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Die Deutsche Bahn bringt Phillip Lahm nicht rechtzeitig ins Stadion und ist der Prügelknabe dieser EM. Dabei hätte sie viel mehr Anerkennung verdient für ihren nimmermüden Einsatz.
Es wäre ein allzu Leichtes, dem Spott freien Lauf zu lassen. Philipp Lahm nahm am Freitag erst in der zweiten Halbzeit seinen Platz im Düsseldorfer Stadion ein, um das Spiel der Ukraine gegen die Slowakei zu verfolgen. Verantwortlich dafür war die Verspätung der Bahn. Weichen- oder Signalstörung, Menschen im Gleisbett, verpasster Anschlusszug. Vielleicht auch verpasste Signale im Gleisbett oder Menschen mit Weichenstörung. Es ist nicht genau bekannt. Immerhin die zweite Halbzeit habe er in der Arena gesehen, teilte ein Bahnsprecher mit. Ja immerhin.
Nicht einmal den Turnierdirektor bekommt die Bahn rechtzeitig ins Stadion. Gute Nacht, Deutschland! Dabei böte sich eine andere Sichtweise viel eher an. Deutschland ist Lässigkeitseuropameister. Komm' ich heut nicht, komm' ich morgen. Ein Land hat erkannt, dass diese pflichtversessene germanische Pünktlichkeit immer mit Stress einhergeht. Ein Termin nach dem anderen. Weiter, immer weiter. Nun aber mehr Musiala statt Kahn. Hier mal 'nen Schnörkel, da eine schöpferische Pause.
EM 2024: Rumhelikoptern mit der Deutschen Bahn
Selbstverständlich könnte Lahm zu jedem Spiel der EM pünktlich im Stadion sitzen. Irgendwo wird der kaiserliche WM-Hubschrauber noch stehen. Wahrscheinlich in einer Wartungsanlage. Dieses Rumhelikoptern hat ja aber immer etwas Alarmistisches, Truppenbesuchmäßiges. Das wird dem Charakter eines Sportfestes nicht gerecht.
Dank der Bahn also: keine Hetze, dafür die Entdeckung der Langsamkeit. Ein Blick für die Schönheit des Landes zwischen Kassel-Wilhelmshöhe und Halle an der Saale. Da bleibt genug Zeit, lässlichen Gedanken nachzuhängen. Verweile Augenblick, du bist so lang. Einer nach dem anderen. Weil sich bei all den Verkehrsknotenpunkten Mobilfunk und Internet verirrt haben, lenken auch Social Media und Anrufe nicht ab. Der gewünschte Gesprächspartner ist nicht nur vorübergehend nicht zu erreichen.
Die Deutsche Bahn schult den Charakter
Keine sofortige Bedürfnisbefriedigung, Frustrationstoleranz erhöhen. Die Bahn als staatlicher Erziehungsbeauftragter. Da macht man sich eben nicht nur Freunde. Die Bahn bringt das Land weiter. Möglicherweise nicht bis zum Ziel, aber eben weiter. Also von wegen Charakterbildung. Deswegen ist Spott nun wirklich fehl am Platze.
Immer noch ist Italien das Sehnsuchtsland der Deutschen. Dolce Vita, Fünfe gerade sein lassen. Uhrzeit und Pünktlichkeit? Künstliche Konstrukte, von denen wir uns nicht mehr unterjochen lassen. Thank you for waiting with Deutsche Bahn.
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