Selten war die Bundesliga so spannend: Die Bayern gehen mal nicht als Herbstmeister in die zweite Saisonhälfte, ein Aufsteiger mausert sich und auch im Abstiegskampf ist es spannend. Wir wagen uns an fünf Prognosen.
Leverkusen wird Meister und Pokalsieger
Dass ein ungeschlagener Herbstmeister auch den Titel holen wird, soll eine steile These sein? Ja, wenn es sich dabei um Bayer Leverkusen handelt. Jenen Verein, über den sein gefrusteter Ex-Spieler, der Brasilianer Emerson, nach einer wieder mal verpatzten Meisterschaft gesagt haben soll: "Leverkusen gewinnt nie etwas. Nie, nie, nie!" Angesichts von drei zweiten Plätzen in Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League schien 2002 der Name "Vizekusen" zementiert. Und tatsächlich: Der letzte (und zweite) Titel für die Werkself stammt aus dem Jahr 1993, damals holte der Klub den DFB-Pokal.
In dieser Saison scheint aber alles anders zu sein: Leverkusen spielt Traumfußball, hat auf mehreren Positionen die besten Spieler der Liga unter Vertrag und mit Xabi Alonso einen Trainer, der gar nicht weiß, was das Wort "Vizemeister" bedeutet. Und wenn, wie nun bei Victor Boniface geschehen, sich ein Spieler verletzt? Dann ist mit Patrik Schick gleich eine erstklassige Vertretung da. Die Bayern spielen zwar – einigen Wacklern wie im Pokal gegen Saarbrücken zum Trotz – eine sehr gute Saison. Aber eben keine herausragende wie die Leverkusener. Noch dazu wird beim FC Bayern ab spätestens Mitte Februar ein Großteil der Konzentration auf der Champions League liegen. Der Kader der Münchner war schon in der Hinrunde auf Kante genäht. Auch da ist Leverkusen breiter aufgestellt und somit titelreif – und das gleich in doppelter Hinsicht. Im Pokal ist man ja auch noch dabei.
Heidenheim spielt bald international
Zum Start in die Saison musste der FCH noch reichlich Lehrgeld zahlen: Die naiv anmutenden Fehler wurden gnadenlos bestraft, nach neun Spieltagen waren gerade mal sieben Punkte auf dem Konto. Im kompletten Oktober setzte es nur Niederlagen. Zum Ende der Hinrunde geschah aber das, was Heidenheim noch bislang in jeder neuen Liga gelang: Das Team von Frank Schmidt lernte hinzu, passte sich dem Niveau der Liga an. Die letzten drei Spiele im alten Jahr wurden allesamt gewonnen. Gegen die Bayern war Heidenheim nah an einem Punkt dran. Wenn die Liga wieder angepfiffen wird, steht Heidenheim auf Rang neun. Nimmt der Verein den Schwung vor Weihnachten mit, wird das nicht das Ende der Fahnenstange sein. Und wenn, wie so oft in den vergangenen Jahren, der siebte Platz für die Teilnahme an der Conference League reicht, wird das für Heidenheim bedeuten, dass man in der Ostalb in der kommenden Saison international spielt.
Dortmund qualifiziert sich nicht für
Die Borussen waren ambitioniert in die Saison gestartet. Nach der verpassten Meisterschaft wollte man von Beginn an, die Fährte der Bayern aufnehmen, um nicht wieder eine Aufholjagd starten zu müssen. Nach 16 Spieltagen fehlen 15 Punkte auf Spitzenreiter Leverkusen. Der Titel ist schon früh in der Saison kein Thema mehr. Zu keinem Zeitpunkt schaffte es die Mannschaft, den Abgang von Jude Bellingham auch nur ansatzweise zu kompensieren. Trainer Edin Terzic wollte einen weniger spektakulären Fußball spielen lassen – der sich dafür durch Effizienz auszeichnet. Herausgekommen ist strukturloses Gerumpel, das regelmäßig in peinlichen Niederlagen mündete. Der BVB reagierte, wie der BVB schon in der Vergangenheit auf Misserfolge reagierte: ohne Konsequenzen. Terzic ist weiterhin Trainer, ihm zur Seite gestellt wurden die ehemaligen Spieler Nuri Sahin und Sven Bender. Als Königstransfer im Winter soll Jadon Sancho das lahmende Offensivspiel beleben. Auch das ein aus der Vergangenheit bekanntes Motiv. Schon die Rückhol-Aktionen von Shinji Kagawa, Mario Götze und Sahin (damals noch als Spieler) zeigten: Chili mag aufgewärmt schmecken, Liebe eher nicht. Was bleibt, ist also ein: Weiter so. Das endet in einer desaströsen Saison. Der BVB verliert nicht nur die Champions League aus den Augen, sondern verpasst sogar die Europa League.
Bremen steigt ab
Was war das für ein Hallo im Sommer: Werder Bremen verpflichtet Naby Keita vom FC Liverpool. Manager Frank Baumann ließ sich als Macher des Schachzugs feiern. Dass Keita eine Krankenakte, so dick wie das Berliner Telefonbuch hat, wollte damals keiner hören. Erst als sich der Mittelfeldspieler in der Vorbereitung verletzte, dämpfte das die Stimmung etwas. Baumann ist bald weg, Keita hat drei Spiele in der Liga auf dem Konto und wird auch in der Rückrunde erst mal fehlen, weil er mit Guinea beim Afrika-Cup weilt. Bremen steht zwar sechs Punkte von den Abstiegsrängen entfernt, die Probleme türmen sich aber auch jetzt schon. Trainer Ole Werner wechselte bereits den Torwart, in der Offensive hängt zu vieles an der Formkurve von Marvin Ducksch und Geld für neue Spieler ist auch nicht da. Noch dazu kommt: Den Abstiegskampf haben andere Vereine wie Bochum oder Mainz besser drauf als Grün-Weiß. Deswegen geht es am Ende wieder ins Unterhaus.
Köln rettet sich – dank
Baumgart weg. Kohle weg. Die Hoffnung weg. Der Stadionrasen ein Kartoffelacker. Eigentlich spricht nichts, aber auch rein gar nichts mehr für den 1. FC Köln. Also jenen Verein, der es in der Hinrunde auf nur zehn mickrige Törchen brachte und als Vorletzter in die Winterpause ging. Inmitten dieser Hoffnungslosigkeit wird aber ein Mann zum Retter der Geißböcke: Davie Selke. So mancher sah dessen Verpflichtung vor einem Jahr als Ausdruck des rheinländischen Humors. Doch Selke verfügt auch in den dunkelsten Momenten über ein übermenschliches Selbstbewusstsein, einen international konkurrenzfähigen Mut in Modefragen und ist mit vier Toren ohnehin der mit Abstand beste Kölner Torjäger. Köln startet mit zwei Heimspielen – wenn Selke da schon mal den Turbo zündet, ist vieles gewonnen. Und danach kommt der Karneval in die Hochphase, da ist sowieso alles möglich. Am Ende steht der Klassenerhalt in der Relegation gegen den HSV. Klassisches Selke-Ding eben.