Der Bundestrainer räumte selbst ein, dass der Bundestrainer viel Zeit habe, sich Gedanken zu machen. Was sonst soll er denn auch beispielsweise zwischen März und Mai tun? Vielleicht mal Ski fahren. Geht als Vereinstrainer ja nicht immer. Ansonsten aber: denken, denken, denken. Und weil Julian Nagelsmann Und weil Julian Nagelsmann so viel nachgedacht hat, ist da selbstverständlich ein Kader herausgekommen, dem das anzumerken ist.
Von den derzeit 27 Spielern ist jeder Einzelne über die Rolle informiert, die er nach Nagelsmanns Verständnis einzunehmen hat. Einen der 27 muss er zwar noch kurz vor dem Turnier enttäuschen, doch weil die Wackelkandidaten Bescheid wissen, wird die Enttäuschung im Falle einer Streichung möglicherweise nicht maximal groß ausfallen. Da hat sich einer Gedanken gemacht.
DFB-Kader wirkt austariert – das ist aber keine Garantie für eine erfolgreiche EM
Gedanken gewinnen leider kein Turnier. Vielleicht aber ist es auch gut so. Möglicherweise haben sich die Argentinier 1990 und 2014 ja mehr Gedanken gemacht als die Deutschen. Mit Sicherheit haben die Kroaten vor dem WM-Endspiel 2018 sehr viel nachgedacht, wie diese französische Mannschaft zu stoppen ist. Das Talent der Franzosen scherte sich nur kaum um die nachdenkenden Kroaten.
Der Kader der Deutschen wirkt austariert und hat keinerlei Unwuchten. Das sind Voraussetzungen für ein erfolgreiches Turnier, allerdings keine Garantien. Die gibt es nicht. Nicht einmal für die so talentierten Franzosen. Das wiederum kann die deutsche Mannschaft optimistisch auf die Europameisterschaft blicken lassen. Schließlich ist kein Team den Deutschen derart weit enteilt, dass ein Erfolg unmöglich erscheint.
Verzicht auf Hummels und Goretzka ist richtig
Dass dieser Eindruck entstanden ist, liegt einzig an den beiden Freundschaftsspielen im März, als das deutsche Team erstmals seit Jahren wieder rundum überzeugte und tatsächlich so etwas wie Euphorie entfachte. Nagelsmann musste daher diesen Weg weitergehen. Alles andere wäre schlicht unüberlegt gewesen. Also das Gegenteil von: sich Gedanken machen.
Mats Hummels und Leon Goretzka dürften andere Gedankengänge als Julian Nagelsmann gehabt haben. Beide gelten als charakterlich einwandfrei und können vielen Mannschaften mit ihrer Klasse helfen. Trotzdem ist der Verzicht auf sie richtig. Nagelsmann hätte ansonsten die mutig geschaffene Struktur in der Mannschaft gleich wieder über den Haufen werfen müssen. Das wäre äußerst gedankenlos gewesen.