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Fußball: Dietmar Hamann über Lewandowski: "Dann soll er gehen"

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Dietmar Hamann über Lewandowski: "Dann soll er gehen"

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    Dietmar Hamann sieht im Abgang von Niklas Süle einen der Gründe für das Verpassen der sportlichen Ziele des FC Bayern: "Danach war die Mannschaft eine andere."
    Dietmar Hamann sieht im Abgang von Niklas Süle einen der Gründe für das Verpassen der sportlichen Ziele des FC Bayern: "Danach war die Mannschaft eine andere." Foto: Thorsten Wagner, Witters

    Herr Hamann, als Augsburger Journalist muss ich das fragen: Auf welchem Platz haben Sie den FCA eigentlich vor der Saison getippt?

    Dietmar Hamann: Ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Entweder auf Platz 16 oder auf Platz 17.

    Also erneut auf einem Abstiegsplatz - und erneut war der FCA besser.

    Hamann: Dass der FC Augsburg meine Erwartungen übertrifft, hat ja mittlerweile gute Tradition. Vergangenes Jahr haben mir Torwart Rafal Gikiewiecz und Florian Niederlechner nach dem Klassenerhalt ja ein witziges Video geschickt. Wenn meine Prognosen immer dazu führen, dass sie für den FCA eine Motivation sind, es besser zu machen, ist das doch klasse. Sie schaffen es immer wieder, sich zu retten. Aber einer muss eben 16. werden.

    Niklas Dorsch vom FC Augsburg.
    Niklas Dorsch vom FC Augsburg. Foto: Ulrich Wagner

    "Dorsch hat es gut gemacht beim FC Augsburg"

    Also werden sie den FCA kommendes Jahr wieder unten tippen?

    Hamann: Man muss natürlich abwarten, was jetzt im Sommer alles passiert. Aber eines ist klar: Die Abwehr ist die Achillesferse der Augsburger. Der Torwart hat sie zwar stabilisiert und sie haben drei überdurchschnittliche Innenverteidiger. Auch Niklas Dorsch hat es gut gemacht. Trotzdem müssen sie ihre Defensivarbeit verbessern.

    Wenn ich sehe, welche Vereine aus der zweiten Liga aufsteigen, kann ich nicht versprechen, dass ich den FCA nicht wieder da unten setzen werde. Wobei man schon sagen muss: Wenn es sein muss, ist der FCA zur Stelle. Das ist der Unterschied zu anderen Vereinen.

    Trotzdem hält sich angesichts der Spielweise die Euphorie über den Klassenerhalt in Augsburg in Grenzen.

    Hamann: Wobei letztlich doch gilt: Guter Fußball bedeutet erfolgreicher Fußball. Hertha und der VfB haben es nicht geschafft, rechtzeitig die Punkte zu holen. Dass es in der Stadt Stimmen gibt, die sich einen attraktiveren Fußball wünschen, kann ich verstehen. Man muss aber sehen, welche Mittel man zur Verfügung hat. Vor allem, wenn man im Winter für viel Geld einen Spieler wie Pepi geholt hat, der bisher hinter den Erwartungen geblieben ist. Wenn du so viel Geld in die Hand nimmst, gehst du schon davon aus, dass er dir ein oder zwei Punkte mit seinen Toren sichert.

    Muskelkater vom Stemmen der Schale: Bayern-Trainer Julian Nagelsmann.
    Muskelkater vom Stemmen der Schale: Bayern-Trainer Julian Nagelsmann. Foto: Lennart Preiss, Witters

    Beim FC Bayern stand nun die zehnte Meisterschaft fest, zum Feiern ist aber keinem zumute. Zu Recht?

    Hamann: Na ja, gefeiert haben sie ja und eine Meisterschaft ist immer etwas Besonderes. Dass sie den Titel holen, war wegen dem Führungswechsel an der Spitze und dem neuen Trainer nicht selbstverständlich. Aber wenn man die Pokalwettbewerbe ansieht, hat der FC Bayern natürlich etwas liegen gelassen. Ich glaube nicht, dass sie in den nächsten Jahren eine bessere Chance bekommen, ins Halbfinale der Champions League einzuziehen als es dieses Jahr mit Villarreal der Fall war.

    Was stimmt bei den Bayern nicht?

