Es gab Zeiten beim FC Bayern, da hätte ein 4:0-Sieg in der Bundesliga alle Störgeräusche übertönt, die sich im Laufe einer Woche an der Säbener Straße ansammeln. Dass die Zeiten und vor allem die Ansprüche mittlerweile andere sind und selbst ein solcher Kantersieg gegen Union Berlin nur bedingt dazu genügt, um beim Rekordmeister alle Konfliktherde zu überdecken, zeigte das Spiel am Samstag.
Das hatte – um kurz zum Sportlichen zu sprechen zu kommen – tatsächlich einige positive Erkenntnisse für die Bayern-Führung auf Lager. Zum Beispiel, dass der lange Zeit vom Radar verschwundene und vor eineinhalb Jahren als Supertalent verpflichte Tanguy Nianzou offenbar durchaus das Zeug dazu hat, öfter in der Startelf der Bayern zu stehen. Der 19-jährige Franzose war nur wegen der Verletzung von Niklas Süle in die Mannschaft gekommen. Gegen Berlin lieferte der ehemalige PSG-Spieler eine gute Leistung ab, vor allem seine Unaufgeregtheit überraschte.
Tanguy Nianzou überzeugte und erhielt ein großes Lob
Passenderweise dazu gelang Nianzou gegen Berlin sein erstes Pflichtspieltor: Nach einer Kimmich-Ecke nickte er kraftvoll zum 2:0 ein (25.) – und holte sich bei Trainer Nagelsmann nach Abpfiff Lob ab. Der Coach rühmte Nianzou als „stärksten Kopfballspieler des Kaders“ und hob dessen Gewinnermentalität hervor. Dennoch werde der FC Bayern auf den Abgang Süles auf dem Transfermarkt reagieren. Die Führung hatte Kingsley Coman (16.) nach einem Fehler von Union-Keeper Andreas Luthe besorgt, später traf der unvermeidliche Robert Lewandowski noch doppelt: zuerst nach einem Elfmeter, den Luthe an ihm verursacht hatte (45.+1), dann nach Zuspiel von Jamal Musiala in Minute 47 – spätestens ab hier war sportlich alles geregelt.
Nahezu unbemerkt fielen sogar zwei historische Bestmarken der Bundesliga: Zum einen war der Erfolg gegen die Hauptstädter der 1164. Sieg im 1935. Bundesligaspiel. Damit haben die Bayern Werder Bremen (1934 Partien) als den Klub mit den meisten Erstligaspielen abgelöst. Dazu holte Keeper Manuel Neuer seinen 311. Bundesligasieg und damit einen mehr als sein Vorgänger im Bayern-Tor, Oliver Kahn, dessen Marke bei 310 liegt.
Oliver Kahn zeigte sich im ZDF gereizt
Daran lag es aber nicht, dass der heutige Vorstandschef Kahn nach Abpfiff nur bedingt gute Laune hatte. Denn das derzeit dominierende Thema beim FC Bayern ist und bleibt die Zukunft der Kapitäne Manuel Neuer, Thomas Müller und Robert Lewandowski. Die derzeitigen Arbeitspapiere des Trios sind bis 2023 datiert. Der FC Bayern will mit der Ü30-Gang verlängern, kann aber bislang noch keinen Erfolg vermelden. „Wer sagt denn, dass wir zögerlich sind?“, gab ein sichtlich genervter Kahn im ZDF-Interview als Antwort auf die Frage, ob der FC Bayern nicht entschlossen genug handle. Verhandlungen wie die zwischen dem FC Bayern und seinen drei Galionsfiguren seien eben „nicht einfach so im Vorbeilaufen“ zu regeln, schließlich hätten auch die Spieler ihre Vorstellungen.
Diese haben oft mit der Laufzeit (aus Sicht eines Profis im Spätherbst der Karriere soll diese möglichst lange sein) und dem Salär zu tun (auch hier soll die Anzahl der Nullen möglichst lang sein). Ihren sportlichen Gegenwert bewiesen alle drei Spieler gegen Union einmal mehr: Neuer verhinderte mit einer laut Kahn „Weltklasseparade“ den Ausgleich, Lewandowski hat nun 31 Treffer auf dem Konto und Müller leitete die Angriffe ein. Eine Gelegenheit, in den kommenden Tagen die Gespräche fortzuführen, wird es eher nicht geben: Alle drei Profis sind von ihren Nationalmannschaften zu den Länderspielen eingeladen worden. Sportlich war das 4:0 jedenfalls eine starke Ansage an die Konkurrenz. Allerdings ist beim FC Bayern eben nicht alles nur mit so einfachen Mitteln wie hohen Bundesligasiegen zu regeln.