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Fußball-EM: Die "Lionesses" feiern ein englisches Sommermärchen

Fußball-EM

Die "Lionesses" feiern ein englisches Sommermärchen

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    Fans feiern die britische Frauen-Fußball-Mannschaft auf dem Trafalgar Square in London.
    Fans feiern die britische Frauen-Fußball-Mannschaft auf dem Trafalgar Square in London. Foto: Kirsty O Connor, Imago

    Vor drei Jahren, zur Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen, ist Rachel Gould mit ihrem Freundeskreis durch ganz Frankreich gereist, immer dem englischen Team hinterher. Sie haben Menschen aus aller Welt getroffen, zusammen gefeiert. „Es war großartig“, sagt Gould heute.

    Um diese Stimmung auch nach London zu holen, hat sie deshalb vor drei Monaten – pünktlich zur Europa-Meisterschaft in England – mit Freundinnen eine Art Fußball-Kollektiv gegründet: Sie nennen sich Baller FC und organisieren Public Viewings in einem Pub, wobei dieser Begriff eigentlich zu klein ist. „Wir reden lieber von Mini-Fußball-Festivals“, sagt Gould. Künstler und Künstlerinnen schauen vorbei, freitags und samstags legt ein DJ nach den Spielen auf und, das ist Gould besonders wichtig: Jedes einzelne Spiel wurde in den vergangenen Wochen gezeigt, mit Ton – eine Besonderheit in

    Rachel Gould hat gemeinsam mit Freundinnen "Baller FC" gegründet. Gemeinsam veranstalten sie Public Viewings in London.
    Rachel Gould hat gemeinsam mit Freundinnen "Baller FC" gegründet. Gemeinsam veranstalten sie Public Viewings in London. Foto: Sj Thomson

    Wenn die Lionesses, wie das Team von Trainerin Sarina Wiegman genannt wird, am Sonntag im traditionsreichen Wembley-Stadion in London auf die deutschen Spielerinnen treffen, dann könnte auch dieses Spiel wieder einen Rekord brechen: 90.000 Zuschauerinnen und Zuschauer werden erwartet, alle Karten sind verkauft. So viele Fans haben in England noch nie ein Fußballspiel der Frauen verfolgt, aber es würde zu diesem Frauen-Fußball-Sommer passen, der zumindest bei den Zuschauern alle bisherigen Bestmarken hinter sich lässt: Über neun Millionen Menschen schalteten nach Angaben der BBC zum Halbfinale gegen Schweden ein – mehr als für das Wimbledon-Finale – und auch in den Stadien selbst war es so voll wie nie bei Frauen-Fußballspielen. Englands Frauen-Fußball feiert sein Sommermärchen, auch wenn die Abstände zum Männer-Fußball in vielen Kategorien noch immer gewaltig sind.

    Viele Stars feuern die englischen Fußball-Spielerinnen an

    Das zeigt sich in den Gehältern der Spielerinnen, das zeigt sich aber auch in der generellen Aufmerksamkeit für das Turnier. Im Zentrum von London flimmern die Lionesses zwar durchgehend über die berühmte Videowand am Piccadilly Circus und das EM-Dorf, in dem 7000 Zuschauerinnen und Zuschauer die Spiele verfolgen können, steht mitten auf dem Trafalgar Square, immerhin der geographische Mittelpunkt und damit quasi das Herz Londons. An anderen Orten ist vom Fußball-Fieber jedoch wenig zu spüren. Im Bankenviertel Canary Wharf ist für Sonntag zwar auch ein Public Viewing angekündigt, allerdings für die Wettkämpfe der Commonwealth Games, einem großen Turnier aller Commonwealth-Nationen, das aktuell in Birmingham abgehalten wird. Die große Leinwand wird in diesem Sommer jeden Tag bespielt, ein Match der Frauen-EM stand in den vergangenen Wochen jedoch nie auf dem Plan, dafür Tennis, Cricket oder Formel 1.

    „Ich höre immer noch von vielen Menschen, dass sie kein einziges Spiel geschaut haben“, sagt Rachel Gould von Baller FC. Und trotzdem warnt sie davor, die Wirkung zu unterschätzen, die die Frauen-Fußball-EM in England hat. „Wir erleben einen großen Aufschwung“, betont sie. „Frauen-Fußball wird immer beliebter.“ Prominente wie Ex-Fußballer David Beckham und der britische Prinz William, Präsident des höchsten britischen Fußballverbands, feuern die Lionesses öffentlich an. Heimlicher Star der EM ist die achtjährige Schülerin Tess Dolan, die beim Halbfinale auf den Rängen wild tanzte und dabei gefilmt wurde. Das Video wurde mittlerweile weit über Hunderttausend Mal abgespielt und Tess zur Symbolfigur für viele junge Mädchen, die – angespornt von den Lionesses – von einer Fußball-Karriere träumen.

    Für Mädchen steht Fußball oft nicht auf dem Lehrplan

    Rachel Gould hofft, dass die Europameisterschaft nun auch Veränderungen im Land mit sich bringt – zum Beispiel, dass Fußball für Mädchen häufiger im Lehrplan der Schulen auftaucht. Nach neuen Zahlen des Fußball-Verbands sieht der Lehrplan nicht einmal an jeder zweiten weiterführenden

    Was Gould auch wichtig ist: „Wir brauchen konstant so viele Zuschauerinnen und Zuschauer“, sagt sie und meint damit: Nicht nur zu den großen Events, zu denen Millionen einschalten und Zehntausende in den Stadien sitzen. Das wird die große Herausforderung für den englischen Frauen-Fußball: den Schwung aus der Europameisterschaft mit in den Alltag zu nehmen. Wie weit der Frauen-Fußball allerdings allein in den vergangenen Jahren gekommen ist, rechnete die britische Zeitung Guardian ihren Leserinnen und Lesern am Freitag vor: Im Jahr 2009 trafen England und Deutschland erstmals im Finale einer Europa-meisterschaft aufeinander, im Olympiastadion in Helsinki war das. Die Zuschauerzahl damals: 15.000 Menschen. Ein Spiel, das heute „mehrere Dimensionen entfernt“ scheint, schreibt die Zeitung.

    Rachel Gould, die Fußball-Anhängerin aus London, hat für ihr letztes Public-Viewing-Festival am Sonntag Tickets drucken lassen, um den Andrang unter den Fans zu steuern. Nach zwei Stunden, erzählt sie, waren alle 190 Karten ausverkauft. Egal wie das Spiel ausgehen wird, eines ist für sie sicher: „Es wird eine unglaubliche Fußball-Feier werden.“

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