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Interview: Heidenheims Frank Schmidt: "Das ist hier nicht der 1. FC Frank Schmidt"

Interview

Heidenheims Frank Schmidt: "Das ist hier nicht der 1. FC Frank Schmidt"

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    Heidenheims Trainer Frank Schmidt steht vor dem Spiel im Stadion.
    Heidenheims Trainer Frank Schmidt steht vor dem Spiel im Stadion. Foto: Tom Weller, dpa

    Herr Schmidt, kann es sein, dass ein Ticket für ein Heimspiel des 1. FC Heidenheim gerade die härteste Währung auf der Ostalb ist?

    Frank Schmidt: Das kann man wohl sagen. Am Tag, als die Dauerkarten in den Mitglieder-Verkauf gingen, gab es eine riesige Schlange. Ich habe mir das ansehen können, weil ich mittags in unserem Albstüble zum Essen gegangen bin. Und in drei Stunden waren alle Karten weg, die für Mitglieder zur Verfügung waren. Dazu hat fast jeder, der letztes Jahr eine Dauerkarte besaß, von seinem Recht Gebrauch gemacht, sein Ticket zu verlängern. Am Ende haben wir bei 9000 Dauerkarten den Verkauf gestoppt, um auch noch Einzelkarten verkaufen zu können.

    Die Euphorie in Heidenheim – sie ist ja beinahe mit Händen zu greifen, oder?

    Schmidt: Mit dem Aufstieg sind endgültig gefühlt alle mit dem FCH-Virus infiziert. Auch diejenigen, die – das meine ich nicht abwertend – eigentlich gar nichts mit Fußball zu tun haben, sind jetzt mit Herz dabei. Ich bin immer auf dem Heidenheimer Wochenmarkt, der ist Weltklasse. Neulich kam eine ältere Frau auf mich zu und hat gesagt: Fußball interessiert sie jetzt nicht so, aber was ihr mit dem Verein geschafft habt – das ist schon spitze. Heidenheim ist aber nicht nur Fußball, sondern hat auch ein großes kulturelles Angebot. Es gibt die Opernfestspiele, das Naturtheater, hier ist richtig viel geboten.

    Aber Herr Schmidt, bei allem Respekt fürs Naturtheater: Die Visitenkarte der Stadt – das ist jetzt endgültig der Bundesligist 1. FC Heidenheim. Wenn jemand aus Kiel gefragt wird, was er mit der Stadt verbindet, wird das sehr wahrscheinlich der FCH sein.

    Schmidt: Ja, das ist doch gut. Der FCH hat eine große Bedeutung. Aber es ist auch eine Verantwortung für uns. Wir müssen hart arbeiten, um dieser Vorbildfunktion gerecht zu werden. Die Emotionen spielen eine große Rolle, nirgendwo sonst werden so viele Emotionen zugelassen wie im Fußball.

    Wie fühlt sich das an, so eine Art Markenbotschafter der Stadt zu sein? Das ist ja Ihre Stadt, Sie sind im Krankenhaus neben der Voith-Arena auf die Welt gekommen.

    Schmidt: Identifikation spielt eine große Rolle für mich. Und deswegen darf ich auch über die Menschen hier reden: im positiven wie im negativen Sinn. Mir und dem Verein geht es um Werte, deswegen richten wir unser Handeln danach aus. Ich bin ein Kind der Region, in Heidenheim geboren und in Giengen an der Brenz aufgewachsen. Jetzt wohne ich in Bayern, im Landkreis Dillingen, und es ist aber auch gut so, dass ich ein wenig Abstand habe.

    Sie landeten bei der Wahl zum Trainer des Jahres des Kickers auf Platz 2 hinter Union-Coach Urs Fischer. Was bedeutet Ihnen das?

    Schmidt: Platz zwei, das ist der erste Verlierer.

    Echt jetzt?

    Schmidt: Nein, das war ein Spaß. Aber jeder, der mich kennt, weiß: Ich bin ein Wettkampftyp, ein Mensch, der in der Gegenwart lebt. Mich interessiert nur die nächste Aufgabe. Was daraus gemacht wird, kann ich nicht beeinflussen. Das gehört zum Job dazu.

    Das bedeutet Ihnen nichts, der zweitbeste Trainer der vergangenen Saison zu sein?

