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Fußball: Frauen im Leistungssport: Den Zyklus im Blick

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Frauen im Leistungssport: Den Zyklus im Blick

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    Die Fußballerinnen des FC Bayern dominieren die Bundesliga. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass sie in der Trainingssteuerung neue Wege gehen.
    Die Fußballerinnen des FC Bayern dominieren die Bundesliga. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass sie in der Trainingssteuerung neue Wege gehen. Foto: Marius Becker, dpa

    Die Frauenmannschaft des FC Bayern München spielt eine erfolgreiche Saison. Sie ist nicht nur deutscher Meister, auch in einer anderen Angelegenheit sind sie der Konkurrenz um Längen voraus: Als eine der wenigen deutschen Mannschaften trainieren die Münchnerinnen angepasst an ihren Menstruationszyklus. Vielleicht ist das eines ihrer Erfolgsgeheimnisse. 

    Um zu wissen, in welcher Phase sie sich befinden, tracken die Spielerinnen des FC Bayern ihren Zyklus. "Wir füllen täglich einen Fragebogen aus, um das Trainerteam zu informieren, wo wir uns befinden", verrät Stürmerin Klara Bühl: "Frühmorgens gibst du in einer Belastungsapp an, wie du dich fühlst, ob du deine Tage hast oder wie du geschlafen hast." Die Informationen werden ausgewertet und fließen in die Trainingsbesprechung und Belastungssteuerung ein. In Absprache mit Athletiktrainer Hamid Masoum Beygi wird dann der aktuelle Trainingsplan individuell an die Bedürfnisse der Spielerinnen angepasst.

    Zyklusbasiertes Training steuert die Belastung individuell

    Zyklusbasiertes Training heißt es, wenn der Sportplan an den hormonellen Haushalt des weiblichen Körpers angepasst wird. Vor allem der Eisprung und die unmittelbaren Tage davor können für Sportlerinnen dabei eine wichtige Rolle spielen. Hier wird besonders viel Östrogen gebildet – ein Hormon, das eine anabole Wirkung hat und daher beim Muskelaufbau von besonderem Vorteil ist. Krafttraining könnte Athletinnen in diesem Zeitfenster also leichter fallen. Nach dem Eisprung, in der zweiten Zyklushälfte, dominiert hingegen das Progesteron. Das wiederum kann die anabolen Effekte des Östrogens aufheben, auch die Verletzungsanfälligkeit könnte dadurch steigen.

    So zumindest die Theorie, erklärt Johannes Kirsten, leitender Sportmediziner am Universitätsklinikum Ulm: "Das Problem an der ganzen Sache ist, dass dieser Hormonspiegel von Frau zu Frau unterschiedlich ist. Welchen Einfluss der Zyklus auf die Frauen hat, ist sehr individuell." Allgemeine Trainingsempfehlungen auszusprechen sei daher schwierig. Dennoch sei es sinnvoll, sich vor allem individuell mit dem Zyklus im Sport zu beschäftigen, sagt Kirsten: "Unsere ganze Trainingslehre ist ja aus den Daten von Männern abgeleitet. Und da macht es durchaus Sinn, einen Trainingsplan zu machen, der auf diesen 28-Tage-Zyklus Rücksicht nimmt." Dabei könne jede Athletin das für sich selbst tracken, um zu verstehen, ob es Tage gibt, an denen es ihr besonders schlecht geht. Wichtige Trainingseinheiten könne man dann in die leistungsstärkeren Wochen legen.

    In einer Mannschaftssportart muss ein Mittelweg gefunden werden

    Stark individualisierte Trainingspläne lässt der Mannschaftssport aber nicht immer zu. Die Frauenmannschaft des FC Bayern hat einen Mittelweg gefunden. Zyklusadaptiert statt zyklusbasiert, nennt Athletiktrainer Hamid Beygi diese Trainingsform: "Eine Einzelsportlerin kann gegebenenfalls zyklusbasiert trainieren, ja", im Teamsport müsse man aber flexibler planen: "Die Menstruation und die Länge des Zyklus ist sehr individuell. Es ist zudem schwierig, die genaue Phase zu erkennen, in der sich eine Spielerin genau befindet. Das sind alles individuelle Faktoren, die wir in unserem Trainingsalltag berücksichtigen müssen." Das Tracking des Zyklus hilft Beygi jedoch trotzdem, seine Mannschaft besser zu verstehen: Er kenne die Zyklen der Spielerinnen mittlerweile gut und kann flexibel und tagesformabhängig darauf reagieren: "Wir nehmen jemanden raus, wenn die Schmerzen zu Beeinträchtigungen führen, wir lassen jemanden adaptiert trainieren, manche Trainingsformen machen sie nicht mit, wenn sie zu intensiv sind."

    Hemmschwelle verhindert eine offene Kommunikation

    Dass Trainer und Athletinnen offen über den Zyklus sprechen, ist nicht selbstverständlich, sagt Sportmediziner Kirsten: "Die Hemmschwelle für die Athletinnen, mit ihrem Trainerteam über menstruelle Beschwerden zu reden, ist oft relativ hoch. Viele haben noch gar kein Verständnis dafür, dass sie da frei darüber sprechen können, ohne Nachteile befürchten zu müssen." Alleine schon, um das Thema zu enttabuisieren, lohne es sich, den weiblichen Zyklus im Sport mitzudenken. Das bestätigt auch Bayern-Stürmerin Klara Bühl: "Ich glaube, dass es auf jeden Fall auch eine mentale Komponente hat. Wenn du im Training offen über deinen Zyklus reden kannst, fühlst du dich einfach wohler."

    In der Forschung wird derzeit viel über die Bedeutung des Menstruationszyklus im sportlichen Kontext diskutiert. Einen klaren wissenschaftlichen Konsens gebe es noch nicht, auch weil die Studien bisher zu unterschiedliche Ansätze verfolgen, erklärt Kirsten. Einig sind sich Theoretiker und Praktiker jedoch darin, dass der weibliche Zyklus im Sport mehr Beachtung bekommen sollte.

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