Dunkelhäutige Fußball-Nationalspieler waren in Deutschland bis in die 1970er Jahre hinein die absolute Ausnahme. Der Offenbacher Erwin Kostedde war der erste Schwarze Nationalkicker in der DFB-Elf. Ihm folgte William Georg Hartwig - oder Jimmy, wie er überall genannt wurde. Er trug ebenfalls als farbiger Deutscher das Trikot der Fußball-Nationalmannschaft. Der Mittelfeldspieler absolvierte gegen Irland und Island zwei Begegnungen im DFB-Team. Eigentlich viel zu wenig, behaupteten viele Experten. Das macht ihm auch heute noch zu schaffen. „Darunter leide ich immer noch“, sagte er kürzlich dem Fachmagazin Kicker in einem Interview. Am Samstag feiert Hartwig seinen 70. Geburtstag.
In den 1970er und 80 Jahren galt er als Ausnahmeerscheinung in den deutschen Stadien. Und das weniger wegen seiner Hautfarbe, sondern vor allem wegen seiner sportlichen Klasse. Der gebürtige Hesse, Sohn eines amerikanischen Soldaten und einer Deutschen, galt auch als Profi mit Ecken und Kanten. Er war ein Lebemann, Paradiesvogel, aber auch ein Querdenker und Kämpfer.
Jimmy Hartwig: Ein Leben zwischen Triumph und Rassismus
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's gänzlich ungeniert. Dachte sich vermutlich der junge und sehr talentierte Fußballer zunächst eine ganze Weile. Er hatte es nicht leicht. Hartwig war allerdings nicht einfach, galt als schwieriger Typ. Doch er lernte dazu, wusste, dass er nicht nur auf dem Rasen, sondern vor allem abseits der Plätze mehr anbieten musste als manch anderer. Das Fußball-Einmaleins lernte er bei seinem Heimatverein, den Offenbacher Kickers. Dort hatte er seine Förderer. Er wuchs in einem Offenbacher Problemviertel, der Kirchenallee bei seiner Mutter und dem Großvater auf, der Verein wurde zu seiner Heimat.
1974 wechselte er zum TSV 1860 München, mit dem er in die Bundesliga aufstieg. 1978 holte ihn Manager Günter Netzer zum damaligen Branchenriesen Hamburger SV an die Elbe. Unter Trainer Ernst Happel nahm seine Karriere so richtig Fahrt auf. Sechs Jahre spielte er im Norden, Jimmys größte Erfolge waren die drei Deutschen Meisterschaften mit dem HSV, beim Europapokalsieg des Vereins 1983 gegen Juventus Turin musste er zusehen, Hartwig war wegen einer Gelben Karte gesperrt. Aber immer wieder begegnete er wegen seiner Hautfarbe Rassismus und offener Feindseligkeit. „Jimmy Hartwig, das Negerschwein,“ sangen die Fans. Bis zu seinem unfreiwilligen Abgang im Jahr 1984 macht Hartwig insgesamt 182 Bundesliga-Spiele für den HSV.
Der Paradiesvogel stürzte ab
Dass er in Hamburg rausflog, hatte Gründe. Im Februar 1984 besuchte der Fußballer einen Faschingsball, offiziell hatte er sich krankgemeldet. Bei Happel hatte er verspielt. Am Saisonende gaben ihn die Hamburger an den 1. FC Köln ab, obwohl ihn dessen Trainer Hannes Löhr eigentlich nicht wollte. Schon im Oktober 1985 ist für Hartwig am Rhein nach nur 24 Liga-Einsätzen (5 Tore) Schluss.
Der Paradiesvogel stürzte ab. Er zog durch Bars und Diskotheken. Dazu sorgte eine Knie-OP nach einem erfolglosen Neustart bei Bundesliga-Aufsteiger FC 08 Homburg 1987 für sein endgültiges Karriere-Ende. Für die Saarländer macht er nur vier Liga-Spiele. 1991 und 1993 wurden Krebserkrankungen diagnostiziert, die der Kämpfer ebenso wie zwei Selbstmordversuche überstand. 1989 lotste ihn der Augsburger Spielhallenzar Peter Eiba als Trainer zum FC Augsburg. Als Nachfolger des Fuggerstädter Idols Hemut Haller sollte er den Verein in den Profifußball zurückführen. Sportlich lief's auch wie am Schnürchen: Nach sieben Spielen standen 13:1-Punkte zu Buche. Trotzdem stellt ihm Peter Eiba kurz vor Weihnachten, am Abend vor einem Spiel beim TSV 1860 München, den Stuhl vor die Tür. Angeblich liebäugelte Hartwig mit einem Wechsel zu den Münchner Löwen.
Als Integrationsbeauftragter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat der ehemalige Nationalspieler nun eine neue Aufgabe gefunden. Eine Rolle, die er sehr ambitioniert wahrnimmt. 2002 schlug er weitere neue Karriere-Wege ein, wurde Theater- und Fernsehschauspieler. Unter anderem an der Seite des nicht minder exzentrischen Ben Becker. Hartwig lebt mit seiner Familie inzwischen am Ammersee.
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