War ja klar, dass die Frage kommt. Also die Frage nach dem Japan-Spiel. Dass sie gleich als Erstes an Nico Schlotterbeck gestellt wird, als er an diesem Donnerstag aufs Podest bei der DFB-Pressekonferenz tritt, lässt den 24-Jährigen wissende Blicke mit DFB-Pressesprecherin Franziska Wülle austauschen. Schlotterbeck ist nicht freiwillig hier: "Franzi hat mich so ein bisschen gezwungen." Die Erinnerung an die 83. Minute gegen Japan bei der WM in Katar bleibt an Schlotterbecks Nationalmannschaftskarriere haften.
Der Innenverteidiger hatte beim deutschen Auftaktspiel lange Zeit überzeugt – bis eben jene verhängnisvolle 83. Minute kam. Schlotterbeck hatte Takuma Asano entwischen lassen. Der schoss zum 2:1-Siegtreffer ein. Ein dicker Patzer nach zuvor guter Leistung – mal wieder. Es war ein "gefürchteter originaler Schlotterbeck-Moment", wie die SZ schrieb. Zugleich war es der Anfang vom Ende der deutschen WM und bis heute das einzige Turnierspiel, bei dem der Dortmunder in der Startelf stand.
EM 2024: Schlotterbeck wird gegen Dänemark in der Startelf stehen
Das wird sich am Samstagabend (21 Uhr, ZDF) ändern, wenn die Nationalmannschaft gegen Dänemark antritt. Dass Schlotterbeck spielen wird, gilt als sicher. Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte schon während der Partie gegen die Schweiz, als die Gelbsperre von Jonathan Tah feststand, den Dortmunder für den Leverkusener eingewechselt, um ihm Spielpraxis zu verschaffen. Auch der Einsatz des angeschlagenen Antonio Rüdiger ist fraglich, wird aber ein Wettlauf mit der Zeit.
Insgesamt kommt Schlotterbeck unter Nagelsmann, der seit September im Amt ist, somit auf 51 Spielminuten. Nicht gerade ein Vertrauensbeweis, das weiß auch der Spieler selbst: "Es war kein leichter Start unter Julian, er hat mich dreimal nicht nominiert. Natürlich zweifelt man dann." Erst zur Nominierung für den EM-Kader sprang Schlotterbeck noch auf den Zug auf, seine Nominierung war der Auftakt einer Marketingoffensive des DFB und wurde in der Tagesschau bekannt gegeben.
Mats Hummels schwärmt von Schlotterbeck: "Schlotti kommt zu negativ weg."
Schlotterbeck profitierte von der starken Saison, die der BVB in der Champions League gespielt hatte. Speziell in den K.-o.-Spielen zeigte er seine Qualitäten, nicht nur die defensiven. Beim 1:0-Sieg im Halbfinal-Hinspiel gegen Paris gab er die Vorlage zum Tor von Füllkrug. Innenverteidiger-Kollege Mats Hummels setzte vor wenigen Wochen zum großen Loblied auf seinen Innenverteidiger-Partner an: "Ich finde, Schlotti kommt in den letzten Jahren viel zu negativ weg." Seine Entwicklung sei großartig, aus seinem jungen Kollegen sei ein großartiger Verteidiger, gar ein Anführer geworden. Gewagte Schlussprognose von Hummels: "An ihm wird Fußballdeutschland in den nächsten Jahren noch viel Spaß haben." Am besten eben schon am Samstagabend. Das Loblied von Hummels habe ihm viel bedeutet, sagte Schlotterbeck. "Ich habe mich gefreut, dass er so über mich redet. Er ist ein großartiger Innenverteidiger." Und einer, der es im Gegensatz zu Schlotterbeck nicht in den EM-Kader geschafft hat. Schlotterbeck signiert seine Beiträge in Sozialen Medien mit "#ns15" und "#mh15" – eine Referenz an die zu Hause gebliebenen Hummels und Niklas Süle und an seine Rückennummer 15, die er bei der Europameisterschaft trägt. "Beide sind Freunde von mir, beide haben die Nummer schon getragen."
Die Kritik an sich habe er akzeptiert: "Wenn du drei gute Spiele und ein schlechtes Spiel machst, sprechen alle nur über das schlechte." Gegen die Dänen soll, eigentlich muss es ein gutes Spiel von ihm werden, um es seinen Kritikern zu zeigen. Der Bundestrainer habe der Mannschaft bereits den "ganzen Matchplan" vorgelegt. "Wir wissen über Dänemark Bescheid, wir wissen, wie wir sie bespielen können." Im Wesentlichen werde es darum gehen, die richtigen Räume zu finden: "Wenn wir beim Pressing mehr Lösungen finden als gegen die Schweiz, wird es ein sehr gutes Spiel."
Der Respekt beim DFB vor der dänischen Offensive ist groß
Auf Schlotterbeck und seinen Innenverteidigerkollegen – egal ob Rüdiger, Anton oder ein anderer – wird viel Arbeit zukommen. "Jonas Wind kennt man aus der Bundesliga, er ist ein sehr agiler Stürmer." Rasmus Hojlund von Manchester United habe seine Stärken in der Körperlichkeit und im Tempo, während Christian Eriksen vieles mit dem ersten Kontakt regle. In der Summe aber auch keine andere Preisklasse als die, die in den K.-o.-Spielen der Champions League zu finden sei. Das Problem an Schlotterbeck: Manchmal reicht schon Japans Auswahl, um ihn vor Probleme zu stellen. Der Vollständigkeit halber soll nicht unterschlagen werden, was Schlotterbeck zur Frage nach dem Japan-Spiel sagte. "Es ist jetzt anderthalb Jahre her. Es verfolgt euch, nicht mich. Ich habe viel Kritik abbekommen, aber mir ist mittlerweile egal, was da passiert ist." Die beste Möglichkeit, einen Schlussstrich zu setzen, bekommt er am Samstagabend. Dänemark ist nicht Japan.