    Schmidt: Natürlich ist das eine Bestätigung für meine Arbeit. Aber es ärgert mich auch: Da ist überall mein Gesicht drauf, mein Name. Aber was ist mit meinem Trainerteam, mit dem ich schon so lange zusammenarbeite? Die geben mir auch Energie und Qualität. Und von denen spricht niemand.

    Heidenheims Marvin Rittmüller (von links), Dzenis Burnic, Tim Kleindienst und Torwart Kevin Müller feiern den erstmaligen Aufstieg in die Fußball-Bundesliga mit der Meisterschale.
    Heidenheims Marvin Rittmüller (von links), Dzenis Burnic, Tim Kleindienst und Torwart Kevin Müller feiern den erstmaligen Aufstieg in die Fußball-Bundesliga mit der Meisterschale. Foto: Heiko Becker, dpa

    Nach dem Bundesliga-Aufstieg ist Ihre Biografie „Unkaputtbar“ erschienen. Darin ist zu lesen, dass Ihre Frau einen speziellen Spitznamen für Sie hat, Sie sind der Teilchenbeschleuniger. Das ist nicht nur positiv gemeint, zeigt aber Ihre akribische Arbeitsweise, oder?

    Schmidt: Definitiv. Sie beschriebt das ja in dem Buch auch selber. Das hat auch was damit zu tun, dass ich rastlos bin, sprunghaft, manchmal nicht richtig zur Ruhe komme. Sie weiß aber auch: Ich muss in diesem Bereich laufen, um gut zu sein. Aber ich habe gelernt, mir auch mal Zeit zu nehmen.

    Eine wichtige Rolle dürfte dabei ein Vorfall aus dem Jahr 2017 gespielt haben. Nach einer verschleppten Muskelverletzung erlitten Sie eine Lungenembolie und schwebten in Lebensgefahr. Wie hat Sie das verändert?

    Schmidt: Im Fußballgeschäft musst du stark sein. Und dann habe ich gesehen, dass es wirklich innerhalb von Sekunden vorbei sein kann. Ich versuche mir schon, meine Zeit zu nehmen, gelassener zu sein. Aber diese Erfahrung kann mich nicht so verändern, dass ich jetzt eine komplett andere Person bin. Ich brauche keine Ruhe. Bei mir würden die Probleme erst losgehen, wenn's mal ruhig wird. Ich muss 100 Prozent geben, und wir können uns nicht viele Fehler erlauben, erst recht nicht jetzt in der Bundesliga.

    Sportlich ist der FC Heidenheim glasklar in der Rolle des Außenseiters. Was spricht dafür, dass der Verein die Klasse hält?

    Schmidt: Ganz einfach: unsere DNA hier. Wir waren schon oft in der Situation, dass viele uns gesagt haben: Wenn Ihr euch jetzt nicht ändert, dann wird es nicht reichen. Das haben wir so oft gehört, nach jedem Aufstieg, nach jedem neuen Entwicklungsschritt. Aber unser Kollektiv, unser Zusammenhalt – das alles ist ja nicht auf individuelle Qualität ausgelegt. Sondern auf unbändigen Willen, Zusammenhalt und Geschlossenheit.

    Und dann kommt noch dazu, dass Sie alle Leistungsträger halten konnten – im Gegensatz zu Ihrem Mitaufsteiger Darmstadt etwa. Angebote muss es für Ihre Spieler wie Tim Kleindienst, der Torschützenkönig wurde, doch gegeben haben.

    Schmidt: Ich kann als Trainer ja nichts fordern. Aber ich habe mir das schon gewünscht. Wir sind in die Bundesliga aufgestiegen. Wenn du dann deine stärksten Spieler verlieren würdest, dann würde ich mich als Trainer schon fragen: Wofür haben wir das eigentlich gemacht? Aber der Aufstieg darf kein Selbstzweck sein, es muss der Glaube da sein, dass wir uns in der Bundesliga festbeißen können. Klar ist es so, dass wir auf Transfererlöse angewiesen sind. Natürlich gab es Angebote für unsere Spieler. Aber alle Leistungsträger haben auch langfristige Verträge – und ich bin sehr dankbar, dass alle gehalten werden konnten.

    Aber mussten Sie vielleicht beim ein oder anderen Überzeugungsarbeit leisten?

