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Fußball: Der DFB und die Katar-WM: Spagat zwischen Sport und Politik

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Der DFB und die Katar-WM: Spagat zwischen Sport und Politik

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    Vor dem WM-Qualifikationsspiel im März 2021 gegen Island warben die deutschen Nationalspieler für die Einhaltung der Menschenrechte. Nun steht das Turnier kurz bevor und der Druck auf jeden einzelnen Spieler wird zunehmen, sich kritisch und fundiert zu äußern. Vielleicht etwas viel verlangt
    Vor dem WM-Qualifikationsspiel im März 2021 gegen Island warben die deutschen Nationalspieler für die Einhaltung der Menschenrechte. Nun steht das Turnier kurz bevor und der Druck auf jeden einzelnen Spieler wird zunehmen, sich kritisch und fundiert zu äußern. Vielleicht etwas viel verlangt Foto: Tobias Schwarz, dpa

    Seit nun mindestens eineinhalb Jahren befindet sich die deutsche Nationalmannschaft schon im Training. Immer ein Stück tiefergehend, die Belastung kontinuierlich steigernd, soll in zwei Monaten der Spagat dann tatsächlich sitzen. "Wir müssen darauf achten, diesen umschreibt Oliver Bierhoff die Herausforderung vor der Weltmeisterschaft in Katar.  Bierhoff sagte dies auf dem Kongress "Sport und Menschenrechte" am Montag. Ausgerichtet und initiiert vom Deutschen Fußball-Bund.

    Der Verband vermittelt glaubhaft den Eindruck, sich tatsächlich intensiv mit den Menschenrechten, deren Umsetzung und der eigenen Verantwortung dafür auseinanderzusetzen. Aus rein sportlicher Sicht kann das auch zu Ermüdungserscheinungen führen. Schließlich sind die deutschen Fußballer formidabel darin ausgebildet, einen Ball pfleglich zu behandeln, sind aber im diplomatischen Verhandeln gesellschaftlicher (Fehl)-Entwicklungen Quereinsteiger.

    Zwischen Nations League und Menschenrechtsfragen

    So reisten sie am Montag auch primär nicht dazu an, sich die Vorträge von Menschenrechtsorganisationen, dem katarischen Botschafter oder einem Fan-Vertreter anzuhören. Sie sollen sich hauptsächlich auf die beiden abschließenden Spiele der Nations League am Freitag gegen Ungarn und kommenden Montag in England vorbereiten. Dabei geht es nicht nur darum, sich noch Tabellenplatz eins und somit die Teilnahme am Finalturnier im nächsten Jahr zu sichern – sondern in der Art Eindruck auf Hansi Flick auszuüben, dass er um eine Nominierung für die WM nicht herumkommt.

    Für Dario Minden aber ist es recht egal, wer in zwei Monaten im Trikot der deutschen Nationalmannschaft steckt. Dabei ist der Mann ausgewiesener Fußballfan. Als solchen weist ihn schon seine Funktion als 2. Vorsitzender der Fanvereinigung "Unsere Kurve" aus. Doch er hat "keine Lust" auf die WM in Katar, wie er als Sprecher während des Kongresses sagte. Dies liege nicht daran, dass das Fußballfest in einem Land stattfindet, das bisher reichlich wenig mit Fußball zu tun hat. Auch der Termin nahe am Weihnachtsfest stört ihn nicht. Unüberwindbar sei, dass Menschenrecht und blutige Ausbeutung zur Verhandlunsgmasse verkommen seien – "nur weil das Gegenüber genug Geld hat." Katar habe "schamlos" eine WM gekauft, dabei aber auch nichts anderes gemacht als die Deutschen vor 20 Jahren.

    Der katarische Botschafter Scheich Abdulla Bin Mohammed bin Saud Al-Thani hatte zuvor gesagt, dass sein Land zwar "nicht perfekt" sei, sich aber "auf einer Reise" befinde und es schon etliche Fortschritte gebe. So hob er die Einführung eines Mindestlohns ebenso hervor wie Abschaffung des Kafala-Systems, einer Art Leibeigenschaft für Arbeitsmigranten. DFB-Präsident Bernd Neuendorf wollte diese Fortschritte gar nicht in Abrede stellen, erneuerte jedoch seine Aussage, dass sich Katar zwar zu Mindestlohn oder Freizügigkeit der Arbeiter verpflichtet habe: "Aber an der Umsetzung hakt es."

    Der Sport war noch nie so politisch wie derzeit

    Die DFB-Elf hatte bereits vor 18 Monaten auf die Missstände hingewiesen, als sie vor dem Spiel gegen Island in Trikots mit der Aufschrift "Human Rights" (Menschenrechte) posierte. Während der Europameisterschaft trug Manuel Neuer eine Kapitänsbinde in Regenbogenfarben, Leon Goretzka formte mit seinen Händen ein Herz und reckte es ungarischen Fans entgegen, die gemeinhin als tendenziell nationalistisch galten.

    Der Sport war zu keinem Zeitpunkt politischer als derzeit und doch dürften "die vielen Geräusche und auch Kritiken, die vorher kommen, nicht dazu führen, dass wir keine Lust am Turnier haben", so Bierhoff. Zumal es sich bei der Mannschaft um eine "Gruppe junger Menschen" handle, "da sind nicht alle politisch denkend".

    Sie werden sich möglicherweise gar nicht erst am Spagat versuchen. Nicht jeder kann zwingend alles.

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