Als um 21.02 Uhr – etwas verspätet – endlich der Anpfiff zu diesem Spiel, eigentlich ja zu diesem ganzen Turnier erfolgte, wirkte es zumindest in der Münchner Fußballarena so, als ob die ganze Welt darauf gewartet hatte. Deutschland gegen Schottland, das war das Eröffnungsspiel einer Europameisterschaft, die die Freude zurück bringen soll ins Land. Zurück in die sportliche Erfolgsspur, Sommermärchen 2.0, das ganze Programm. Am besten soll am Ende der vier Wochen bis zum 14. Juli der EM-Pokal in Deutschland bleiben, den Franz Beckenbauers Witwe Heidi zusammen mit Jürgen Klinsmann vor Spielbeginn ins Stadion brachte.
Gute Laune hatten vor Spielbeginn vor allem die Fans von der britischen Insel. Rund 200.000 Schotten hatten sich einer Schätzung britischer Medien zufolge nach Deutschland aufgemacht, die allermeisten hatten keine Karte. Wer die völlig überfüllte Fanmeile in München gesehen hat, kann nur zum Ergebnis kommen: Dabei muss es sich um eine gnadenlose Untertreibung handeln. Schon am Nachmittag meldeten die Organisatoren deren völlige Überfüllung. Spätestens am Ende der Auftaktpartie war auch die Laune der deutschen Fans ganz oben: Mit 5:1 gewann die erfrischend aufspielende deutsche Auswahl den so wichtigen Start, schon zur Halbzeit stand es 3:0.
Deutschland gegen Schottland: "Tartan Army" macht Stimmung
Auch im Stadion machte die „Tartan Army“ Stimmung, bejubelte etwa vor Anpfiff die eingespielten Tore aus der EM-Qualifikation, als ob sie gerade gefallen wären. Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte tags zuvor auf die lautstarke Unterstützung der Heimfans gesetzt: „Ich will, dass wir als Land vereint die deutsche Nationalmannschaft nach vorne peitschen, auch im Stadion.“ Bei der Aufstellung gab es keine Überraschungen: Nagelsmann setzte auf die elf Spieler, die auch bei der mit 2:1 gewonnenen Generalprobe gegen Griechenland vor einer Woche nur mäßig begeistert hatten.
Weil Vorbereitung aber eben Vorbereitung und EM EM ist, gehörte das Spiel von Beginn an der DFB-Elf. Schon nach zwei Minuten sorgte ein langer Ball von Rüdiger auf Wirtz für Gefahr. Deutschland drückte, setzte die schottische Abwehrreihe über die Flügel unter Druck. Letztlich war eine Spielverlagerung von Toni Kroos auf den rechten Flügel der Ausgangspunkt fürs erste Turniertor: Der dort wartende Joshua Kimmich gab den Ball in die Mitte – und von der Strafraumgrenze zog Florian Wirtz ab. Schottlands Keeper Angus Gunn war noch dran, lenkte den Ball aber nur noch an den Innenpfosten zum 1:0 (10.). Der Leverkusener ist damit jüngster EM-Torschütze des DFB. Deutschland wollte mehr, drückte – und jubelte wenig später erneut. Ilkay Gündogan, nach dem Griechenland-Spiel noch in die Kritik geraten, setzte mit einem starken Steckpass Kai Havertz ein. Der Arsenal-Spieler legte quer auf den enorm agilen Jamal Musiala – und der ließ sich nicht lange bitten. Bei seinem Schuss unter die Latte hatte Gunn diesmal keine Chance, 2:0! (19.). Die Schotten wirkten nun sichtlich konsterniert, während durch die Münchner Arena schon „Oh, wie ist das schön“ schallte.
Das Spiel war zur zweiten Halbzeit entschieden
Kurz darauf der nächste Aufreger. Nach einem Foul an Musiala entschied Schiedsrichter Clement Turpin bereits auf Elfmeter (25.), doch der VAR-Check ergab: Christie traf den Münchner außerhalb des Strafraums. Den Freistoß setzte Havertz in die Hände des schottischen Schlussmanns. Wenig später gab es dann aber doch Elfmeter für Deutschland: Bei einem Nachschuss holte Ryan Porteous Gündogan brutal von den Beinen. Der französische Unparteiische zögerte zuerst noch, befand nach Sichtung der deutlichen Videobilder aber: Platzverweis für den Schotten, Strafstoß für Deutschland. Kai Havertz verwandelte zum 3:0 und sorgte so für den ersten deutschen Stürmertreffer des Turniers (45.+1). Das Spiel war zur Halbzeit entschieden, für die tapfer kämpfenden und nun dezimierten Schotten ging es ab sofort nur noch um Schadensbegrenzung.
Der bereits gelbverwarnte Robert Andrich blieb nach dem Seitenwechsel in der Kabine, für ihn kam Pascal Groß an die Seite von Toni Kroos. Die DFB-Elf schaltete einen Gang runter, blieb aber gefährlich – etwa, als Wirtz einen Diagonalball von Mittelstädt volley versuchte, ihn aber über die Latte jagte (58.). Der für Wirtz eingewechselte Leroy Sané tauchte gefährlich vor dem schottischen Tor auf (63.). Mittelstädt wagte eine Direktabnahme von der Strafraumgrenze (66.). Ein Einwechselspieler sorgte für das vierte Tor: Niclas Füllkrug, gerade mal fünf Minuten auf dem Platz, wuchtete eine Hereingabe von Musiala in die Maschen – 4:0! (68.). Nach einem Missgeschick von Rüdiger durften die schottischen Fans noch ein eigenes Tor bejubeln: Der Kopfball des Real-Verteidigers trudelte ins eigene Netz (87.). Damit nicht genug: Emre Can sorgte für den 5:1-Schlusspunkt (90.+3). Damit war wirklich nicht zu rechnen.
Tore 1:0 Wirtz (10.), 2:0 Musiala (19.), 3:0 Havertz (FE, 45.+1) 4:0 Füllkrug (68.), 4:1 Rüdiger (87., Eigentor). 5:1 Can (90.+3)
Zuschauer 66.000 (ausverkauft)