    Hamann: Der Verein muss geschlossener auftreten, sie müssen eine starke Führung zeigen und zur Not ein Machtwort sprechen. Wenn es wie jetzt um Vertragsverhandlungen mit Spielern geht, müssen sie auch mal rausgehen und sagen: Das können und wollen wir finanziell nicht machen. Das werden die Leute verstehen. Aber so jetzt kommt mehr Unruhe herein, weil viele Dinge unkommentiert bleiben: Das war so beim Wechselfehler in Freiburg, bei der eskalierten Jahreshauptversammlung. Da kommt mir einfach zu wenig von der Führung um Hainer, Kahn und Salihamidzic. Und die Berater sehen diese Führungsschwäche ja auch und versuchen, das für sich auszunutzen.

    Oliver Kahn, Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG.
    Oliver Kahn, Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG. Foto: Sven Hoppe/dpa

    Kann es sein, dass das neue Führungsduo der Bayern mit Oliver Kahn und Salihamidzic noch seine Rolle sucht?

    Hamann:Klar braucht man eine Findungsphase, aber Kahn hatte doch seine Eingewöhnungszeit an der Seite von Rummenigge und Salihamidzic war ja schon vorher da. Wenn du so einen Verein führst, muss du die Konfliktherde erkennen und darauf reagieren, sonst fliegt dir der Laden um die Ohren. Die Jahreshauptversammlung war das beste Beispiel: Da sind viele nur hingegangen, weil sie Ärger machen wollten. Aber das war doch bekannt. Und offenbar hatte sich der FC Bayern überhaupt nicht drauf eingestellt, im Gegenteil: Hainer hat den Leuten am Ende noch das Wort entzogen. Das sind Dinge, die dich am Ende einholen.

    Wechselt zum BVB: Niklas Süle.
    Wechselt zum BVB: Niklas Süle. Foto: Sven Hoppe, dpa

    "Nach Süles Abgang war die Mannschaft eine andere"

    Kritik gibt es auch an der Kaderplanung des FC Bayern. Dass mit Niklas Süle ein Spieler ablösefrei zum BVB wechselt, können viele nicht verstehen.

    Hamann: Der Abgang von Niklas Süle hat die Mannschaft zerrissen, danach war das eine andere Mannschaft. Viele Spieler hätten ihn gerne behalten, und Kapitän Manuel Neuer hat gesagt, dass er gerne weiter mit Süle gespielt hätte und dass ihn das Thema nervt. Das alleine zeigt schon, dass es ein Gesprächsthema in der Kabine war. Und in dem Moment, in dem der Kapitän so Position ergreift, fühlt sich auch einer wie Upamecano, der auf derselben Positin spielt, angegriffen.

    Nun soll Lewandowski ein Angebot von Barcelona vorliegen haben.

    Hamann: Dann soll er gehen. Das war ein herausragender Spieler für die Bayern. Er hat mit der Mannschaft alles gewonnen und viele individuelle Titel errungen. Es war eine sehr schöne Zeit, die man gut in Erinnerung behalten soll behalten sollte. Aber wenn nun ein Verein kommt und ihm offenbar einen Vertrag über drei Jahre anbietet – was die Bayern zurecht nicht tun – dann muss eben ein anderer kommen. Ich würde Sasa Kalajdzic vom VfB Stuttgart holen – unabhängig davon, wie es mit Lewandowski weitergeht. Ob der nun gleich 30 Tore macht, muss man sehen. Aber er hat vergangenes Jahr in einer mittelmäßigen Mannschaft 16 Tore gemacht.

    Viele sehen Leverkusens Schick nun als den Spieler, der zu holen ist.

    Hamann: Was ich höre, ist das kein Thema. Zudem ist er auch ein bisschen zu teuer.

    Hätte der FC Bayern mehr tun sollen, um Lewandowski zu halten?

    Hamann: Wenn ein anderer Verein kommt und ihm einen Drei-Jahres-Vertrag anbietet, was willst du denn machen? Wenn Barcelona das machen will, sollen sie es tun. Dann schaut man sich in die Augen, gibt sich die Hand und es geht weiter.

    Sie haben Joshua Kimmich kritisiert: Für sie ist er keiner fürs defensive Zentrum.

    Hamann: Kimmich mit seiner Spielweise auf der Sechs – das funktioniert dann, wenn Alaba und Boateng für ihn absichern. Aber wenn ich mir Rodri von Manchester, Casemiro von Real oder Fabinho von Liverpool ansehen: Die geben ihren Mitspielern die Freiheit, nach vorne zu gehen. Diesen Anspruch hat Kimmich aber selbst. Die Frage ist, ob er dazu bereit ist, seine eigenen Interessen hinten an zu stellen. Der FC Bayern ist nicht umsonst an Konrad Laimer dran, der nach meinen Informationen wohl kommen wird. Die Frage ist, wo Kimmich dann spielen wird. Beim Gewinn der Champions League hat er ja auf der rechten Verteidigerposition gespielt.

