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Fußball: Düsseldorfer Modell: "Zuschauer nur noch in der Rolle der Claqueure"

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Düsseldorfer Modell: "Zuschauer nur noch in der Rolle der Claqueure"

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    Fans von Fortuna Düsseldorf sollen in der Zukunft kostenlos ins Stadion gehen können.
    Fans von Fortuna Düsseldorf sollen in der Zukunft kostenlos ins Stadion gehen können. Foto: Marius Becker, dpa

    Die Nachricht, dass der Fußball-Zweitligist plant, Tickets für Heimspiele kostenlos auszugeben, sorgte für ein gewaltiges Medienecho. Nicht nur in Fankreisen wurde und wird munter darüber diskutiert. Ist das Werbegag oder Revolution? Weder noch, sagt der Sportökonom Professor Markus Kurscheidt von der Universität Bayreuth. "Ich halte es nicht für einen kompletten PR-Gag, auch wenn man die große Öffentlichkeitswirkung gerne mitnimmt." Der Wissenschaftler sieht vor allem ein kommerzielles Interesse hinter der Aktion. Wollte man es böse ausdrücken, sagt Kurscheidt, fuße das Modell darauf, "dass man die Gemeinschaft der Fans an Business-Partner verkauft". 

    Denn die fehlenden Einnahmen aus dem Verkauf der Tickets werden durch Zahlungen von Sponsoren ausgeglichen. Kurscheidt: "Tatsächlich verfolgt man eine strategische Weiterentwicklung, die man aus der digitalen Wirtschaft kennt. Das Produkt wird kostenlos angeboten und die große Anzahl der Kontakte, also die Community, in Geld umgewandelt." Ein weiterer Vorteil ist, dass Sponsoring-Einnahmen viel berechenbarer und stabiler sind als Einnahmen aus dem Ticketing. Das erhöhe die Bonität in der Finanzierung.

    Kurscheidt glaubt, dass das Projekt für die Fortuna kommerziell funktionieren wird

    Viele Details der Planungen sind noch nicht bekannt. Das liege in der Natur der Sache, sagt der Wissenschaftler. So etwas müsse sich in der Praxis entwickeln. In drei Testspielen soll das Modell in der Praxis ausprobiert werden. Entscheidend ist aber das Umfeld, in dem sich die Fortuna bewegt. Auf der einen Seite ist da die große Historie des Traditionsvereins, dem die aktuelle Mannschaft in der zweiten Bundesliga weit hinterherhinkt. Dazu kommt, dass Düsseldorf umgeben ist von großen Klubs im Ruhrpott, in Köln und Mönchengladbach, die sportlich besser dastehen und sehr viel mehr Strahlkraft haben. "Fortuna ist ein Stadtklub und hat einen beschränkten Markt. Die wollen stärker in die Stadt reinwirken, da ist das Fan-Potenzial. Und sie haben den Vorteil, einen der wirtschaftlich stärksten Standorte Deutschlands zu haben." 

    Kurscheidt glaubt, dass das Projekt für die Fortuna kommerziell funktionieren wird. Denn auch wenn ein Teil des Plans ist, Menschen ins Stadion zu holen, die sonst nicht kommen würden, ist klar: "Die Hauptintention wird sicher nicht sein, den Fans etwas Gutes zu tun." Das würde zwar in die PR-Botschaft eingebettet, "aber in der aktiven Fanszene läuten die Alarmglocken. Und auch meine Interpretation wäre, dass das die Beschaffung von Investorengeldern durch die Hintertür ist, nachdem 50+1 tendenziell eher gestärkt wurde." 

    Mit 50+1 ist eine Regelung gemeint, die verhindern soll, dass Großunternehmen oder andere Kapitalgeber die vollständige Kontrolle über die Profimannschaften von Vereinen übernehmen. Das werde auch durch dieses Modell nicht passieren, so der Wissenschaftler. Aber allein schon durch ihr ökonomisches Gewicht würden die Geldgeber trotzdem Einfluss nehmen können. In Düsseldorf versuche man sich an einem innovativen Modell "und hat eben auch Leute, die so etwas ersinnen und umsetzen können. Das kann nicht jeder andere Klub. So schnell werden das andere nicht nachahmen können." 

    Das alles ist zwar neu im Fußball, im Sportbusiness ganz allgemein aber beileibe nicht. Im Beachvolleyball beispielsweise habe man sich bewusst dafür entschieden, sagt Kurscheidt. Dort werde ganz auf Sponsoring-Einnahmen gesetzt - und die Zuschauer als schöne Kulisse eingeladen. "Man könnte nun sagen, das ist der letzte konsequente Schritt der Kommerzialisierung und Eventisierung des Profifußballs. Dass die Zuschauer wirklich nur noch die Rolle der Claqueure einnehmen und für die tolle Atmosphäre sorgen. Als ökonomische Partner, die auch zahlende Kunden sind, werden sie nicht mehr wirklich ernst genommen." 

    Beim FC Augsburg wird das Düsseldorfer Projekt aufmerksam beobachtet

    Kurscheidt hofft deswegen, dass sich auch die Fans in dem Modell wiederfinden und nicht entmachtet und ausverkauft fühlten. "Dass die Fankultur nicht verwässert wird, indem man auf Biegen und Brechen versucht, das Stadion an jedem Spieltag mit irgendwelchen Besuchern vollzumachen." Denn was vor allem die Fußballbranche anfällig macht für derartige Modelle, ist die große Masse an engagierter, leidenschaftlicher Kundschaft - ähnlich wie in der Internetwirtschaft. Der große kommerzielle Nutzen von Social Media ergibt sich auch erst durch die Masse der Leute, die mitmacht.

    Beim FC Augsburg wird das Düsseldorfer Projekt aufmerksam beobachtet, wie Geschäftsführer Michael Ströll bestätigt. Er wolle sich mit den Kollegen der Fortuna dazu auch austauschen. Ströll: „Grundsätzlich begrüßen wir es, wenn Vereine oder die Liga soziale und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. In welcher Form dies letztlich geschieht, hängt von vielen individuellen Standortfaktoren ab.“

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