kosten und alle neun Spiele finden parallel zur Klassikerzeit am Samstag um 15.30 Uhr statt.

    Vom Spiel des FC Augsburg gegen Dortmund am Sonntag hängt viel ab

    Hintergrund sind natürlich die TV-Verträge, die die Bundesliga abgeschlossen hat. Und hier gilt wieder einmal die Formel: Mehr Anstoßzeiten bieten die Möglichkeit, mehr Sender ins Boot zu holen und letztlich mehr Geld einzunehmen. Während Sky am Samstag alle Spiele überträgt, ist DAZN am Freitag und Sonntag an der Reihe – und wäre nach der alten Regelung nach dem 32. Spieltag an beiden Spieltagen außen vor gewesen. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat den jetzigen Modus bereits nach der Vergabe der TV-Rechte im Sommer 2020 erläutert. Die damals abgeschlossenen Verträge laufen noch bis einschließlich der Spielzeit 2024/25.

    Ursprünglich waren die parallelen Anstoßzeiten eingeführt worden, um Spielmanipulationen vorzubeugen. Zugleich steigerte ein zeitgleiches Geschehen aber auch die Spannung. Bei den Entscheidungen bezüglich Meisterschaft, Europapokal und Klassenerhalt scheint es aber wahrscheinlich zu sein, dass ein Verein von der sprichwörtlichen Couch aus den Nichtabstieg feiern könnte. Konkret könnte das am Sonntagabend den FC Augsburg ereilen, der erst zum 17.30 Uhr das Heimspiel gegen Dortmund austrägt. 

    Wenn der VfB Stuttgart, der zwei Stunden früher in Mainz antreten muss, nicht gewinnt, könnte für den FCA der Ligaverbleib etwa zehn Minuten vor Anpfiff des eigenen Spiels feststehen. Im Gegenzug könnte ein FCA-Sieg gegen den BVB auch die Bayern zum Meister machen, sofern diese zuvor drei Punkte gegen Leipzig geholt haben. Ein Umstand, der Bayern-Präsident Herbert Hainer bekanntermaßen schon dazu verleitet hat, Augsburg für den Fall eines Sieges eine Bierladung anzubieten.

    Beim Gegner aus Dortmund läge damit der Druck – die Spielplangestaltung sorgt für Verdruss bei den Schwarz-Gelben. Dass der FC Bayern zuletzt immer vor dem BVB spielte und damit vorlegen konnte, empfindet man in Dortmund als recht validen Nachteil. Sportdirektor Sebastian Kehl sagte unlängst dazu: "Wir können es nicht verändern, uns hat keiner gefragt. Wenn Sie mich ehrlich fragen, empfinde ich das als einen gewissen Nachteil, wenn man dreimal nachzieht in den nächsten drei Wochen." Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Neugestaltung des Spieltags im Zuge der Ausschreibung der TV-Rechte hat der BVB vor drei Jahren mitgetragen und ist zusammen mit den Bayern der größte Profiteur von höheren TV-Einnahmen. Etwa eine Milliarde Euro werden pro Saison auf die 36 Klubs der 1. und 2. Bundesliga ausgeschüttet.

    Ein Fan-Vertreter kritisiert Ansetzungen: "Wieder eine Entscheidung für das Geld"

    Aber muss es denn immer so viel sein? Der Fan-Zusammenschluss "Unsere Kurve" beantwortet das mit einem klaren Nein und fordert seit Jahren, die Auffächerung des Spieltags zurückzufahren. "Der Fußball verkommt mehr und mehr zu einer kapitalistischen Ware: Die Vermarktung dieser Ware steht in den meisten Fällen nach wie vor über den Interessen der Fußballfans in den Stadien", heißt es in einem Positionspapier der Vereinigung. Jost Peter, der Vorstandsmitglied des Fan-Bündnisses ist, beklagt im Hinblick auf die Anstoßzeiten: "Es ist hier wieder eine Entscheidung für das Geld und gegen die sozialen Aspekte im Fußball getroffen worden." Das gehe damit los, dass der Saisonabschluss für die Fans immer schwerer zu planen ist. Statt Planungssicherheit am 33. Spieltag heißt es nun, auf die Entscheidung der DFL zu warten, wann genau der eigene Klub nun sein letztes Heim- oder Auswärtsspiel hat. "Die letzten beiden Spiele sind immer Anlass für gemeinsame Fahrten, gemeinsame Erlebnisse. Für Fans, die den Fußball im Stadion erleben, ist der Saisonabschluss ein wichtiges Element der Saison. So wird er den Fans aber weggenommen."

    Jost Peter ist Vorstandsmitglied des Vereins „Unsere Kurve“, in dem sich Fan-Organisationen von der Bundesliga bis zur Regionalliga zusammengeschlossen haben.
    Jost Peter ist Vorstandsmitglied des Vereins „Unsere Kurve“, in dem sich Fan-Organisationen von der Bundesliga bis zur Regionalliga zusammengeschlossen haben. Foto: Jost Peter

    Und noch ein Punkt kommt für den Fan-Vertreter zum Tragen: Eine zeitgleiche Spielansetzung vermindert das Risiko, dass sich zwei Teams auf ein Ergebnis einigen, das beiden dabei hilft, ihre Ziele zu erreichen: eine Absprache. "Letztlich wird die Integrität und Fairness des Wettbewerbs damit beschädigt", so Peter. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden