Julian Nagelsmann selbst hat angedeutet, dass er einige Veränderungen wird vornehmen müssen. Die deutsche Mannschaft war bei der Europameisterschaft das Team mit dem zweithöchsten Altersdurchschnitt (28,59 Jahre). Nur die Schotten waren noch ein wenig älter. Während den Briten anzusehen war, dass die Spritzigkeit im Verlauf der Jahre eher ab- als zugenommen hat, präsentierten sich die Deutschen in ausgezeichneter physischer Verfassung. Unwahrscheinlich, dass es in zwei Jahren bei der WM in den USA, Kanada und Mexiko mit dem gleichen Kader bei dann wohl extremeren klimatischen Bedingungen genauso wäre.
Bislang allerdings hat lediglich ein Spieler angekündigt, dem Bundestrainer nicht mehr weiter zur Verfügung zu stehen. Das Karriereende von Toni Kroos stand schon lange fest - vor allem um die Neubesetzung auf dieser neuralgischen Position wird es Nagelsmann in den kommenden Monaten und Jahren gehen. Einen Spieler, der Kroos reibungslos ersetzt, gibt es nicht. „Sonst wäre er nicht einer der größten deutschen Fußballer, wenn es so easy wäre. Dann wäre, glaube ich, auch die Wertigkeit für Toni deutlich zu gering“, sagte der Trainer mit Blick auf die Zukunft.
Angelo Stiller und Aleksandar Pavlovic gehört die Zukunft in der Nationalmannschaft
Mit Stuttgarts Angelo Stiller und Bayerns Aleksandar Pavlovic hat Nagelsmann selbst zwei Spieler genannt, die sich künftig um Ordnung im Mittelfeld der deutschen Mannschaft kümmern könnten. Pavlovic war ursprünglich schon für die noch laufende EM vorgesehen gewesen, fiel dann allerdings wegen einer Mandelentzündung aus. Mit Blick auf die überraschend hohen Spielanteile für den für ihn nachnominierten Emre Can, dürfte Pavlovic seine EM-Absage noch mehr schmerzen. Der Münchner ist zwar noch weit davon entfernt, ein Spiel derart dominant zu prägen, wie es Kroos tat, ist aber für einen 20-Jährigen schon überaus abgeklärt mit dem Ball - und bringt im Defensivspiel ein Engagement mit, das sich Kroos im Verlauf seiner Laufbahn nur selten hat nachsagen lassen müssen.
In theoretischen Vorstellungen wirkt ein aus Stiller und Pavlovic gebildetes Zentrum attraktiv: zweikampfstark und spielfreudig. Wahrscheinlich aber wird Nagelsmann nicht auf eine derart krasse Verjüngungskur setzen. Zwei auf internationalem Paket noch reichlich unerfahrenen Akteuren das Spiel anzuvertrauen, birgt einige Risiken. Zumal Nagelsmann erwähnte, dass auch Pascal Groß und Robert Andrich noch eine Zukunft im Nationaldress haben. Der Leverkusener ist derzeit der einzige Mittelfeldspieler im zentralen Bereich, der sich in jener Altersspanne befindet, die als „bestes Fußballeralter“ bezeichnet wird.
Das wiederum könnte die Chance von Leon Goretzka sein. Sollte er sich beim FC Bayern einen Stammplatz erkämpfen oder nach einem möglichen Wechsel zu einem anderen Verein Top-Leistungen zeigen, wird er aufgrund seines Spielerprofils automatisch zu einem Thema für Nagelsmann.
In der Defensive hingegen wird der Coach nicht viel ändern müssen. Am interessantesten ist dort die Personalie Manuel Neuer und wie sich Nagelsmann dazu verhält. Sollte der Torwart nicht zurücktreten, muss sich der Trainer entscheiden, ob er weiter auf die langjährige Nummer eins vertraut oder eben doch Marc-André ter Stegen im nun auch für Torhüter jungen Alter von 32 Jahren endlich zum Stammtorwart ernennt. In der Viererkette besteht prinzipiell kein Handlungsbedarf. Joshua Kimmich, Antonio Rüdiger, Jonathan Tah, und Maximilian Mittelstädt (oder auch David Raum) dürften auch noch in zwei Jahren internationales Format besitzen. Mit Nico Schlotterbeck verfügt zudem ein weiterer Innenverteidiger über sämtliche Qualitäten, eine herausragende Rolle zu spielen.
Im Sturm fehlt es der deutschen Mannschaft an Alternativen
Diese Fantasie geht bislang im Sturm der Deutschen ab. Mit Jamal Musiala, Florian Wirtz und Kai Havertz ist die Offensive herausragend besetzt. Ob Ilkay Gündogan seine Karriere in der Nationalmannschaft weiter fortsetzt, wird aus spielerischer Sicht nicht entscheidend sein. Als Führungsspieler könnte er gleichwohl fehlen. Leroy Sané, Chris Führich, auch der zuletzt häufig verletzte Serge Gnabry sowie Maximilian Beier oder der Mainzer Brajan Gruda sorgen für maximale Flexibilität auf den Außenpositionen - im Sturmzentrum fehlt es aber an Alternativen zu Niclas Füllkrug, wenn ein Stürmer konservativer Bauart vonnöten ist. Der 31-jährige Dortmunder wird in seinem Verein demnächst mit Serhou Guirassy um einen Stammplatz kämpfen - oder möglicherweise den Klub wechseln.
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