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Fußball: Das laute Schweigen des DFB zur WM-Vergabe nach Saudi-Arabien

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Das laute Schweigen des DFB zur WM-Vergabe nach Saudi-Arabien

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    Für Fifa-Präsident Gianni Infantino scheint der Gastgeber der WM 2034 schon festzustehen. DFB-Präsident Bernd Neuendorf will hingegen erst noch abwarten, bis die Bewerbung Saudi-Arabiens eintrifft.
    Für Fifa-Präsident Gianni Infantino scheint der Gastgeber der WM 2034 schon festzustehen. DFB-Präsident Bernd Neuendorf will hingegen erst noch abwarten, bis die Bewerbung Saudi-Arabiens eintrifft. Foto: Pierre la Halle, Witters

    Es ist noch ein bisschen hin, bis die Fußball-WM 2034 stattfindet. Doch schon jetzt wird dieses Turnier speziell sein. Es ist zum Beispiel die erste Veranstaltung ihrer Art, deren Gastgeber faktisch über Instagram bekannt gegeben wurde. Ende Oktober meldete sich Fifa-Präsident Gianni Infantino über das soziale Netzwerk zu Wort. Dort war zu lesen, dass "die größte Show der Welt", also die Fußball-WM, im Jahr 2026 von den USA, Mexiko und Kanada ausgerichtet werden wird. 2030 sind dann Spanien, Portugal, Marokko, Uruguay und Paraguay dran. Und 2034 sei dann eben "Asien (Saudi-Arabien)" an der Reihe. Das mache den Fußball wirklich global, so Infantino. Das ist interessant, weil die Bewerbungsfrist für die WM noch nicht mal beendet ist: Bis Juli 2024 kann sich eines der 211 Mitgliedsländer der Fifa bewerben. Aber offenbar können sich das fast alle sparen: Weil gemäß der Infantino-Logik ja bei den vorherigen Turnieren alle anderen Kontinente dran waren, komme dann eben Asien zum Zug. Und weil Australien seine Bewerbung zurückgezogen hat, bleibt Saudi-Arabien als einziger Interessent übrig, wie praktisch. 

    Alle möglichen Kontrahenten in den Vorjahren ruhigzustellen, um den Weg für den Wüstenstaat frei zu machen, der mit viel Geld in den Sport drängt, zugleich aber wegen heftiger Menschenrechtsverletzungen in der Kritik steht – es ist eine Konstellation, die frappierend an die WM 2022 in Katar erinnert. Als das Turnier vor einem Jahr über die Bühne ging, lautete eine der Verteidigungsargumente, denen sich auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) anschloss: Das Kind ist schon deutlich früher in den Brunnen gefallen, nämlich bei der WM-Vergabe. Wenn man etwas dagegen hätte tun wollen, hätte das während des Vergabeprozesses geschehen müssen. In Bezug auf die WM 2034 wäre die passende Zeit, Partei gegen Saudi-Arabien zu ergreifen: jetzt. Der DFB hat sich allerdings ein Schweigegelübde auferlegt: Man wolle "die Abgabe der offiziellen Bewerbung des saudischen Fußball-Verbandes abwarten", teilte der Verband mit. Erst dann könne man die Angelegenheit "seriös und angemessen bewerten".

    Fanforscher Harald Lange kritisiert den DFB: "Es ist exakt das gleiche Trauerspiel"

    Es ist ein Statement, über das viele Beobachter die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Wenzel Michalski von Human Rights Watch betont gegenüber der ARD, der Verband müsse jetzt "anfangen zu arbeiten, die Ärmel hochzukrempeln und Druck auf die Fifa ausüben". Harald Lange, der an der Uni Würzburg als Professor für Sportwissenschaft arbeitet und als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland gilt, sagt unserer Redaktion dazu: "Es ist exakt das gleiche Trauerspiel, das man auch im Vorfeld der WM 2022 zu sehen bekommen hat." Auch damals habe der DFB betont, sich informieren zu wollen, wollte über verbindliche Zusagen der Regierung in Katar Einfluss nehmen. "Das war ein einziges Herumeiern, an der Sache hat das alles nichts geändert. Und auch jetzt versäumt es der DFB mit seinem Präsidenten Bernd Neuendorf, Haltung zu zeigen. Ich habe vom DFB bis heute nichts gesehen, was über das übliche Blabla hinausgeht." 

