Über Dietmar Hamann gibt es viele Geschichten zu erzählen. Zum Beispiel die, wie eine Fußgängerbrücke des 2005 neu gebauten Londoner Wembley Stadions beinahe seinen Namen getragen hätte. Der Titel "Didi Hamann Bridge" hatte eine Abstimmung gewonnen, weil er der letzte Spieler war, der ein Tor im alten Wembley geschossen hatte. Es war der 1:0-Siegtreffer für Deutschland, ein raffinierter und frecher Freistoß. Oder wie Hamann im Finale der Champions League einen Elfmeter mit gebrochenem Fuß geschossen und so den Pokal mit Liverpool gewonnen hat. In seiner Zeit beim FC Bayern brach er im Keller seines Hauses zusammen. Diagnose: Schlaganfall, mit gerade mal 23 Jahren.
Im selben Jahr wurde er mit den Bayern Meister. Ein paar Jahre zuvor war ein Sieg der Bayern gegen Frankfurt als Niederlage gewertet worden, weil Trainer Giovanni Trapattoni Hamann eingewechselt hatte. Dessen Pech: Der damals 21-Jährige war der vierte Vertragsamateur, nur drei waren erlaubt. Hamann geht offen damit um, dass er nach seiner Spielerkarriere und dem Scheitern seiner Ehe Probleme mit Alkohol und Sportwetten hatte. Stoff für Storys ist genug da – und dennoch geht es bei ihm eigentlich immer nur um eines: seine Rolle als TV-Experte bei Sky.
Bayern-Trainer Thomas Tuchel nahm Hamanns Entschuldigung nicht an
An diesem Umstand ist Hamann selbst nicht ganz unschuldig. Kein anderer Experte polarisiert derart wie der 50-Jährige. Bayern-Trainer Thomas Tuchel nannte er erst kürzlich "das größte Missverständnis des FC Bayern seit Jürgen Klinsmann", was in Fußball-Kreisen eine fast schon justiziable Beleidigung darstellt. Hamann kritisierte Tuchel auch dafür, dass er seiner Meinung nach etwas zu deutlich seine Liebe für die spanische Liga kundgetan hatte – und das kurz nachdem bekannt geworden war, dass der FC Barcelona im Sommer einen neuen Trainer brauchen wird. Hamann sah darin eine Anbiederung und nannte das Verhalten Tuchels eine "Frechheit". Für Letzteres hat Hamann um Verzeihung gebeten, was Tuchel aber nicht mehr besänftigen konnte. Die Entschuldigung nehme er Hamann nicht ab, so der Bayern-Trainer. Es ist der vorläufige Tiefpunkt einer ohnehin schon langen Auseinandersetzung zwischen den beiden.
Hamann dürfte das einerlei sein. So wie ihn seit Jahren die Rückmeldungen aus der Fußball-Branche kaltlassen. Die Bayern, sein Ex-Verein, sind seit Jahren schlecht auf ihn zu sprechen. Liverpool-Trainer Jürgen Klopp nannte ihn mal sarkastisch "eine ausgezeichnete Quelle, überall respektiert". Hamann – das ist gewissermaßen sein Geschäftsmodell – geht es aber nicht darum, bei den Vereinen einen guten Stand zu haben oder die oft beschworenen "guten Drähte" zu den Entscheidern der Vereine zu haben. In einem Sky-Porträt über ihn sagte er kürzlich: "Mir geht es um die Sache: Wie spielen die Fußball? Ich kenne kaum einen persönlich. Ich kannte die vor Jahren, aber ich habe mit kaum einem persönlichen Kontakt." Das wolle er auch gar nicht: "Entweder du kannst mit denen befreundet sein – oder du machst den Job, den ich mache."
Didi Hamann über die Fußball-Branche: "Ich will keinen Kontakt"
Hamann sticht damit heraus aus der stetig größer werdenden Masse an Ex-Spielern, die nun als TV-Experten arbeiten. Weil viele davon – ob zu Recht oder nicht – darauf hoffen, noch bei einem Klub unterzukommen, kommt oft nicht viel mehr als heiße Luft heraus. Am besten, man tut sich nicht weh. Das sieht Hamann etwas anders – und meidet die Nähe in einem Bereich, in dem Selfies von Journalisten mit Spielern und Trainern an der Tagesordnung sind. Marco Rose habe ihn als Trainer von Dortmund nach einer Kritik mal eingeladen, mit ihm ein Glas Wein zu trinken. Dazu ist es nie gekommen – besser so, findet Hamann: "Ich will keinen Kontakt. Dann treffe ich den, finde den sympathisch – und dann, wenn die Mannschaft wieder diesen Mist spielt? Überlege ich dann, das zu sagen?"
Tut Hamann eben nicht. Stattdessen liefert er, beständig und ohne Angst vor diesen Abhängigkeiten. Interviews mit ihm sind angenehm, schnell geführt und liefern immer einen Mehrwert, denn Hamann kommt ohne Verklausulierungen aus und kommt direkt zur Sache. Den FC Augsburg tippt er fast jedes Jahr als Absteiger, hofft stets auf einen anderen Meister als die Bayern und sagt auch, wen er für den richtigen Trainer oder Spieler für Klubs hält. Das ist manchmal etwas drüber, sorgt oft für dicke Luft – und ist nie nur heiße Luft. Hamann hat zu fast allem eine Meinung und die tut er auch kund. Solange das so bleibt, wird Hamann nicht zum Darling der Branche taugen. Er wird damit klarkommen. Zeit, über die alten Geschichten von früher zu sprechen, wird es auch danach noch irgendwann geben.