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Fußball: Die Schmach von Cordoba – eine dunkle Stunde im deutschen Fußball

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Die Schmach von Cordoba – eine dunkle Stunde im deutschen Fußball

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    Noch heute ist das WM-Spiel zwischen Österreich und Deutschland omnipräsent. Bei der Euro 2008 trägt ein Austria-Fan ein T-Shirt als schöne Erinnerung.
    Noch heute ist das WM-Spiel zwischen Österreich und Deutschland omnipräsent. Bei der Euro 2008 trägt ein Austria-Fan ein T-Shirt als schöne Erinnerung. Foto: Msb Hae, dpa

    Österreich zählt unter den Deutschen zu den beliebten Urlaubsländern – ungeachtet der Witzeleien, die die einen, die „Ösis“, über die anderen, die „Piefkes“, machen und umgekehrt. Irgendwie mag man sich dann doch. Im Sport sind die Rivalitäten seit jeher ausgeprägt, aber nicht gehässig. Die einen können hervorragend Ski fahren, die anderen ausgezeichnet Fußball spielen. Bei der WM 1978 in Argentinien jedoch verschoben sich die Kräfteverhältnisse derart, dass mancher von einer der dunkelsten Stunden deutscher Fußballgeschichte spricht. 

    Die „Schmach“ oder auch „Schande von Cordoba“ hat sich tief ins Gedächtnis eingebrannt, der Weltmeister von 1974 scheiterte tatsächlich an den Kickern der benachbarten Alpenrepublik. Während die Österreicher noch heute von den Krankls, Prohaskas oder Pezzeys schwärmen und ihren ersten Sieg gegen Deutschland nach beinahe 50 Jahren als Sensation feierten, versanken die Deutschen in einer Schaffenskrise. 

    Radioreporter Edi Finger fasste das schier Unfassbare damals in Worte. Sein kultiger Kommentar zum dritten Treffer Hans Krankls ist legendär, Österreicher sollen sogar auf diesen Handy-Klingelton hören. „Toor, Toor, Toor, I wer' narrisch!“ Österreicher sprechen bei diesem Spiel am 21. Juni 1978 gar vom „Wunder“. In der österreichischen Heldenverehrung steht das WM-Spiel auf einer Stufe mit Franz Klammers Olympiasieg auf dem Patscherkofel und Niki Laudas WM-Titel. 

    Franz Beckenbauer und weitere Stars fehlen in der WM-Mannschaft von 1978

    Für die Deutschen hatte dieses Turnier von Beginn an unter keinem guten Stern gestanden. 1974 hatte die Mannschaft im WM-Finale von München die Niederländer geschlagen, doch die Titelverteidigung war ein schwieriges Unterfangen: Weil die Stars fehlten. Bundestrainer Helmut Schön wusste es am besten: Nur formal, auf dem Briefkopf, reiste ein Weltmeister nach Südamerika. Von der Siegermannschaft der vorherigen WM waren nur fünf Spieler geblieben: Sepp Maier, Berti Vogts, Rainer Bonhof, Bernd Hölzenbein und „Katsche“ Schwarzenbeck, den Schön kurz vor der WM zurückgeholt hatte. Verzichten musste der DFB entsprechend auch auf Franz Beckenbauer, der bei Cosmos New York unter Vertrag stand und als vermarktete Attraktion in Amerika unpässlich war.

    Entsprechend mäßig verlief die Vorrunde. Nach zwei torlosen Unentschieden gegen Polen und Tunesien sowie einem Sieg gegen Mexiko stand das DFB-Team dennoch in der Finalrunde. Vor dem Spiel gegen Österreich war das „kleine“ Finale und, in bestimmter Konstellation, sogar das Endspiel noch möglich. Aber es kam anders. Ganz anders. Krankl erzählte später, ihm sei die Chance schnell bewusst geworden. Die Deutschen standen nicht als Mannschaft auf dem Platz, wirkten stattdessen zerstritten. „Wir haben erkannt, da stimmt was nicht, da rauscht es im Karton. Harmonie und Freundschaft waren nicht so ausgeprägt, es gab unter den Spielern Probleme.“ Dass es diese auch bei den Österreichern gab – ein Sponsor ließ alle 22 Spielerfrauen einreisen –, wirkte sich nicht negativ aus.

    Reporter Edi Finger im Radio: „Wir busserln uns ab“

    DFB-Trainer Schön hatte schon vor dem Abflug ein schlechtes Gefühl. Die Vorbereitung war schlecht gelaufen, Strategen und Wortführer in der Mannschaft fehlten. In seinen Memoiren schrieb Schön: „Ich glaubte nicht, dass die deutsche Nationalmannschaft noch einmal Fußball-Weltmeister werden könnte. Aber ich wusste, wir würden kämpfen. Und wenn wir verlieren würden, müssten schon andere Mannschaften besser spielen als wir.“ In Cordoba waren das die Österreicher. Die Bild hatte für zusätzliche Motivation gesorgt, hatte ein 6:0 für Deutschland vorausgesagt. Zunächst lief es nach Plan, Karl-Heinz Rummenigge traf zum 1:0. Doch spätestens mit dem Eigentor durch Berti Vogts nach einer Stunde nahm das Schicksal seinen Lauf. Krankl traf zweimal (67./88.), Bernd Hölzenbein glich zwischenzeitlich aus (66.). Ein 2:2 hätte den Deutschen genügt, um noch um den dritten Platz zu spielen. 

    Doch dann kam Krankl. Und Edi Finger lief zur Höchstform auf. O-Ton: „3:2 für Österreich! Meine Damen und Herren, wir fallen uns um den Hals; der Kollege Riepl, der Diplomingenieur Posch – wir busserln uns ab. 3:2 für Österreich durch ein großartiges Tor unseres Krankl. Er hat olles überspielt, meine Damen und Herren. Und warten S’ noch a bisserl, warten S’ no a bisserl; dann können wir uns vielleicht ein Vierterl genehmigen. Also das, das musst miterlebt haben.“

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