    Schmidt: Am Ende, glaube ich, wissen die Spieler genau, was sie hier haben. Wenn Sie das Beispiel von Tim Kleindienst ansprechen: Wenn man die Leihgeschäfte dazuzählt, haben wir den viermal verpflichtet. Er weiß, dass er hier optimal funktioniert und seine Stärken ausleben kann.

    Heidenheims Vorstandsvorsitzender Holger Sanwald (links) jubelt mit Heidenheims Trainer Frank Schmidt nach dem Spiel über den Aufstieg und die Meisterschaft in der 2. Bundesliga.
    Heidenheims Vorstandsvorsitzender Holger Sanwald (links) jubelt mit Heidenheims Trainer Frank Schmidt nach dem Spiel über den Aufstieg und die Meisterschaft in der 2. Bundesliga. Foto: Tom Weller, dpa

    Ihr Vorstandschef Holger Sanwald hat gesagt: "Ich weiß schon sehr genau, welcher Spielertyp bei Frank Schmidt funktioniert und welcher nicht. Ich kenne ihn in- und auswendig. Es gibt ein klares Anforderungsprofil, klare Erfahrungswerte." Welcher Spielertyp funktioniert denn bei Ihnen?

    Schmidt: Erst mal muss ich Holger widersprechen: In- und auswendig kennt er mich nun auch nicht, zu 95 Prozent vielleicht. (lacht) Aber zurück zur Frage: Ein Spieler muss bei mir ehrlich sein. Er muss bereit sein, seine Qualität zu 100 Prozent der Mannschaft zur Verfügung zu stellen. Er muss kritikfähig sein und eine direkte Ansprache vertragen können. Bei mir gibt es nichts gefiltert. Kein Spieler soll beim 1. FC Heidenheim aus Dummheit, Faulheit oder Bequemlichkeit handeln.

    Das Kriterium Deutschsprachigkeit haben Sie jetzt ausgelassen – das scheint aber auch wichtig zu sein. Wie im Vorjahr spricht jeder Spieler deutsch.

    Schmidt: Na ja, wir haben auch zwei Österreicher im Kader (lacht).

    Guter Punkt. Aber abseits davon?

    Schmidt: Ich könnte mich mit jedem Spieler auch auf Englisch unterhalten. Aber Kommunikation beginnt beim Empfänger. Mein Gegenüber sollte schon verstehen, was ich sage. Kommunikation ist für uns sehr wichtig. Ich arbeite viel mit Sprache und Emotion, gebe viel Feedback. Im Leben, aber auch im Sport ist die Gefahr, dass man aneinander vorbeiredet, groß. Dadurch entstehen Missverständnisse. Und Missverständnisse, runtergebrochen auf ein Fußballspiel, bedeuten: falsche Laufwege, falsche Absicherung. Dazu kommt: Wir bilden hier in Deutschland so viele Spieler aus. Das Potenzial an Spielern ist viel zu groß. Ich hätte auch kein Problem, einen Spieler zu holen, der erst noch Deutsch lernen muss. Aber bislang haben wir immer zu uns passende Spieler gefunden, die deutsch gesprochen haben.

    Sie sind seit 16 Jahren Trainer in Heidenheim – und stechen mit dieser Bodenständigkeit im schnelllebigen Fußball heraus. Was sagt das über das Geschäft aus?

    Schmidt: Das weiß ich jetzt nicht, ich kann nicht jeden Verein, jeden Spieler bewerten. Ich kann nur sagen, dass ich aus verschiedenen Gründen bodenständig bin. Ich habe ganz normal in einem Bürojob gearbeitet. Nach meiner Profikarriere war ich bei unserem langjährigen Sponsor, der Paul Hartmann AG, für den Devisenhandel zuständig. Meine Frau und meine Töchter sind alle Krankenschwestern. Wenn ich sehe, was die leisten, relativiert das vieles. Und ich weiß, dass man sich als Fußballer nicht zu wichtig nehmen sollte.

    Im September werden Sie 16 Jahre Trainer des 1. FC Heidenheim sein und damit Volker Finke als Trainer mit der längsten Zugehörigkeit ablösen. Was bedeutet Ihnen das?