    Mit Angelo Stiller haben die Bayern einen defensiven Mittelfeldspieler aus der Jugend an Hoffenheim abgegeben.

    Hamann: Stiller gehen zu lassen und dafür Sabitzer für viel Geld zu holen, ist Irrsinn gewesen. ich hätte Sabitzer niemals geholt. Jetzt wollen ihn die Bayern wieder loswerden und werden das ausgegebene Geld nie wiedersehen. Stiller spielt in Hoffenheim, als ob nichts dazu gehört.

    Bayern-Trainer Julian Nagelsmann.
    Bayern-Trainer Julian Nagelsmann. Foto: Matthias Balk, dpa

    Wie fällt Ihr Fazit zu Julian Nagelsmanns erster Saison als Bayern-Trainer aus?

    Hamann: Ich würde ihm eine 2 minus geben. Er hat es ordentlich gemacht. Es ist als Trainer nicht so einfach, wenn du zu den Bayern kommst und selbst noch nicht Meister geworden bist. Das haben sie souverän geschafft, auch wenn das in Teilen der Schwäche der Konkurrenz geschuldet war. Auf viele Dinge, die passiert sind und die sicherlich nicht leistungsförderlich waren, hatte er keinen Einfluss: die Jahreshauptversammlung, die Impfdiskussion um Kimmich, der Süle-Abgang, das Wechseltheater in Freiburg. Den Kredit, den er aufgrund seines Alters hatte, hat er aber mit dem Aus gegen Villarreal verspielt. Er muss jetzt vorsichtig sein, nicht zu schnell zu viel ändern zu wollen.

    Trotz aller Probleme – die Meisterschaft des FC Bayern war nie gefährdet. Sehen Sie Anzeichen dafür, dass die Bundesliga auf absehbare Zeit wieder spannend wird?

    Hamann: Das habe ich vor dieser Saison eigentlich schon gedacht. Aber dafür haben die Verfolger es nicht gut genug gemacht. Ich glaube aber, dass Dortmund nächste Saison auch ohne Haaland eine bessere Mannschaft haben wird. Sie haben dank der Transfers von Schlotterbeck und Süle eine bessere Innenverteidigung als diese Saison. Dann hoffe ich, dass Julian Brandt und Mo Dahoud den nächsten Schritt machen. Ob Adeyemi der Spieler ist, den sie suchen, weiß ich nicht. Und Leipzig hätte in diesem Jahr auch das Zeug dazu gehabt, die Bayern zu ärgern, wenn sie ihren Saisonstart nicht verpatzt hätten.

    BVB-Stürmer Erling Haaland wechselt zu Manchester City.
    BVB-Stürmer Erling Haaland wechselt zu Manchester City. Foto: Bernd Thissen/dpa

    "Nun muss man zusehen, dass man den nächsten Haaland findet"

    Haaland ist schon weg, um Lewandowski und Nkunku halten sich Spekulationen. Droht die Bundesliga den Anschluss zu verlieren?

    Hamann: Die finanzielle Chancengleichheit ist derzeit nicht gegeben. Wir hätten um ein Haar das zweite rein englische Finale der Champions League erlebt. Aber wenn man finanziell nicht mithalten kann mit England, muss man eben zusehen, dass man den nächsten Haaland und Lewandowski findet.

    Mit Schalke, Werder und vielleicht dem HSV stehen mehrere Traditionsclubs vor der Rückkehr in die Bundesliga. Wie wertvoll ist das für die Liga?

    Hamann: Das ist super. Diese Clubs will jeder in der Liga sehen. Schon in dieser Saison gab es in der zweiten Liga Partien, die man gerne auch in der Bundesliga gesehen hätte. Ich bin gespannt, was für Schalke im Sommer machbar ist. Allerdings muss man auch sagen: Respekt vor der Leistung von Fürth, die relativ früh deutlich abgeschlagen waren und sich dennoch gut verkauft haben. Auch davor muss man den Hut ziehen.

    Zur Person:

    Dietmar Hamann, 48 Jahre alt, spielte für den FC Bayern, Newcastle United, den FC Liverpool, Manchester City und die Milton Keynes Dons. Er wurde u. a. zweimal deutscher Meister, zweimal Uefa-Cup-Sieger und gewann mit Liverpool 2005 die Champions League. Als TV-Experte ist er für den TV-Sender Sky im Einsatz. Am Samstag wird er als Experte gemeinsam mit Erik Meijer und Moderatorin Britta Hofmann das Saisonfinale präsentieren, zudem ist er am Sonntag Gast in der Talkshow Sky90.

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