Immerhin gilt diese alte Weissagung für den Fußball nicht: „They never come back.“ Schwergewichtsboxer aber gelang jahrzehntelang nicht die Rückkehr auf den WM-Thron, wenn sie ihren Titel denn verloren hatten. Auf der anderen Seite der Skala steht die Instagramisierung des Comebacks. Jedem Kreisklassen-Vorstoppper wird mit dem Hashtag #comebackstronger nach einem grippalen Infekt schnelle und vollkommene Genesung gewünscht. Marc-André ter Stegen hat keine Erkältung, sondern sich die Patellasehne gerissen. Ob er stärker zurückkehren wird oder der Weg zurück ins Tor des FC Barcelona und der Nationalmannschaft verschlossen bleibt, ist noch nicht klar. Ein Blick zurück auf andere Weltklassespieler und ihre Verletzungspausen zeigt, dass zwischen triumphaler Rückkehr und Karriereende alles möglich ist.
Uwe Seeler: Sein erster Gedanke war, ihn habe ein Elefant getreten. Das war nicht der Fall. Stattdessen war ihm im Februar 1965 auf dem vereisten Frankfurter Rasen die Achillessehne gerissen. Der Knall soll bis auf die Tribüne zu hören gewesen sein. Zusammen mit der Schulmedizin steckten auch einige Operations-Methoden noch in den Kinderschuhen. Ein Achillessehnenriss war bis dahin gleichbedeutend mit dem Karriereende. Seeler aber hatte anderes vor. Der Stürmer des HSV ließ sich zwei Tage nach der Verletzung operieren. „Na, wenn das nicht klappt, kannst du deine Praxis schließen“, sagte er zu Arzt Kurt Fischer. Es klappte. Nicht einmal ein halbes Jahr später stand Seeler in der Bundesliga wieder auf dem Feld, den rechten Fuß in einem Spezialschuh von Adidas. Im September führte er die Nationalmannschaft als Kapitän ins entscheidende WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden. Seeler bereitete den Ausgleich zum 1:1 vor und erzielte das Siegtor zum 2:1 selbst. Statt Karriereende folgten noch zwei Weltmeisterschaften.
Uli Hoeneß: Letztlich ist auch ein Tritt von Frank Gray für die Vormachtstellung des FC Bayern in Deutschland verantwortlich. Der Schotte trat Hoeneß im Finale der Landesmeister 1975 derart übel um, dass der Stürmer mit einer Meniskusverletzung über ein halbes Jahr ausfiel. Hoeneß war vor seiner Verletzung seinen Gegenspielern regelmäßig davon geflitzt, nun fehlte ihm die letzte Spritzigkeit. Er war immer noch ein ausgezeichneter Spieler – gehörte aber nicht mehr zur Weltklasse. Später zwang ihn eine Knieverletzung dazu, im Alter von 27 Jahren die Karriere zu beenden. Er wurde der jüngste Manager der Bundesliga und führte den FC Bayern in die Moderne.
Lothar Matthäus: Hätte sich Lothar Matthäus im Frühjahr 1992 nicht das Kreuzband gerissen, wäre die Geschichte des FC Hollywood um einige der aufregendsten Kapitel ärmer. Ursprünglich wollte Matthäus ja gar nicht zurück nach München wechseln. Real Madrid war am Star von Inter Mailand interessiert, anschließend aber hatte sich der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft mit Juventus Turin auf einen Wechsel verständigt. Dann aber: Kreuzbandriss und plötzlich hatte Juve das Interesse an Matthäus verloren. Die Verletzung galt noch als Karrierekiller. Mit den Münchnern machte ein Klub das Rennen, der international nicht höchsten Ansprüchen genügte. Bayern half Matthäus und Matthäus half den Bayern. Der Mittelfeldspieler lief auf und abseits des Feldes zu alter Form auf. Führte die Mannschaft zu Titeln und nebenbei einen medialen Kleinkrieg mit Mannschaftskamerad Jürgen Klinsmann. Davon konnte ihn auch ein Achillessehnenriss 1995 nicht abhalten. Matthäus kämpfte sich ein weiteres Mal zurück, feierte mit 34 Jahren erneut ein Comeback und spielte anschließend noch, bis er 39 Jahre alt war.
Ronaldo hatte die gleiche Verletzung wie ter Stegen
Ronaldo: Die Jüngeren mögen sich daran erinnern, dass es vor dem Mann, den sie CR7 nennen, einen anderen Spieler gab, der den gleichen Namen trug. Ronaldo, der Ältere. Auch bekannt als: Il Fenomeno. Dem Brasilianer fehlte das gockelige des heutigen Ronaldos, dafür war ihm permanenter Spieltrieb anzusehen. Beinahe aber hätte seine Karriere ein allzu frühes Ende genommen. Nachdem er sich im November 1999 die Patellasehne (die ja auch bei ter Stegen betroffen ist) gerissen hatte, wagte er fünf Monate später das Comeback – und riss sich nach sechs Minuten erneut die Patellasehne. Was folgte, waren 523 Tage ohne Spiel. 523 Tage, in denen das Karriereende meistens näher schien als eine glanzvolle Rückkehr auf das Fußballfeld. Das Phänomen aber kehrte zurück. Zuerst bei Inter Mailand und schließlich in der brasilianischen Nationalmannschaft, die er 2002 zum WM-Titel schoss – unter anderem mit beiden Treffern zum 2:0-Finalsieg gegen Deutschland.
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