Zwei Tage EM-Pause: Und was nun?
Die EM pausiert. Zeit, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Verdrängtes Verhalten muss wieder erlernt werden.
Die Spielplaner der Uefa hatten mit Bedacht gehandelt. Erst hatten sie die 15-Uhr-Spiele aus dem Programm genommen. Schleichender Entzug sozusagen. Anschließend gaben sie offenbar Dänen, Serben, Engländern und Slowenen mit auf den Weg, doch mal ein wenig ruhiger zu tun und das Publikum möglichst in den Schlaf zu spielen. Wer sich von den sedierenden Nullnummern nicht beeindrucken ließ, wird nun auf eine harte Probe gestellt. Es stehen die ersten beiden Ruhetage der Europameisterschaft an.
Kein Ball, der über den Bildschirm rollt, allenfalls der ein oder andere Eindruck vom Training zu sehen. Was lässt sich aus der Mimik des Trainers lesen? Spricht die Hand in der rechten Hosentasche eher für Niclas Füllkrug der Kai Havertz? Alles nicht mehr als niedrig dosiertes Methadon für Fußball-Süchtlinge.
Es gibt zwei Zeitrechnungen: vor und nach dem Eröffnungsspiel
Von besonderer Relevanz nach dem Entzug ist die Eingliederung in ein soziales Umfeld. Gesellschaftliche Verhaltensweisen müssen neu erlernt werden. Den Partner aufmerksam zu betrachten, bietet sich an. Lob für die neue Frisur ist angebracht. Nicht davon aus der Ruhe bringen lassen, dass darauf hingewiesen wird, der Besuch beim Frisör liege schon beinahe zwei Wochen zurück. Die Zeit vor dem Eröffnungsspiel war eine andere Zeit.
In der Arbeit werden sich die Gespräche nicht mehr um Schiedsrichterfehlentscheidungen, unterlassene Auswechslungen oder herrliche Treffer drehen. Stattdessen über lange Zeit unwirklich Scheinendes: die Arbeit. Wenn am Abend der Hund verstört schaut, weil er zu nun ungewohnter Stunde in den Wald geführt wird: mit Verständnis reagieren. Auch für ihn ist die Situation neu. Verstörte Blicke geübter Flaneure ob der arg vornehmen Gesichtsblässe ignorieren. Wer den Klassiker Slowakei – Ukraine verfolgt, muss auf attraktive Bräune verzichten. Lieber TV- statt UV-Strahlung.
Wer hat das letzte Bier genommen? Videobeweis! Sofort!
Die Rückfallgefahr ist allerdings hoch. Die Uefa genehmigt schließlich nur zwei Tage, um sein Suchtverhalten in den Griff zu bekommen. Bereits am Samstag läuft der Gefährdete Gefahr, dem nächsten Kick zu erliegen. Achtelfinale, K.-o.-Runde. Aber nur für die Mannschaften. Kein Fan lässt sich aus dem Turnier werfen. Es wird weiter, immer weiter geglotzt. Gerade gelerntes soziales Verhalten wieder verlernt. Guten Schland statt guten Abend. Wer hat das letzte Bier aus dem Kühlschrank genommen? Videobeweis! Sofort! Zwei Tage Pause tun allen Beteiligten gut.
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