Das 1000. Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft hatte eine klare Vorgabe: Ein Fußballfest für Jung und Alt sollte es werden, die Solidarität mit dem Gegner Ukraine sollte im Mittelpunkt stehen. Die Einnahmen aus TV-Honorar, Bandenwerbung und Ticketverkäufen werden für Projekte des DFB in dem Land verwendet, das seit eineinhalb Jahren durch den Angriffskrieg Russlands gebeutelt wird. Die Anstoßzeit um 18 Uhr war gewählt worden, um auch vielen jungen Fans die Möglichkeit zu bieten, ins Stadion gehen zu können. Sportlich lief aber längst nicht alles nach Plan. Stattdessen gab es einige ungeplante sportliche Geschenke an die Gäste – und letztlich stand ein glückliches 3:3-Remis der deutschen Elf zu Buche.
Dabei war vieles für die große Party bereit gewesen, das Umfeld des Stadions hatte den Charakter eines Volksfestes: Auf einer digitalen Torwand konnten Fans ihre Schusskraft testen, dazu gab es Gelegenheiten für Selfies, überall wurden Fahnen und sonstige Fan-Utensilien gereicht. Bis kurz vor Anpfiff drehte ein am Spielfeld postierter DJ eifrig an Reglern. Der erste Jubel der Fans im Weserstadion brandete schon vor Spielbeginn auf: als bei der Mannschaftsaufstellung der Name von Werder-Stürmer Niclas Füllkrug verlesen wurde. Bundestrainer Flick hatte dem Angreifer eine Einsatzgarantie gegeben. Auch der erste Aufreger des Spiels ging auf das Konto Füllkrugs. Nach 90 Sekunden kam er nach einem Fehlpass von Mykhailo Mudryk frei vor Keeper Anatoliy Trubin an den Ball, hätte sich die Ecke aussuchen können – und schoss vorbei.
Vier Minuten später kam er aber zu seinem siebten Tor im siebten Länderspiel: Einen Schuss von BVB-Spieler Marius Wolf fälschte er per Knie unhaltbar zum 1:0 ab (6.). Damit ist Füllkrug der erst fünfte deutsche Nationalspieler, der in fünf aufeinanderfolgenden Länderspielen getroffen hat. Und das auch noch in seinem Weserstadion.
Stichwort Bremen: Um die Hansestadt hatte der DFB lange Zeit einen Bogen gemacht, wenn es um die Austragungen von Länderspielen ging. Ende Februar 2012 fand dort das letzte Länderspiel statt. Hintergrund war der vom Stadtstaat angestoßene Streit um die Übernahme von Polizeikosten bei Profi-Fußballspielen. Mittlerweile sind hier die Wogen geglättet, die Partie am Montagabend gilt als Brückenschlag.
Wie anfällig die deutsche Nationalmannschaft aber weiterhin in ihrer Defensive ist, wurde wenig später mal wieder schmerzhaft deutlich: Nach einem Fehlpass von Julian Brandt kurz vor dem Strafraum konterten die Gäste – und schossen in Person von Viktor Tsygankov zum Ausgleich (18.). Doch damit nicht genug: Nach einem Ballverlust von David Raum kombinierte sich die Ukraine wieder schnell vors deutsche Tor – und diesmal war es Mudryk, der abzog. Weil Antonio Rüdiger dessen Schuss noch abfälschte, zählte das als Eigentor (23.). Mudryk, für den der FC Chelsea im Januar 70 Millionen Euro Ablöse an Donezk bezahlt hatte, war einer der auffälligsten Spieler auf dem Platz.
Statt des Ausgleichs gab es den nächsten dicken Patzer in der deutschen Hintermannschaft zu sehen
In der Folge bot sich ein bekanntes Bild bei Spielen mit Beteiligung der Nationalmannschaft. Das Team von Hansi Flick hatte deutlich mehr Ballbesitz, belagerte den Strafraum der Ukraine förmlich – und kam doch kaum zu Chancen gegen die gut gestaffelten Ukrainer. Die wiederum waren durch Konter über den blitzschnellen Mudryk immer brandgefährlich. Gefährlich wurde es in der ersten Halbzeit noch bei einem Freistoß von Leroy Sané, der an die Latte klatschte (45.+2). Flick reagierte, brachte Lukas Klostermann für Niko Schlotterbeck und Kai Havertz für Niclas Füllkrug.
Statt des Ausgleichs gab es den nächsten dicken Patzer in der deutschen Hintermannschaft zu sehen: Matthias Ginter vertändelte den Ball im eigenen Strafraum – und erneut war es Tsygankov, der eiskalt den Fehler ausnutzte und das 3:1 erzielte (56.). Deutschland stellte personell nochmals um, ohne aber die erhoffte Durchschlagskraft zu entwickeln. Es fehlte an klaren Ideen, auch im Spiel nach vorne scheiterte die DFB-Elf an schlampigen Abspielen. Das Publikum quittierte den fahrigen Auftritt mit Pfiffen. In diese Phase fiel der Anschlusstreffer: Kai Havertz verwertete einen langen Ball von Rüdiger, setzte sich durch und schob zum Anschluss ein (83.). Endlich war wieder Feuer im Spiel – und tatsächlich kam Deutschland noch zum Ausgleich: Kimmich verwandelte einen Foulelfmeter zum 3:3 (90.+1). Havertz war zuvor gefoult worden.