    Auf Anfrage unserer Redaktion betont DFB-Präsident Bernd Neuendorf, sich die "zu erwartende Bewerbung Saudi-Arabiens genau ansehen" zu wollen und diese auch hinsichtlich der Belastungen für Spieler zu prüfen, verweist aber auch auf das Rotationsprinzip: Von den 104 WM-Spielen des Turniers 2030 finden drei in Südamerika statt. "Von den verbleibenden 101 Spielen wird wahrscheinlich der Großteil in Portugal und Spanien ausgetragen. Für mich ist es damit im Kern eine WM, die in Europa stattfindet. Da muss man als DFB dann mit den befreundeten Verbänden auf der iberischen Halbinsel auch solidarisch sein." Gemäß den Regeln der Fifa sei danach eben ein anderer Kontinent dran, sodass Saudi-Arabien die Möglichkeit habe, sich zu bewerben. "Man kann eben nicht verhindern, dass ein bestimmtes Land sein Interesse an der Ausrichtung einer WM bekundet." Zudem verweist der DFB, mit 7,4 Millionen Mitgliedern der größte Sportdachverband der Welt, auf die Konstellation im Fifa-Kongress: Dem gehören 211 Nationalverbände an. Einer davon ist der DFB – und jeder Verband hat nur eine Stimme.

    Es ist eine Stellungnahme, mit der Harald Lange nichts anfangen kann: "Der DFB versteckt sich mal hinter dieser Argumentation, hinter der des Rotationsprinzips und der 211 Mitgliedsländer. Immer wenn es drauf ankommt, versagt der DFB und kuscht vor der Fifa." Dietrich Schulze-Marmeling ist Fußball-Historiker und Buchautor. Er initiierte die Aktion "Boycott Qatar", die bundesweit auf großen Widerhall traf. Zur Rolle des DFB sagt er: "Man findet immer irgendeinen Grund, warum man gerade nichts bewirken kann." Dabei sei der DFB ein gewichtiger Verband, könnte eine Koalition mit anderen Ländern bilden. "Wenn man immer nur sagt: Wir können ja eh nichts bewirken – dann ist man nicht mehr als ein völlig unbedeutender und furchtbar einfallsloser Verband. Dann tun man so, als ob man ein karibischer Kleinstaat ist und nicht der größte Sportdachverband der Welt."

    Leon Goretzka zur WM-Vergabe: "Fehler, die nicht korrigiert worden sind"

    Auch Nationalspieler Leon Goretzka scheint nicht glücklich mit der aktuellen Entwicklung zu sein. In einer Pressekonferenz im Rahmen der jüngsten Länderspiele bemängelte er, dass die Fehler, die bei der Vergabe der Endrunde 2022 gemacht wurden, "offensichtlich nicht korrigiert worden sind". Laut Auskunft des DFB hat Präsident Neuendorf dazu das Gespräch mit dem Bayern-Profi gesucht. "Dabei ging es unter anderem auch darum, dass die Fifa im Nachgang zur WM in Katar als Weiterentwicklung einen Menschenrechts-Passus in Anlehnung an die UN-Menschenrechtskonvention in seine Bewerbungs-Kriterien aufgenommen hat", so der DFB.

    Nationalspieler Leon Goretzka glaubt weiter an eine erfolgreiche EM des DFB-Teams.
    Nationalspieler Leon Goretzka glaubt weiter an eine erfolgreiche EM des DFB-Teams. Foto: Arne Dedert, dpa

    Für Schulze-Marmeling steht der DFB kurz davor, die gleichen Fehler wie bei der Katar-WM zu machen: "Letztlich fehlt beim DFB doch der Mut, mal klar gegen das System der Fifa und für Menschenrechte aufzutreten. In Katar sind die Probleme aufgekommen, weil man das Thema jahrelang verdrängt hat." Möglichkeiten, etwas gegen die Vergabepraxis der Fifa zu tun, gebe es sehr wohl, befindet der Uniprofessor Lange. "Wenn der DFB einen Prozess gestartet hätte, an dessen Ende eine Satzungsänderung steht, die besagt: In Ländern, in denen Menschenrechte missachtet werden, werden keine Spiele mit deutscher Beteiligung stattfinden – dann wäre die Sache klar. Die Fifa wüsste dann: Bei einem Turnier in Saudi-Arabien kann der DFB nicht mitmachen." Auch eine eigene Bewerbung wäre ein großer Schritt, befindet Lange. Die schließt der DFB auf Anfrage aber aus – und verweist auf das Rotationsprinzip der Fifa.

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