Am Ende hatten sie es doch wieder geschafft, die Engländer: Trotz stellenweise wirklich furchtbarer Darbietungen auf dem Platz fieberte so mancher zum Finale auch ein wenig mit den Three Lions mit. Klar gab es bei den Spaniern den deutlich besseren Fußball zu sehen, klar haben die auch zurecht gewonnen.
Aber hey, das Narrativ von den jetzt 58 years of hurt, den 58 Jahren des bitteren Wartens auf einen Titel, das beherrscht der Angelsachse. Und er lieferte großes Kino in den sozialen Medien: Bilder der Weltmeistermannschaft von 1966, gemischt mit jenen der Rückschläge (davon gibt es so viele: Beckhams Tritt 1998, die verschossenen Elfmeter von Pearce, Southgate, Beckham, Saka), dazu die Hoffnung, die von der aktuellen Generation ausgeht. Fertig ist der Clip, der den Engländern die Sympathien einbrachte. Was wäre das für eine Party im Mutterland des Fußballs gewesen.
Englands immer neuer Titelanlauf geht in die 60. Auflage
Es kam bekanntlich anders. Aus rein dramaturgischer Sicht ist das – bei allem Mitleid – gar nicht so schlecht. Der immer wieder neu gestartete Anlauf Englands gehört schließlich zu den Turnierelementen mit dem höchsten Entertainmentfaktor. Es ist nicht das Einzige, was bleibt von dieser EM, die nun zu Ende gegangen ist. Die Uefa dürfte in den kommenden Tagen einen Rekordumsatz von bis zu 2,5 Milliarden Euro verkünden. Das Hospitality Büro der EM berichtet schon mal von den stärksten Verkaufszahlen, die es jemals bei einer EM gegeben hat und verweist auf 100.000 Gäste, die sich in den VIP-Bereichen der zehn Stadien Schampus und Schnittchen haben schmecken lassen. Die Deutsche Bahn dürfte drei Kreuze machen, wenn sich nach vier Wochen des kritischen Blicks des europäischen Auslands wieder die bereits desillusionierten Stammkunden mit dem Dreiklang aus Weichenstörung, Verspätung und Zugausfall abfinden müssen.
Stichwort Meckern: Das sollten die Bundesligaspieler ab der kommenden Saison auf ein Minimum reduzieren, zumindest wenn es um den Diskurs mit dem Schiedsrichter geht. Die bei der EM praktizierte Regel, wonach nur der Kapitän mit dem Referee das Gespräch suchen darf, wird es in die Europapokalwettbewerbe der Uefa schaffen, wahrscheinlich auch in die Bundesliga. Viele Zuschauer hielten die Regel für gut, weil auf diese Weise Rudelbildungen reduziert werden. Und dann bleibt noch die Erkenntnis: Man darf guten Fußball zeigen und trotzdem gewinnen – den Beleg dafür lieferte eben das spanische Team.
Und Englands Auswahl? Tritt in zwei Jahren wieder an, um den Fluch der dann 60 years of hurt zu brechen. Wir werden – auch das ist eine Konstante – insgeheim wieder die Daumen drücken.
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