    Schmidt: Besonders ist, dass ich fast ein Drittel meines Lebens ungefähr Trainer bin in Heidenheim. Das zeigt dann immer, welche Spanne das letztendlich war. Aber so ein Jubiläum, das habe ich schon oft betont, bedeutet mir überhaupt nichts. Ich bin heute schon froh, wenn der Tag vorbei ist und wir uns wieder aufs Sportliche konzentrieren können, weil das für mich einfach nicht wichtig ist. Das ist hier nicht der 1. FC Frank Schmidt, sondern der 1. FC Heidenheim. Bei uns arbeiten mittlerweile 150 Leute in Festanstellung, insgesamt sind es 450 Personen. Wir haben über 500 Partner und Sponsoren, mittlerweile 8.500 Mitglieder. Wenn das Jubiläum kommt, ist es eine Anerkennung für uns alle und nicht nur für mich.

    Hat es Sie nie gereizt, mal bei einem anderen Verein an der Seitenlinie zu stehen? Angebote gab es doch zuhauf.

    Schmidt: Es geht um Verlässlichkeit. Jeder, der mich kennt, weiß: ein Handschlag, eine Zusage – das zählt. Ich kann das doch nicht von meinen Spielern einfordern und selbst der Erste sein, der einen Abflug macht bei einem Angebot.

    Volksnah: Heidenheims Trainer Frank Schmidt (rechts) feiert den erstmaligen Aufstieg in die Fußball-Bundesliga mit den Fans.
    Volksnah: Heidenheims Trainer Frank Schmidt (rechts) feiert den erstmaligen Aufstieg in die Fußball-Bundesliga mit den Fans. Foto: Heiko Becker, dpa

    Das heißt aber auch: Wenn ihr Vertrag gerade ausgelaufen wäre und ein Verein Ihnen ein Angebot unterbreitet hätte, wären sie schon gesprächsbereit gewesen.

    Schmidt: Fakt ist: Mein Vertrag ist einfach nie ausgelaufen. Im Jahr 2027 läuft er aus. Und dann gibt es zwei Möglichkeiten: Ich verlängere noch mal und geh dann hier in Fußball-Rente, oder ich mache noch mal was ganz anderes. Beides ist vorstellbar.

    Stimmt es eigentlich, dass auch der FC Augsburg mal an Ihnen interessiert war?

    Schmidt: Ich sage grundsätzlich nichts zu Angeboten. Mich stört es selbst, wenn ich höre, wer angeblich mal wie viel Angebote gehabt hat von welchem Verein. Da müssten ja bei jedem Verein drei Trainer unter Vertrag stehen. Ich brauche das nicht für mein Ego. Es gab mal was in der Vergangenheit. Das weiß der Verein auch. Und es gab ein Angebot, bei dem der interessierte Verein gefordert hat, dass ich nicht sofort absage, sondern zumindest eine Nacht drüber schlafe. Dann habe ich das gemacht, weil ich den Anrufer sehr respektiert habe. Und dann habe ich eben am nächsten Tag abgesagt.

    Wer war denn das?

    Schmidt: Netter Versuch. Aber zur Wahrheit gehört es auch: In den letzten Jahren gab es ohnehin keine Angebote mehr.

    Es hat ja jeder gewusst, dass es bei Ihnen nichts zu holen gibt.

    Schmidt: Vielleicht, ja.

    Aber vielleicht machen sie nach dem Ablauf des Vertrags 2027 ja etwas völlig anderes. Ein Traum von Ihnen ist, zusammen mit einem Freud eine Tapas-Bar zu eröffnen. Ist das noch aktuell?

    Schmidt: Und wie! Es ist eine Tapas- und Espressobar, also zumindest in der Vision. Ich liebe spanische Tapas über alles, es gibt einfach nichts Besseres. Und der Freund von mir, mit dem ich den Traum habe, ist ein halber Barista. Ich weiß nicht, ob es in jedem Fall dazu kommen wird. Fußball ist und bleibt das, was ich am besten kann. Aber man braucht im Leben Ziele!

    Und wie gut können Sie Tapas zubereiten?

    Schmidt: Sagen wir mal so: Ich würde mich um die Kasse und die Garderobe kümmern. (lacht)

    Zur Person: Frank Schmidt, 49, ist seit dem 17. September 2007 Trainer des 1. FC Heidenheim. Seine Trainerkarriere startete er nur drei Monate zuvor als Co-Trainer des 1. FC Heidenheim. Als Profi lief Schmidt u. a. für den 1. FC Nürnberg, den TSV Vestenbergsgreuth, den Wiener SC, Alemannia Aachen und Heidenheim auf. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter.

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